FC Bayern:"Gezeigt, dass wir Menschen sind und keine Maschinen"

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Julian Nagelsmann versichert vor dem Spiel bei Union Berlin, dass sein Team das 0:5 in Gladbach aufgearbeitet habe - er selbst fehlt weiterhin wegen Corona, auch Leon Goretzkas Einsatz ist fraglich.

Im Hintergrund lief die Spülmaschine, und auch sonst waren die schweren Aufräumarbeiten in der Küche von Julian Nagelsmann in vollem Gange. Nach der historischen Pokal-Klatsche habe er "viel geschrieben und telefoniert", berichtete der sichtlich angeschlagene Trainer des tief gedemütigten FC Bayern. Nagelsmann suchte Rat bei den "erfahrenen" Bossen Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic - und mit seinen "Führungsspielern" nach Antworten.

"Es war nicht so, dass wir uns am Telefon gegenseitig vollgeweint haben, wie schlimm alles ist", berichtete er. Doch eins sei klar: Gladbach muss "einmalig bleiben, wenn man eine ordentliche Halbwertszeit bei Bayern München haben möchte". Das gilt sogar für gelobte Jahrhundert-Talente wie ihn. Die aufgestaute Bayern-Wut soll am Samstag (15.30 Uhr/Liveticker SZ.de) Union Berlin zu spüren bekommen.

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Aufarbeitung des 0:5 in Gladbach

"Die Aufarbeitung", berichtete Nagelsmann daher bei Multivitaminsaft aus der Corona-Quarantäne, "war wichtig." Ist das peinliche 0:5 nur ein Betriebsunfall? Oder steckt mehr dahinter? Der pechschwarze Abend werde sich jedenfalls "nicht so leicht abschütteln" lassen. "Das steckt mir immer noch ein bisschen in den Knochen", sagte Nagelsmann bedrückt über "einen der traurigsten Momente meiner Karriere".

Geflogen sei im heimischen "Analysezentrum" entgegen anders lautender Vermutungen nichts, aber "ich habe schon viel rumgeschrien", gab er zu. Auch Nagelsmann war schockiert von diesem unerwarteten Blackout. "Wir haben gezeigt, dass wir Menschen sind, keine Maschinen", sagte er im schwarzen Rollkragenpullover. Und jetzt? Es gehe darum, "immer wieder zu beweisen, dass wir Bayern München sind und zu den besten Teams in Europa gehören", forderte der Coach unmissverständlich. In einem Video an sein Team hat er versucht, dies zu vermitteln. Die Botschaft: "Wir haben den Anspruch, Champions zu sein, die wieder aufstehen."

Dafür will Nagelsmann seine Elf vor dem Spiel in Berlin noch mal höchstpersönlich heiß machen - per Liveschalte. Tipps dafür hat er sich von Kahn und Salihamidzic geholt. "Sie habe viele Extreme erlebt", erklärte er. Über die genauen Gesprächsinhalte schwieg er in seinem 34-minütigen Auftritt, "das bleibt Betriebsgeheimnis". Etwas offener sprach er über die Aufstellung. Dayot Upamecano bekommt nach seinem verheerenden Auftritt in Gladbach eine Pause, allerdings aus Gründen der Belastungssteuerung, wie Nagelsmann betonte.

Dem 42,5 Millionen Euro teuren Neuzugang fehle mitunter die Cleverness, sagte er, "aber er wird das lernen". Für ihn soll Niklas Süle "reinrutschen", der Einsatz von Leon Goretzka ist offen. Eine Lehre aus Gladbach sei für ihn: "Nicht ablenken lassen", sagte Nagelsmann. Weder von der "sehr positiven Berichterstattung" davor, noch vom Etikett "Kreisliga-Niveau" danach. Auch hausgemachte Unruhe wie die Impfdebatte um Joshua Kimmich oder der Gerichtsfall Lucas Hernandez sei "nie gut", betonte er. Und so war der Trainer bemüht, seinen schwer geknickten Spielern in "ausführlichen" Gesprächen "Lösungen an die Hand zu geben".

Diese könnten auch mal "Bayern-untypisch" sein. Also gerne lang und weit statt störanfälliges Ballgeschiebe in der eigenen Hälfte. Bei der Umsetzung wird Nagelsmann wohl zum letzten Mal fehlen. "Wenn alles normal läuft", kehre er nach Ablauf seiner Quarantäne am Dienstag in der Champions League gegen Benfica zurück, sagte er mit spürbarer Vorfreude. Denn das Coachen aus der Küche sei in Gladbach an Grenzen gestoßen. "Per Video, das ist alles schön und gut, aber es ist trotzdem anders, wenn man sich sieht", sagte er, "das kann jeder Lehrer aus der Coronazeit bestätigen."

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