Mesut Özil war es ernst mit seiner Liebeserklärung. Es war ihm so ernst, dass er sich extra Publikum einlud. Es sollten ruhig alle mitbekommen: dass er immer noch glücklich ist mit Real, dass er nicht daran denkt, die Beziehung zu lösen, dass er keine andere hat. Der Plan ging insofern auf, als das Publikum tat, was von ihm erwartet wurde. Die geladenen Journalisten sendeten Özils Sätze brav nach draußen; man erfuhr also, dass Özil bei Real Madrid bleiben werde, "das ist sicher"; man erfuhr, dass Özil keinem anderen Verein schöne Augen mache, "für mich kommt kein anderer Klub in Frage"; und man erfuhr, dass Özil in freudiger Erwartung des avisierten neuen Kollegen Gareth Bale sei, "wir freuen uns über Verstärkungen".
Das war vergangenen Mittwoch. Seitdem wartete Özil darauf, dass seine Liebeserklärung erwidert würde, aber am Ende ging es ihm wie einem Mann, der Blumen kauft und den Tisch schön deckt und dann erfährt, dass die Umworbene mit einem anderen in einem schicken Restaurant sitzt.
Die Verantwortlichen von Real Madrid reagierten auf Özils warme Worte: erst mal gar nicht. Und als eine Reaktion kam, war es nicht die, die Özil erwartet hatte. Trainer Carlo Ancelotti setzte ihn im Heimspiel gegen Athletic Bilbao (3:1) am Sonntag 90 Minuten auf die Bank. Dort hatte Özil ausreichend Zeit, um mit anzusehen, wie der junge, aus Malaga gekommene Isco auf seiner Position zwei Tore schoss. Und die Zeit reichte auch noch, um sich auszumalen, wie Reals offensive Dreierreihe wohl aussehen würde, wenn der avisierte neue Kollege Gareth Bale erst mal da wäre. Ein so teurer Spieler würde natürlich spielen, der junge, aus Malaga gekommene Isco bestimmt auch, und Cristiano Ronaldo sowieso.
Spätestens am Sonntag hat Mesut Özil begriffen, dass es aus ist zwischen ihm und Real Madrid. Er hat das lange nicht sehen wollen, aus Gründen, die man verstehen kann. Er war der festen Überzeugung, dass es Zahlen gibt, die stärker sein müssten als die realtypische Neigung zum Personalaustausch. Wer sollte ernsthaft einen Spieler infrage stellen, für den in drei Spielzeiten 49 Torvorlagen gezählt wurden, genau so viele wie bei Lionel Messi?
Am Ende hat Mesut Özil womöglich doch den Verein unterschätzt, bei dem er drei Jahre angestellt war. Real Madrid ist ja nur zum einen Teil eine Fußballmannschaft. Zum anderen Teil ist es ein Zirkus, in dem berühmte Artisten gleichzeitig auftreten. Als die Madrilenen am Montag stolz den neuen Hundert-oder-vielleicht-doch-nicht-ganz-hundert-Millionen-Mann Gareth Bale präsentierten, legten Özils Agenten gerade letzte Hand an einen neuen Vertrag beim FC Arsenal.
Am späten Abend bestätigte der FC Arsenal den Wechsel, aber schon am Nachmittag bestand kein Zweifel mehr, dass Özil als Nicht-ganz-fünfzig-Millionen-Mann zu den Londonern überlaufen würde. Es war kein strategischer Wechsel, Özil machte Platz. Denn wie seit Wochen zu erwarten, hat Real natürlich nicht widerstehen können: Sie brauchten fürs eigene Selbstverständnis dringend mal wieder einen neuen Artisten, und dieser Artist sollte der Waliser Gareth Bale von Tottenham Hotspur sein. Bale, 24, ist ein großartiger Spieler, er kann spektakulär die linke Seite hinauf- und hinterpreschen, aber das ist eigentlich nichts, was gegen Özil verwendet werden dürfte. Özil spielt nicht links, er prescht keine Seiten hinauf und hinunter. Er kann mit Leuten, die Seiten hinauf- und hinunterpreschen, gut zusammenspielen.