DFB-Frauen in der Nations League:Paris - oder eine schmerzende Lücke

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Giulia Gewinn äußerte Kritik am Spiel der DFB-Frauen gegen Frankreich - übel genommen hat es ihr aber offenbar niemand im Team. (Foto: Aurelien Meunier/Getty Images)

Es ist die allerletzte Chance auf Olympia: Gegen die Niederlande ist der Druck für die deutschen Fußballerinnen enorm. Da ändert sogar der Trainer Horst Hrubesch seine Tonlage.

Von Anna Dreher

Sie hätten gerne schon viel weiter in die Zukunft geblickt, mit viel weniger Anspannung. Aber nun reicht der fußballerische Horizont der deutschen Fußballerinnen doch nicht bis Juli, sondern vorerst bis zu diesem Mittwoch. Erst dann werden sie wissen, ob die Olympischen Spiele von Paris mit ihnen stattfinden - oder ob im Sommer eine schmerzende Lücke in ihrem Kalender klafft.

Wie sich das anfühlen könnte, davon hat das Team von Interimsbundestrainer Horst Hrubesch vergangenen Freitag schon einen Vorgeschmack bekommen, einen Nachschlag möchte niemand. Durch das 1:2 gegen Frankreich wurde das Finale der Nations League verpasst - und damit war auch die erste Chance zur Olympia-Qualifikation dahin. Weil die Gastgeberinnen schon qualifiziert sind, reicht aber auch ein Sieg im Spiel um Platz drei, um das zweite europäische Ticket dieses Wettbewerbs zu lösen. Und es ist zwar kein Ding der Unmöglichkeit, am Mittwoch (20.45 Uhr, ZDF) gegen die Niederländerinnen von Bondscoach Andries Jonker zu gewinnen. So spielen wie zuletzt sollten die Deutschen dann aber besser nicht: Es gilt, Fehler abzustellen - und mutiger zu sein.

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Das deutsche Team vergibt die erste Chance, sich das Olympia-Ticket zu schnappen. Torschützin Giulia Gwinn moniert "Angsthasen-Fußball", für das Spiel gegen die Niederlande setzt die Auswahl auf einen psychologischen Wandel.

Von Anna Dreher

Giulia Gwinn fand mit ein paar Tagen Abstand zwar, ihre Aussage nach dem Frankreich-Spiel sei aus der Emotionalität heraus etwas hart und direkt formuliert gewesen. Die 24-jährige Außenverteidigerin hatte von "Angsthasen-Fußball" gesprochen. Aber übel genommen habe ihr diese - durchaus zutreffende - Beschreibung niemand, erzählte Gwinn. Von denjenigen, mit denen sie im Nachgang gesprochen habe, habe das "jeder so gesehen". Einsicht scheint demnach vorhanden zu sein im DFB-Lager, im Fußball helfen manchmal deutliche Worte. Unterstützung kommt von Hrubesch, der grundsätzlich für gute Stimmung im Nationalteam sorgt, der aber auch Ehrlichkeit vorlebt.

"Das ist ein K.-o.-Spiel, von daher: Wir haben nichts zu verlieren", findet Sarai Linder

Der 72-Jährige hatte sich Mühe gegeben, Zuversicht auszustrahlen. Er lobte seine Spielerinnen nach der Frankreich-Partie für "die Art und Weise, wie sie zurückgekommen sind", wie auch dafür, "dass sie wirklich draufbeißen und Gas geben" können. Aber Hrubesch war spürbar davon ausgegangen, dass solche Parolen vor dem Turnierabschluss gar nicht erst nötig sein würden. Er will den Erfolg für sein Team, und er will nach 2016 wieder zu Olympia. Spätestens danach wird er als Trainer dieser Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) aufhören. "Horst hat noch mal direktere Worte gefunden", erzählte Gwinn, "vielleicht auch eine andere Tonlage angenommen. Was aber in dem Moment sehr passend war, um uns klarzumachen, worum es geht."

Deutschlands Trainer Horst Hrubesch (re.) hat seine Akteurinnen auf das "Endspiel" in den Niederlanden eingestimmt. (Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa)

Ohne eine Olympia-Teilnahme würde sich das Tief fortsetzen, nach den Spielen von Tokio wären jene von Paris die zweiten hintereinander ohne die DFB-Frauen. Die große Frage lautet nun, wie in kurzer Zeit bei ungleich höherem Druck quasi alles besser werden soll. Auch wenn Hrubesch das 4-4-2-System mit der Doppelspitze Alexandra Popp und Lea Schüller gegen Frankreich nach der Pause mit drei Wechseln auf 4-3-3 respektive 4-2-3-1 änderte, wirkt er nicht so, als würde er gegen die Niederlande deshalb von Beginn an entsprechend umstellen. Worauf sich seine Spielerinnen in jedem Fall einstellen können, ist das bestens eingespielte Mittelfeld der Niederländerinnen mit Sherida Spitse, Danielle van de Donk und Jackie Groenen.

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Abgesehen von taktischen Tüfteleien fand Sarai Linder, Gwinns Pendant auf der linken Seite, vor der Reise von Lyon nach Heerenveen zwei Lösungsansätze im Endspiel um Olympia. Der erste überraschte etwas, könnte aber hilfreich sein, sofern ihn Kopf und Füße verinnerlichen. Linder meinte in einer Mischung aus Sportpsychologie und der Unverzagtheit aus neun Länderspielen: "Das ist ein K.-o.-Spiel, von daher: Wir haben nichts zu verlieren, wir können da nur als Gewinner rausgehen!" Aber haben die Deutschen nicht sehr wohl einigen Druck? "Das ist genau der falsche Punkt. Das ist dann schon wieder eine negative Einstellung", insistierte Linder und zählte Glaubenssätze auf, die als positiver Gedanke "die ganze Mannschaft mit sich reißt, und so sollte man das auch angehen".

Der zweite Ansatz offenbarte zugleich, woran es zuletzt auf dem Platz gefehlt hat: Kommunikation. Die Spielerinnen untereinander, erzählte Linder, hätten viel miteinander gesprochen über Unstimmigkeiten oder ausbaufähige Unterstützung auf dem Platz. In dieser Alles-oder-nichts-Partie gelte es, "uns auf dem Platz mehr zu unterstützen und nicht zu sehr auf eigenen Fehlern zu beharren". Es blieb zwar wenig Zeit für Aufarbeitung und Vorbereitung. Aber einen freien Sonntagnachmittag genehmigte Horst Hrubesch dennoch, inklusive eines Essens des gesamten Teams in Lyon. Womöglich war das schon eine Art Abschiedsabend.

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