Basketball in der NBA:Gegenentwurf zu Trumps Spaltung

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Der Deutsche Maxi Kleber könnte es mit seinen Dallas Mavericks durchaus in die NBA-Playoffs schaffen. (Foto: dpa)

Für den Neustart der Saison versammelt sich die NBA in Disneyworld. Die Basketballer wollen ab heute Nacht Amerika vermitteln, dass die Krisen dieses Landes nur gemeinsam lösbar sind.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt eine wunderbare Szene in dem Basketballfilm "Hoosiers", in der die Teenager eines Kleinstadt-Teams mit offenen Augen und Mündern in dieser riesigen Arena stehen. Gewöhnlich spielen sie immer nur in einer Turnhalle, doch nun sollen sie zum Endspiel hier, in diesem Bau, antreten. Der Trainer zückt ein Maßband und fordert die Spieler auf, doch, bitteschön, zu überprüfen, ob alles stimmt: Korbhöhe, Abstand beim Freiwurf, Spielfeldlänge. Dann sagt er: "Wenn ich mich nicht täusche, dann sind das die gleichen Maße wie bei uns daheim."

So ähnlich dürften sich die Profis der nordamerikanischen Basketballliga NBA am Donnerstag fühlen, wenn die im März unterbrochene Saison fortgesetzt wird: Sie müssen wie immer einen Ball mit einem Umfang von 75 Zentimetern durch einen 46-Zentimeter-Ring werfen, der in einer Höhe von 3,048 Metern angebracht ist. Und doch ist alles anders, weil sie das nicht in großen Hallen ohne Zuschauer erledigen sollen, sondern in Ballsälen im Freizeitpark Disneyworld in Florida. Es soll alles so normal wie möglich sein, doch das ist es nicht. Und die wichtigere Frage als jene, wer die Meisterschaft entscheidet, lautet: Was wird das mit diesem Land anstellen, das drei Wochen nach dem Ende der Saison seinen Präsidenten wählen wird?

Das Prozedere ist bekannt: 22 Mannschaften versuchen, sich einen der 16 Playoff-Plätze zu sichern. Es gelten die jeweiligen Bilanzen der Vereine bei der Unterbrechung; das Reglement sieht jedoch vor, dass wegen der Verkürzung der Serie auf acht Partien pro Mannschaft zum Beispiel die Washington Wizards mit den deutschen Akteuren Isaac Bonga und Moritz Wagner weniger Rückstand auf Orlando Magic oder Brooklyn Nets aufholen müssen, um Entscheidungsspiele (bei vier Siegen oder weniger Unterschied) um die Playoff-Teilnahme zu erzwingen. Die bereits qualifizierten zwölf Teams dürften die Partien für das Feintuning und für Experimente nutzen. Es wird trotz Setzliste keinen Heimvorteil geben.

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Es wäre völliger Blödsinn, eine sportliche Prognose zu wagen

Was noch bekannt ist: Der Großteil der Spieler ist nicht gerade begeistert von Kost und Logis. Viele langweilen sich kolossal, sie vermissen Familie und Freunde oder haben schon verlauten lassen, die Saison aus privaten Gründen unterbrechen zu wollen. So will Dennis Schröder, der für Oklahoma City Thunder spielt, bei der Geburt seines Kindes dabei sein. Außerdem zeigte sich, dass es einfacher ist, alle Tentakel eines Tintenfisches gleichzeitig in ein Einkaufsnetz zu stopfen als alle NBA-Profis in dieser Blase zu behalten: Kristaps Porzingis von den Dallas Mavericks verpasste einen Corona-Test; Richaun Holmes von den Sacramento Kings holte sich Schnellfutter von draußen. Lou Williams von den Los Angeles Clippers besuchte beim erlaubten Ausgang einen Strip Club.

Die Auftaktpartien sind für diesen Donnerstag angesetzt: Utah Jazz gegen New Orleans Pelicans, Clippers gegen Los Angeles Lakers. Aber es wäre völliger Blödsinn, eine sportliche Prognose zu wagen, wie der Rest der Saison verlaufen wird, denn es sind ganz einfach viel zu wenige Informationen im Umlauf. Es gibt ein paar Eindrücke vom Training und von Testspielen der Klubs, außerdem die Statements der Spieler - doch sogar während einer normalen Saison halten sich Experten an die Faustregel, dass man ein Drittel der Partien, also knapp 30 Spiele, abwarten müsse, um ein verlässliche Aussage zu treffen, welches Team zueinander gefunden hat. Und selbst dann gilt: Mit Beginn der Playoffs geht alles wieder von vorne los.

Viel spannender ist deshalb der gesellschaftliche Aspekt der Rückkehr. Das Beispiel der Baseballliga MLB verdeutlicht, dass ein im März verhandeltes Konzept im Juli nicht funktionieren kann. Es zeigt auch, und das ist bei der Explosion der Corona-Zahlen in den USA gerade sehr wichtig, dass die Analysen von Experten aus dem Frühjahr nicht mehr gelten: Die Baseballer der Miami Marlins müssen jetzt nach nunmehr 17 positiven Corona-Test eine Woche lang pausieren, Partien anderer Vereine, etwa der Philadelphia Phillies, New York Yankees und Baltimore Orioles, sind verschoben. Die meisten Beobachter fragen mittlerweile nicht mehr, ob die Baseball-Saison abgebrochen wird, sondern nur noch, wann das passieren wird.

Die wohl adäquatere Lösung ist das Konzept der Konzentration mit wenigen Reisen, vielen Tests, Abstandhalten und Schutzmasken. Das zeigen auch die Vorbereitungen der Eishockeyliga NHL mit bislang null positiven Tests in den kanadischen Spielorten Edmonton und Toronto.

Wenn die Basketballer nun in Disneyworld in Florida ihren Betrieb aufnehmen, dürften die Amerikaner massenhaft zuschauen, weil sie in der Coronavirus-Krise nach Ablenkung suchen und die NBA zuverlässig Geschichten liefert. Und zwar bereits am Donnerstag: Wird Liga-Neuling Zion Williamson von den Pelicans bei seiner Rückkehr zum Team nach einem medizinischen Notfall in der Familie vielleicht doch noch "Rookie des Jahres" - auch wenn Ja Morant (Memphis Grizzlies) favorisiert ist? Ist das Stadtduell zwischen den Los Angeles Lakers und den Clippers bereits eine Vorschau auf die Finalserie der Western Conference? Endlich wird es mehr Antworten geben und weniger Fragen.

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Die Geschichtenproduktionsmaschine der NBA läuft auf Hochtouren, und es geht dabei nicht nur um Sport: In das Parkett auf den jeweiligen Spielfeldern sind die Worte "Black Lives Matter" eingelassen; die Spieler können statt ihrer Namen auch politische Botschaften auf ihren Trikots tragen, etwa "Power to the People", "Anti-Racist" oder den Wahlaufruf "Vote". Zahlreiche Akteure und Trainer werden beim Abspielen der Nationalhymne knien. 74 Prozent der Profis sind schwarz, ihr gesellschaftlicher Einfluss ist enorm. Die Leute hören ihnen zu, und die Spieler werden nach den Partien vermutlich nicht nur Sportlerfloskeln herunterrattern: Eine der möglichen Botschaften auf den Trikot lautet: "Speak Up" - mach deinen Mund auf!

Es wird um viel mehr gehen als nur um Basketball

"Diese Saison wird nur dann ein Erfolg sein, wenn wir eine Einheit darstellen und uns zu gesellschaftlich relevanten Themen wie Rassismus, Polizeireform und Bildung äußern", sagt Chris Paul, Aufbauspieler von Oklahoma City Thunder, der auch Chef der Spielergewerkschaft ist. "Es fängt bei uns an: Wir müssen den Leuten zeigen, dass es nur mit vereinten Kräften geht, dass wir einander zuhören und voneinander lernen müssen", fordert Paul. Also: Vorbilder sein, Abstand halten, Masken tragen - und damit das vorleben, was von den Menschen weltweit angesichts der Coronavirus-Pandemie verlangt wird; die ersten Partien der NBA werden in mehr als 190 Länder ausgestrahlt.

Es wird also um viel mehr gehen als nur um Basketball. Gerade jetzt, da US-Präsident Donald Trump durch das Entsenden von Bundespolizisten in Städte wie Portland, Seattle oder Austin einen Krieg im Inneren anzuzetteln versucht, um über Spaltung die Wahl im November doch noch zu gewinnen, will die NBA einen Gegenentwurf der Einheit vorführen und den Wählern einen anderen Weg aus den zahlreichen Krisen dieses Landes zeigen.

Einheit ist auch beim Basketball ein bedeutsames Thema: Der Trainer in "Hoosiers" sagt zu seinen Spielern: "Fünf Leute, die auf dem Parkett als Einheit funktionieren. Team, Team, Team - niemand ist wichtiger als der andere."

© SZ vom 30.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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