Maria Riesch und Lindsey Vonn im Gespräch:"Eine Inszenierung? So ein Schmarrn"

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Konkurrentinnen, die sich mögen: Die Skirennfahrerinnen Maria Riesch und Lindsey Vonn über die Geschichte ihrer Freundschaft, Hollywood-Storys und Würste an Weihnachten.

Christof Kneer und Michael Neudecker

Im alpinen Ski-Weltcup der Frauen starten insgesamt rund 100 Fahrerinnen, aber manchmal scheint es, als gäbe es nur zwei: Maria Riesch und Lindsey Vonn. Die Garmischerin und die Amerikanerin machen auch in diesem Jahr den Gesamtweltcup wieder unter sich aus, ihre Rivalität wird ebenso permanent thematisiert wie ihre Freundschaft. Die SZ traf die beiden 26-Jährigen beim Weltcup in Zauchensee/Österreich am Wochenende, wo Vonn die Abfahrt gewann und im Super-G Zweite wurde; Riesch wurde Vierte und Sechste, im Gesamtranking führt Riesch noch mit 96 Punkten Vorsprung. Obwohl Vonn hervorragend Deutsch kann - wenn auch mit österreichischem Akzent, während des Winters wohnt sie in Kaprun - sprechen die beiden zumeist Englisch miteinander. Im Interview aber wollten sie Deutsch sprechen: Das war Lindsey Vonn wichtig.

Freundinnen und Gegnerinnen: Lindsey Vonn und Maria Riesch (re.) verbindet mehr als nur die sportliche Rivalität. (Foto: dpa)

SZ: Frau Riesch, Frau Vonn, es gibt das Gerücht, Sie seien befreundet.

Vonn: Ja?

Riesch: Das ist ja ganz neu.

SZ: Ständig geht es um die Freundschaft der Konkurrentinnen Riesch und Vonn. Nervt das nicht irgendwann?

Riesch: Nein, das ist doch eine Super-Geschichte. Ski alpin hat in der Öffentlichkeit immer noch nicht den ganz großen Stellenwert, und da müssen wir doch alle froh sein, wenn es so eine schöne Story gibt, die das Bild des Sports auch neben der Piste prägt.

SZ: Was sagen Sie den Kritikern, die Ihre Geschichte für eine Inszenierung, für PR halten?

Vonn: Kritiker werden immer irgendwas sagen. Ob sie diese Geschichte glauben oder nicht, ist uns eigentlich egal.

Riesch: Der Vorwurf ist sowieso ein Schmarrn. Es ist ja nicht so, dass wir diese Geschichte erfunden haben, als wir schon erfolgreich waren. Unsere Freundschaft ist von Grund auf gewachsen, sie hat vor vielen Jahren begonnen, da hat uns noch kein Mensch gekannt.

SZ: Seit wann kennen Sie sich?

Riesch: Seit der Junioren-WM 2000, in Québec, da waren wir Mädels alle im selben Hotel. Wir waren 15, der jüngste Jahrgang, und haben uns natürlich an den Gleichaltrigen orientiert.

Vonn: Wir waren schon damals beide sehr schnell und haben immer geschaut, wie die andere fährt.

Riesch: Wir hatten denselben Werdegang. Im Jahr nach dieser Junioren-WM sind wir beide zum ersten Mal im Weltcup gefahren, und wir sind auch zur gleichen Zeit Siegfahrerinnen geworden.

Vonn: Du warst ein bisschen früher dran. Aber ich habe mir Mühe gegeben, dranzubleiben.

Riesch: Das ist dir ja ganz gut gelungen ...

SZ: Haben da auch Ihre Verletzungsgeschichten eine Rolle gespielt? In Zauchensee sind Sie, Frau Vonn, in beiden Rennen unbeeindruckt ins Ziel gerast, obwohl Sie beinahe gestürzt wären.

Vonn: Ich gebe immer Vollgas, ich habe keine Angst. Es stimmt schon: Wenn die Piste mal nicht so gut ist oder das Licht, dann ist Maria eher vorsichtiger als ich. Sie hatte schon zwei Kreuzbandrisse, ich nur kleine Verletzungen, Gott sei Dank. Beim Skifahren ist das so: Wenn du mal schwerer verletzt warst und ein Hirn hast, dann dauert das einfach, bis du wieder Vollgas geben kannst.

Riesch: Das ist dein Vorteil, du bist einfach immer kompromisslos, weil du nie verletzt warst - obwohl du am Anfang deiner Karriere so ziemlich alle Fangnetze im Weltcup ausprobiert hast. Es wird aber immer besser bei mir, wenn ich das mal vergleiche mit der Zeit gleich nach der letzten Verletzung. Aber ob's jemals wieder so wird wie davor, weiß ich nicht.

Riesch: Also, ich glaub' schon.

Vonn: Die Mentalität ist schon anders. Der Weg der Amerikaner ist anders als der Weg der Deutschen.

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SZ: Trotzdem haben Sie offenbar früh Gemeinsamkeiten gefunden.

Vorteil Vonn: Maria Riesch bringt es bisher auf 16 Siege im Weltcup, Lindsey Vonn auf 37. (Foto: REUTERS)

Riesch: Wir haben schon damals gemerkt, dass wir auf derselben Wellenlänge sind, Lindsey ist anders als die anderen Amerikanerinnen, nicht so crazy . . .

SZ: . . . wie etwa die US-Kollegin Julia Mancuso, die als ausgeflippt gilt?

Riesch: Lindsey und ich sind da einfach etwas anders.

Vonn: Für mich ist das nicht immer einfach, weil ich wenig Zeit mit meinem US-Team verbringe. Ich bin zwar bei den Teamsitzungen dabei, aber mein Fitnessprogramm mache ich allein, und bei der Siegerehrung bin ich ja auch meistens mit der Maria zusammen. Sie ist sehr professionell, aber auch locker und offen, das sind nicht alle Mädels im Weltcup.

SZ: Wie muss man sich eine Freundschaft zwischen 15-jährigen Skifahrerinnen vorstellen? Sie haben bestimmt nur über 18-jährige Skifahrer gesprochen.

Riesch: Als wir uns noch nicht so gut kannten, haben wir fast nur übers Skifahren gesprochen.

SZ: Wirklich?

Vonn: Ja, weil richtig gut kennen gelernt haben wir uns ja erst 2004.

Riesch: Da war ich bei einem Fis-Kongress in Miami (als Repräsentantin der Garmischer WM-Bewerbung, d. Red.), anschließend habe ich die Lindsey zuhause in Minnesota besucht. Da hatten wir zum ersten Mal zehn Tage Freizeit miteinander, wir sind mit dem Auto von Minneapolis nach Chicago gefahren, 650 Kilometer. Und wir waren shoppen . . .

Vonn: . . . ja, vor allem shoppen!

Riesch: Wir haben aber auch ein Baseballspiel angeschaut und Lindseys Verwandte in Wisconsin besucht.

Vonn: Und wir haben Barbecue gemacht, oder?

Riesch: Und kurz darauf hat Lindsey dann Thomas kennengelernt (ihren heutigen Ehemann, d. Red.), da gab's dann nicht mehr viel über Männer zu reden.

Vonn: Bei dir damals schon noch.

Riesch: Ja, okay, ab und zu haben wir da schon noch drüber gesprochen, aber inzwischen habe ich mit Marcus ja auch meinen Mann fürs Leben gefunden.

SZ: Seit 2004 feiern Sie auch gemeinsam Weihnachten bei Rieschs.

Vonn: Ich kenne jetzt deutsche Weihnachtslieder, vor allem "Stille Nacht".

SZ: Sie feiern ein ganz normales deutsches Weihnachten?

Riesch: Ja, am Nachmittag geht's erst an den Glühweinstand . . .

Vonn: . . . da essen wir Würschdln.

Riesch: Um fünf gehen wir dann gemeinsam auf den Friedhof zum Grab meines Opas, den kannte die Lindsey ja auch. Das ist schon okay für dich, oder?

Vonn: Ja, klar.

Riesch: Und dann geht's nach Hause, es gibt Essen und die große Bescherung.

SZ: Beschenken Sie sich gegenseitig?

Riesch: Ich hab' der Lindsey einen Kosmetikgutschein für das Hotel geschenkt, in dem sie bei der WM in Garmisch wohnen wird. Und ich hab' von ihr ein cooles T-Shirt und eine Halskette bekommen.

Vonn: Meinem Mann Thomas habe ich Superman-Unterwäsche geschenkt. Das war das beste Geschenk, das ich dieses Jahr gemacht habe.

SZ: Haben Sie sich schon überlegt, wann genau Ihre Freundschaft vor der WM in Garmisch enden wird? Am Wochenende davor, bei der Eröffnungsfeier oder erst im Starthaus?

Riesch: Die Freundschaft endet überhaupt nicht. Natürlich ist es manchmal nicht so einfach, weil Riesch gegen Vonn seit Jahren "das" Duell ist. Aber wir können uns auch in Garmisch auf einen Kaffee treffen.

SZ: Bei Olympia in Vancouver war aber schon auffällig, wie sehr Sie beide auf Distanz gegangen sind.

Vonn: Ich hatte bei Olympia einen Riesendruck, ich war leicht verletzt . . .

Riesch: . . . und es gab Boulevardzeitungen, die jeden Tag die Story "Riesch versus Vonn" gemacht haben. Da hatten wir das Gefühl, dass es besser ist, wenn wir uns auf uns selbst konzentrieren.

Vonn: Wenn die Medien wissen, es gibt da eine Freundschaft und wir dann plötzlich auf Distanz sind, dann denken die: Da ist Krieg. Aber das stimmt nicht.

SZ: Wann haben Sie eigentlich gemerkt: Aus dieser Freundschaft könnte Rivalität auf höchstem Niveau werden?

Riesch: Man weiß das erst, wenn es so weit ist. Wir hatten natürlich immer das Ziel, in die Weltspitze zu kommen, aber dass sich das so auf ein Duell zuspitzen würde, haben wir nicht geahnt. Es ist ja jetzt schon das vierte Jahr, in dem es zwischen uns so hin- und hergeht.

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SZ: Kann man Freundschaft und Job denn wirklich trennen? Können Sie für Ihre Freundin sein, obwohl Sie die Hauptrivalin ist?

Vonn: Das ist nicht wirklich ein Problem. Ich will immer gewinnen, aber wenn ich einen schlechten Lauf habe, dann soll es Maria sein, die mich schlägt.

SZ: Aber in dieser Saison könnte Maria Ihnen den Gesamtweltcup abnehmen, den Sie zuletzt dreimal nacheinander gewonnen haben.

Vonn: Ja, aber es ist ja nicht Marias Schuld, wenn sie mich schlägt. Dann war ich nicht gut genug. Skifahren ist unser Beruf - aber es steht nicht zwischen uns. Als ich in Zagreb im Slalom im ersten Lauf ausgeschieden bin, habe ich den zweiten Lauf im Hotelbett verfolgt und gehofft, dass Maria gewinnt.

SZ: Frau Riesch, glauben Sie ihr das?

Riesch: Naja . . .

Vonn: Doch, das stimmt! Ich will, dass meine Freundin gut fährt!

Riesch: Am schönsten ist es, wenn wir wie in Vancouver beide Gold holen. Das ist dann wirklich eine Bilderbuch-Geschichte.

Vonn: That's like Hollywood.

SZ: Aber Sie müssen doch Geheimnisse voreinander haben. Welcher Schuh, welcher Ski - darüber reden Sie nicht, oder?

Riesch: Doch, schon. Als letzte Saison bekannt wurde, dass Lindsey mit einem Männerski fährt, hab' ich mit ihr darüber gesprochen. Ich hab' den Ski auch probiert, aber es hat bei mir nicht gepasst.

Vonn: Das Material ist sowieso individuell abgestimmt, was für Maria passt, muss für mich noch lange nicht passen.

SZ: Sind Ihre Serviceleute auch befreundet?

Riesch: Die kennen sich ewig, aber der von der Lindsey ist ja doppelt so alt wie meiner.

Vonn: Und meiner raucht doppelt so viel wie deiner.

Riesch: Meiner raucht gar nicht.

Vonn: Der raucht gar nicht? Really?

Riesch: Really.

SZ: Gibt es ein Thema, über das Sie nie sprechen?

Riesch: Ja. Den Gesamtweltcup.

Vonn: Stimmt. Aber über Marias Heim-WM in Garmisch sprechen wir schon.

SZ: 2015 findet die WM dann in Vail statt, wo Sie ja wohnen.

Vonn: Ja, das passt zu unserer gemeinsamen Hollywood-Story, dass ich das auch noch erleben darf.

Riesch: Und danach hören wir gemeinsam auf, oder?

© SZ vom 10.1.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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