FC Sevilla im spanischen Fußball:Und wieder droht der Untergang

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Sevilla steckt im Schlamassel, und mittendrin ist auch Sergio Ramos, der zu seinem Heimatverein zurückgekehrt ist. (Foto: Fran Santiago/Getty Images)

Knapp sieben Monate nach dem siebten Europa-League-Triumph stürzt der FC Sevilla in Spaniens Liga ans Tabellenende. Der glücklose Trainer Diego Alonso muss gehen - und die finanzielle Lage des Klubs ist brenzlig.

Von Javier Cáceres

Den Respekt vor ihm hatten sie in Sevilla schon länger verloren, das wusste der Fußball-Lehrer Diego Alonso nur zu gut. Und falls er überraschenderweise doch noch einen Zweifel gehabt haben sollte, wurde er vor Wochenfrist ausgeräumt. Ob er ein Los für die berühmte spanische Weihnachtslotterie "El Gordo" gekauft habe, wurde Alonso, 48, in einer Pressekonferenz gefragt. Der Hohn folgte in einem nachgeschobenen, erklärenden Satz: "Bei dem Glück, das Sie hier haben, ergibt das ja keinen Sinn."

Alonso rang um Fassung; das Glück noch auf seine Seite zu ziehen, schaffte er nicht. Am Samstag wurde er als Trainer des FC Sevilla entlassen - nach einem 0:3 gegen den FC Getafe, dem Sturz ans Tabellenende und gerade einmal zwei Monaten im Amt.

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Es war ein feiner, pietätvoller Zug, Alonso nach der Pleite vom Samstagabend nicht mehr vor die Presse treten zu lassen. Der Auftritt gegen Getafe war in einer Weise beschämend, dass das Publikum im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán jeden Pass des Gegners mit ironischen "Olé"-Rufen begleitete - und in Chören von so ziemlich allen Honoratioren Sevillas den Rücktritt verlangte, den Erzbischof ausgenommen. Schon zur Halbzeit hatte es 0:2 gestanden, und es gilt als sicher, dass der Entschluss, Alonso davonzujagen, bereits zur Pause gefasst war. Manager Victor Orta, der im Sommer Sevillas Transfer-Guru Monchi ersetzte, verkündete das Aus nach der Partie offiziell. Es sei ein Jammer, dass die Arbeit Alonsos keine Früchte gezeigt habe, erklärte er. Doch das war, wie es sich für Abschiede gehört, bloß freundlich formuliert.

Die Krise erinnert an die späten 1990er-Jahre, als der FC Sevilla dem Untergang geweiht zu sein schien

Alonsos Bilanz war verheerend. In acht Spielen der spanischen Liga und vier Champions-League-Partien blieb Sevilla unter dem Uruguayer sieglos; Triumphe gab es nur im Pokal, gegen unterklassige Mannschaften. In der Königsklasse schied Sevilla nach einem 1:2 in Lens nicht nur aus; der Klub wurde Gruppenletzter und verfehlte damit die Qualifikation für die Europa League - ein Turnier, das der Klub erst im Frühjahr unter dem im Oktober entlassenen José Luis Mendilibar zum siebten Mal in der Vereinsgeschichte gewonnen hatte. "Alonso ist endlich raus", frohlockte am Sonntag die Zeitung Diario de Sevilla.

Sevillas Ex-Trainer Diego Alonso. (Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)

Dass Alonso bei seiner ersten europäischen Trainerstation scheiterte, ist das eine. Das andere, dass er bloß das x-te Symptom ist für eine voll umfassende Krise. Hinter den Kulissen wird um die Macht gerungen. Der Klub hat in den vergangenen Geschäftsjahren ein Defizit an das andere gereiht, die Schulden liegen jenseits der 200 Millionen Euro, sodass als sicher gelten darf, dass sich der (auch an Hertha BSC beteiligte) Investor 777 Partners die Hände reibt. Das Szenario eignet sich prächtig, um die Minderheitenbeteiligung von weniger als zehn Prozent der Aktien aufzustocken. Und endlich Einfluss auszuüben.

Es gibt viele Beobachter, die sich stark an das Drama der 1990er-Jahre erinnert fühlen, als der FC Sevilla erfolglos und überschuldet in der Versenkung zu verschwinden drohte. Der große Unterschied: Damals konnte Sevilla ein paar Nachwuchsspieler zu Geld machen, jetzt sitzt der Klub auf Altstars, die sich zwar mit Alonso verstanden, ihren Zenit aber augenscheinlich überschritten haben und zudem auf teuren Verträgen sitzen.

Stattdessen scheitert in Sevilla ein Trainer nach dem anderen. In den vergangenen 14 Monaten haben sich Julen Lopetegui, Jorge Sampaoli, Mendilibar und Alonso als Coach versucht, ohne Fortune. Nun übernimmt der Spanier Quique Sánchez Flores, der im Gegensatz zu Alonso zumindest die spanische Liga bestens kennt. Bis zum April war er beim FC Getafe beschäftigt.

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