Trainer Jaissle wechselt nach Saudi-Arabien:Auch der Nürtinger geht jetzt nach Dschidda

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Nächster Karriereschritt Saudi-Arabien: Der junge deutsche Trainer Matthias Jaissle wechselt von RB Salzburg zu Al-Ahli. (Foto: Armin Rauthner/Gepa/Imago)

Matthias Jaissle ist erst 35 Jahre alt, er wäre wohl bald als Trainer in der Bundesliga gelandet - doch nun wechselt er von RB Salzburg zu Al-Ahli. In Saudi-Arabien erwarten ihn große Namen und viel Geld. Aber was bedeutet das für seine Karriere?

Von Felix Haselsteiner

Edouard Mendy von Inter Mailand, Roberto Firmino aus Liverpool, Riyad Mahrez aus Manchester und Allan Saint-Maximin aus Newcastle - es ist eine beeindruckende Shoppingtour, die der Al-Ahli SFC hingelegt hat. Seit Wochen fliegen stetig Privatjets aus Europa nach Dschidda und in andere saudi-arabische Städte, weil sich eine Liga vorgenommen hat, innerhalb eines Transfersommers in neue fußballerische Regionen vorzustoßen. Saudi-Arabiens Pro League soll mehr sein als nur Cristiano Ronaldo gegen den Rest, das ist der Plan des Staatsfonds, dem seit kurzem auch die vier größten heimischen Vereine mehrheitlich gehören. Um diesen Plan auszufüllen, braucht es auch moderne Trainer.

Vieles war dem Trainer Matthias Jaissle zugetraut worden in diesem Sommer. Nach spätestens zwei erfolgreichen Jahren stand bislang für jeden bekannten Absolventen der österreichischen Trainerausbildungsstelle RB Salzburg der nächste Schritt bevor, das war bei Marco Rose einst genauso wie später bei Jesse Marsch. Doch Jaissle wechselte nicht, blieb in der ersten österreichischen Liga, mitunter auch deshalb, weil sich in der Bundesliga keine geeignete Stelle auftat. Er plante die Saison, leitete die Vorbereitung, dirigierte das 6:0 in der ersten Pokalrunde und saß auf der Pressekonferenz vor dem ersten Spiel der Bundesliga-Saison gegen Altach - das allerdings sollte sein letzter Auftritt in Salzburg werden.

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Am Freitagvormittag stellte der österreichische Meister Jaissle frei, noch am selben Tag folgte das Verkündungsvideo seines neuen Vereins auf Twitter: Al-Ahli Saudi FC, mit all seinen neuen Fußballern, wird ab sofort trainiert von einem 35-Jährigen aus Nürtingen. Ein Wechsel, der auf beiden Seiten Erklärungen erfordert.

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Offiziell gebrochen zwischen ehemaligem Verein und Trainer wurde mit der Abschieds-Pressemitteilung, in der Salzburgs Geschäftsführer Stefan Reiter zitiert wird: "Wir sind der Ansicht, dass ein Trainer, der sich nur zwei Tage vor dem Start einer wichtigen Saison derart intensiv mit einem möglichen Klubwechsel beschäftigt, bei diesem Auftakt auch nicht dabei sein sollte." In Salzburg hatte man erst am Donnerstagabend von Jaissles konkretem Wechselwunsch erfahren, was die Bitterkeit in den Abschiedsworten erklärt.

Die Salzburger, die grundsätzlich nicht dafür bekannt sind, abwanderungswilligen Spielern und Trainern Schwierigkeiten zu bereiten, empfanden das Vorgehen von Jaissle als unangebracht nach Jahren der engen Zusammenarbeit in der Jugendakademie und der Profimannschaft. Dass Jaissle gehen könnte, damit hatte man im Verein seit Frühjahr gerechnet, zu den richtigen Bedingungen wäre man wohl auch bereit gewesen, das zuzulassen. Dass der Trainer aber einen Tag vor Saisonbeginn nun eine so eklatante Lücke reißt, ist natürlich der Grund für den sauren Abschied in Form der Freistellung. Eine hohe Ablösesumme wird man dennoch erhalten. Und beste Chancen auf die Nachfolge hat der bisherige Trainer der Red Bulls in New York, Gerhard Struber, der allerdings, anders als berichtet, noch keinen Vorvertrag unterschrieben hatte - bis Donnerstag wurde in Salzburg schließlich gar kein neuer Trainer gesucht.

Jaissle ist in diesem Sommer nicht die erste prominente Personalie, die die Salzburger Fußballwelt verlässt; Sportdirektor Christoph Freund wechselt zum FC Bayern. Freunds Abschied kam nicht nur für die Sportöffentlichkeit überraschend, sondern auch für Jaissle, der den Sportdirektor als seinen engsten Vertrauten ansah. Der Trainer sollte - insbesondere auch nach dem Weggang von Stürmer Noah Okafor - die letzte verbliebene Säule sein, im sich auflösenden Salzburger Haus. Eine Rolle, die ihn offenbar weniger reizte, als die Gelegenheit, in Saudi-Arabien Zugriff auf eine Mannschaft voller bekannter Namen zu trainieren.

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Die zusätzlichen Gründe, die für einen Wechsel in den Wüstenstaat sprechen, liegen in Form von Millionen auf einem Bankkonto in Dschidda. Saudi-Arabien verteilt an Trainer wie Spieler Angebote, die tendenziell nur einmal in der Karriere vorkommen. Und gleichzeitig lockt die sportliche Ambition, weil sich längst eine Kettenreaktion in Gang gesetzt hat: Diejenigen, die in den vergangenen Wochen in die Pro League wechselten, locken Nachahmer an. Steven Gerrard etwa trainiert bald Liverpools ehemaligen Kapitän Jordan Henderson bei Al-Ettifaq in Dammam, ein Transfer, der die britische Insel derzeit beschäftigt, weil Henderson sich in den vergangenen Jahren für die LGBTQI+-Bewegung engagierte. Seine bekannte Regenbogen-Kapitänsbinde aus Liverpool wurde allerdings im saudischen Willkommensvideo schwarz-weiß gefärbt.

Aktivistische Anliegen hatte Jaissle nie, ihm geht es um eine kalkulierte Karriereentscheidung: Saudi-Arabiens Engagement ist wohl keine kurzfristige Finanzblase, Al-Ahli zudem ein örtlicher Spitzenverein, anders als zum Beispiel Al-Shabab, dessen Angebot Jaissle nach SZ-Informationen vor kurzem noch ablehnte. Die Idee hinter dem Wechsel ist, dass sich auch in einigen Jahren noch ein europäischer Verein finden wird, der einem dann immer noch vergleichsweise jungen - und um einige Millionen reicheren - Trainer die Möglichkeit geben wird, berühmte Titel zu gewinnen.

Einen ähnlichen Weg sind vor ihm schon andere gegangen, sogar von Salzburg aus: Roger Schmidt etwa verbrachte zwei stille Jahre unter dem Radar in China, seinen Weg zurück in die Champions League fand er über PSV Eindhoven und Benfica Lissabon. Damals wie heute müssen sich die Beteiligten allerdings Fragen gefallen lassen, die sich nicht um Geld drehen, sondern um ihren neuen Arbeitgeber, der zum Beispiel im Fall von Jaissle nur auf dem Papier der Al-Ahli FC ist. In Wahrheit kommt das viele Geld von einem Staat mit einer höchst kritikwürdigen Einstellung zu Menschenrechten.

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