Eishockey-Franchise Seattle Kraken:Klimaneutrale Kraken

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Bayerischer Kehraus-Beauftragter: Nationaltorhüter Philipp Grubauer, 29, soll den Kasten von Seattle sauber halten. (Foto: Derek Cain/Icon SMI/Imago)

Eishockey-Torwart Philipp Grubauer spielt nun für das neue NHL-Team in Seattle. Sein Umzug aus Colorado ist symbolisch für einen Standort, der Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen in sich trägt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Philipp Grubauer ist ein Bayer, und einen Bayern bringen bekanntermaßen nur zwei Dinge aus der Ruhe: Bierknappheit und Wahlergebnisse für die CSU unterhalb von 30 Prozent (beides kann man als Notstand wahrnehmen, muss aber nicht). Deshalb: Keine Panik, als Colorado Avalanche in der Sommerpause viel zu lange zögerte, dem laut Statistik drittbesten Torwart der vergangenen Saison ein neues, besser dotiertes Angebot zu machen, und dann wegen der Gehaltsobergrenze in der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL nicht mehr mithalten konnte beim Wettbieten.

"Sie hatten die Chance, sie hatten Zeit - hat nicht geklappt", sagt Grubauer trocken. Der 29-Jährige wird nun für Seattle Kraken spielen, das neue Team, das an diesem Dienstag bei den Vegas Golden Knights die erste NHL-Partie seiner Geschichte absolvieren wird.

Das ist deshalb interessant, weil die Golden Knights vor vier Jahren das letzte so genannte "Expansion Team" gewesen waren und in ihrer ersten Spielzeit gleich die Finalserie erreicht hatten. Die NHL hatte 1917 mit drei Teams (Toronto Arenas, Montréal Canadiens, Ottawa Senators) begonnen. Mittlerweile sind es 32 Franchises, und wegen des Erfolgs der Golden Knights 2017 lautet die Frage nun: Wie gut ist dieser Krake aus Seattle? Antwort aus der Kristallkugel: Die Playoffs sollten möglich sein.

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Leon Draisaitl wird zum Saisonauftakt mit Edmonton sein 500. NHL-Spiel bestreiten

Das liegt an den Regeln der NHL bei diesen Expansionen: Seattle durfte je einen Spieler von 30 anderen NHL-Klubs wählen (außer Las Vegas, das quasi noch unter Welpenschutz steht), die aber ihre tollsten Spieler gewissermaßen als unantastbar erklären konnten: sieben Stürmer, drei Verteidiger und einen Torwart oder acht Feldspieler sowie einen Torhüter. Das bedeutet: Seattle hat über diesen "Expansion Draft" auf Anhieb einen bis in die letzte Sturmreihe ordentlichen Kader; allerdings ohne Superstars wie Nathan McKinnon (Colorado), Sidney Crosby (Pittsburgh) oder Leon Draisaitl (Edmonton), der zum Auftakt sein 500. NHL-Spiel bestreiten wird.

Dafür ergatterten sie beim Wettbieten um vertragslose Spieler Top-Qualität: Torwart Grubauer etwa, in Rosenheim zur Welt gekommen, wird in den kommenden sechs Spielzeiten insgesamt 35,4 Millionen Dollar verdienen; in Colorado waren es 3,3 Millionen pro Saison. Eine gewaltige Steigerung der Einkünfte für die gewaltige Steigerung der Leistungen - Gruber wirkt bisweilen, als habe er wie ein Krake acht Fangarme.

Die Verpflichtung überraschte ein bisschen, hatte Seattle beim Draft doch schon Chris Driedger von den Florida Panthers gewählt und zur Nummer eins erklärt. Sie ergibt jedoch Sinn, wenn man die Testspiele des neuen Teams beobachtete und Grubauer ein bisschen zuhört. Der sagt: "Wir werden keine zehn Tore schießen, wie Colorado das manchmal getan hat - aber wir werden eine hart arbeitende und schwer zu besiegende Truppe sein."

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David Elsner als emotionalen Eishockeyspieler zu beschreiben, ist fast noch untertrieben. Der Stürmer der Straubing Tigers erzielt im Derby gegen Ingolstadt das spielentscheidende Tor - nachdem er über seinen früheren Klub geschimpft hatte. Auch die Karriere des 29-jährigen verlief keineswegs gradlinig.

Von Christian Bernhard

Stimmt schon: Ohne die ganz großen Zugkräfte werden sie kein Spektakel aufs Eis zaubern, wie es Connor McDavid und Draisaitl in Edmonton tun, David Pastrnak, Patrice Bergeron und Brad Marchand bei den Boston Bruins oder Victor Hedman und Nikita Kutscherow bei Tampa Bay Lightning, die ihren dritten Titel nacheinander gewinnen wollen. Was sie haben: das wahrscheinlich beste Torhüter-Duo der Liga und eine grundsolide Mannschaft, die Tore nicht erspielt, sondern erkämpft.

Bei Testspielen attackierten sie die Gegner oft schon in deren Verteidigungsdrittel und kamen so zu Torchancen. Sie können sich das leisten, weil sie wissen: Da hinten steht einer im Tor, auf den sie sich verlassen können. Das wird oft Grubauer sein, der aber auch sagt: "Man muss gerade mit Blick auf die Playoffs nicht jede Minute der regulären Saison auf dem Eis sein."

Die Halle, in der einst die Supersonics spielten, wurde für 1,15 Milliarden renoviert

Genau das wollen sie sehen und hören in Seattle. Die Stadt im Nordwesten der USA ist trotz enormen wirtschaftlichen Aufschwungs (Amazon, Microsoft, Starbucks) eine Stadt geblieben, in der die Leute lieber Grunge und Hardcore-Punk hören als Pop und im Stadion lieber Bier trinken als Champagner. Was da genau passiert in Seattle, lässt sich an dieser Arena im Stadtzentrum ablesen - die heruntergekommene Halle, Heimstätte der Basketball-Franchise Seattle Supersonics bis zum Wegzug nach Oklahoma City im Jahr 2008, ist für 1,15 Milliarden Dollar renoviert worden, sie heißt nun Climate Pledge Arena und gilt als die erste komplett klimaneutrale Arena der Welt. Es ist wichtig, dass es ist, wie es ist.

Die Supersonics gehörten damals zur DNS von Seattle, bei ihrem Wegzug ging es auch um eine neue Halle, die sich die Stadt nicht leisten konnte. Wer die oftmals schmutzigen Details beim Umzug von Vereinen verstehen will, sollte den Dokumentarfilm "Sonicsgate" sehen, er ist erhellend und todtraurig zugleich, Dichter Sherman Alexie sagt am Ende: "Falls wir wieder ein Team bekommen, dann ist das ein Klub, der anderen gehört. Wir werden die Herzen von Menschen brechen, denen es dann so geht, wie es uns jetzt geht."

Nun, genau das ist eben nicht passiert. Kraken ist von nirgendwo her nach Seattle gezogen, keine Herzen wurden gebrochen, und es spielt in dieser Halle, die damals für untauglich erklärt worden ist. Die Tatsache, dass die Arena nun gerade in den Bereichen Klimaneutralität und Kundenfreundlichkeit (wer eine Kreditkarte hinterlegt, muss beim Kauf von Verpflegung und Fanartikeln nicht Schlange stehen ) führend ist und keinen Konzern als Namensgeber hat (Amazon verzichtete, um den Klima-Namen zu ermöglichen), sehen sie als Kirsche auf der Sahnetorte. Nur nebenbei: Es ist möglich, dort auch Basketballpartien auszutragen, und es heißt, dass die NBA im kommenden Jahr gerne zwei neue Teams vorstellen möchte. Favoriten derzeit: Las Vegas - und Seattle.

Einen Nachteil hat dieser wirtschaftliche Aufschwung: Der Preis für Wohnraum in Seattle ist exorbitant gestiegen, weshalb selbst Gutverdiener Grubauer immer noch keine standesgemäße Bleibe gefunden hat: "Wir sind erstmal in einer kleinen Wohnung." Den Bayern bringt so was nicht aus der Ruhe, auch nicht, dass er mit Seattle in der ersten Saison wohl nicht um den Titel spielen wird, wie er es in Colorado getan hätte: "Du bist Teil einer Mannschaft, die Geschichte schreibt, die erste, die jemals für Seattle spielen wird. Das ist unglaublich." Er sagt aber auch: "Es heißt nicht: Dabei sein ist alles. Wir sind hier, um den Cup nach Seattle zu holen."

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