NFL-Quarterback Jared Goff:Ein berühmter Verlierer macht den ewigen Verlierern Hoffnung

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So sieht auf einmal ein Sieger aus: Detroits Quarterback Jared Goff feiert den Erfolg gegen die LA Rams. (Foto: Lon Horwedel/USA Today Sports via Reuters Con)

Footballer Jared Goff wurde von den LA Rams nach Detroit getauscht, er galt als Nervenbündel. Nun hat er die Lions ins Playoff-Viertelfinale geführt - und lässt die gebeutelte Stadt träumen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Und dann war da dieses Raunen, das in dieser Inbrunst nur Fans hinbekommen, deren Herzen häufig gebrochen worden sind. Fans, die im Moment des wahrscheinlichen Sieges immer noch fragen: Wie könnte das jetzt noch schiefgehen? Es ist die Hoffnung, die einen umbringt, und deshalb warteten die Leute in der Arena von Detroit mit sorgenvollem Raunen darauf, dass ihr Spielmacher Jared Goff noch ein Mal den Ball erhalten möge, dass er ihn festhalten und aufs Knie gehen möge als Zeichen dafür, dass der Spielzug vorbei ist. Und dann auch diese Playoff-Partie gegen die Los Angeles Rams.

Goff tat, was er tun musste, es blieb beim 24:23 für die Lions; beim ersten Playoff-Sieg seit 31 Jahren. Die Detroit Lions sind die einzige NFL-Franchise, die seit Beginn der Super-Bowl-Ära 1966 dabei ist und dieses Endspiel nie erreicht hat. Das Raunen ging über in ein Skandieren des Namens ihres Spielmachers, der nun für die Hoffnung steht, dass es diesmal endlich klappen könnte mit dem Titel. Im Viertelfinale sind die Lions schon, und sie haben wieder Heimrecht.

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Auf dem Wappen von Detroit steht "Speramus Meliora, Resurget Cineribus": Wir hoffen auf bessere Zeiten, sie wird aus Asche auferstehen. Es ist das Motto dieser oft schwer gebeutelten Stadt, dieser legendären Loser-Lions - und von Jared Goff. Der war ja ebenfalls zerbrochen worden, vor drei Jahren vom jetzigen Gegner Rams: "Ich habe sehr viele Emotionen unterdrücken müssen diese Woche, also habe ich den Moment am Ende sehr genossen."

Goff war 2021 bei einem Tauschgeschäft mit den Rams nach Detroit gekommen. Bei solchen Trades werden Spieler knallhart bewertet, man sieht dann schwarz auf weiß: Was geben die einen, um von den anderen was zu kriegen? In diesem Fall könnte man sagen: Die Rams wollten Lions-Quarterback Matthew Stafford so sehr, dass sie zu Goff dreimal Wahlrecht bei der Talentbörse drauflegten. Es war deshalb auch die Botschaft an Goff: Wir halten dich für so viel schlechter als den alternden Stafford (damals 33), dass wir in Kauf nehmen, dass die Lions über andere Deals sechs weitere Spieler bekommen.

Stafford sagt: "Er hat grandios gespielt, die Leute haben völlig zu Recht seinen Namen gerufen."

Schlimmer noch: Die Rams wurden gleich in der ersten Stafford-Saison Super-Bowl-Sieger - mit Goff hatten sie das Endspiel zwei Jahre davor verloren. Die Urteile in LA deshalb: Man war nicht wegen, sondern trotz ihm im Endspiel gewesen. Goff galt fortan als das jederzeit ersetzbare Nervenbündel. Als einer, der nichts verloren hat im erfolgsverwöhnten Los Angeles.

"Ich war am Boden zerstört", sagt Goff, 29, heute über diese "sehr, sehr schwere Zeit". Er musste aufgebaut werden, als Spieler und als Mensch. Doch wo verstünden sie das besser als in Detroit? Einst als Motor der USA bekannt, ist die Stadt in den vergangenen 20 Jahren eher Symbol dafür, dass vieles, wofür dieses Land so gerne stehen will, den Bach runtergeht.

Die Frage war nun also auch: Wie würden die Detroiter reagieren beim ersten Spiel von Stafford in der alten Heimat, beim ersten Playoff-Heimspiel seit 30 Jahren und der ersten Playoff-Partie von Goff als Lion? Antwort: Es gab Buhrufe gegen Stafford - und laute Jared-Goff-Rufe, schon vor der Partie. Sie hielten bis zum Ende an.

Goff brachte seine ersten neun Passversuche an den Mann für 111 Yards Raumgewinn und zwei Lions-Touchdowns. Sein Passer Rating, die für Quarterbacks bedeutsame Statistik: 121,8, ein außerordentlicher Wert. Als es am Ende drauf ankam: elf-Yard-Pass auf Amon-Ra St. Brown, den deutschstämmigen Lieblingsempfänger von Goff.

"Er hat grandios gespielt, die Leute haben völlig zu Recht seinen Namen gerufen", sagte der unterlegene Stafford - der übrigens auch eine herausragende Partie gespielt hatte, trotz Blessuren an Wurfhand und Rippen sowie einem Aufprall am Boden mit dem Kopf, der nach Gehirnerschütterung ausgesehen hatte.

Die Quarterbacks stehen mal wieder im Mittelpunkt in den Playoffs und damit auch die Tendenz, wie schnell sich deren Bewertung ändert. Die Dallas Cowboys waren nach herausragenden Vorstellungen von Dak Prescott gewiss, ihren Spielmacher für Gegenwart und Zukunft gefunden zu haben - nach der 32:48-Niederlage gegen die Green Bay Packers heißt es, dass Besitzer Jerry Jones womöglich einen neuen suchen werde. Bei den Buffalo Bills, deren Fans nach vier Super-Bowl-Niederlagen und keinem Triumph mit Detroitern fühlen, sind sie trotz durchwachsener Saison nach drei Touchdown-Pässen plus Lauf in die Endzone restlos von Josh Allen überzeugt. Er ist der einzige Spieler der NFL-Geschichte, der in den Playoffs im Schnitt pro Spiel 250 Yards Raumgewinn mit Pässen und 50 mit eigenen Läufen geschafft hat.

Der Quarterback bei den Tampa Bay Buccaneers ist Baker Mayfield, fortgeschickt aus Cleveland, Carolina und LA. Tampa rutschte mit einer Bilanz von 9:8 gerade so in die Playoffs - und besiegte am Montagabend die favorisierten Philadelphia Eagles 32:9. Gegner am Sonntag: die Lions in Detroit mit Jared Goff.

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