Kroatien bei der WM:Land der Elfmeterkiller

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Dominik Livakovic jubelt nach dem letzten Elfmeter der Brasilianer. Den hatte er zwar nicht direkt gehalten - aber mit dem Ausgang konnte er leben. (Foto: Anne-Christine Poujoulat/AFP)

Ähnlich wie Danijel Subasic beim WM-Finaleinzug 2018 ist diesmal Torhüter Dominik Livakovic ein Garant für den kroatischen Erfolg. Nach einer Phase der Unsicherheit musste er sich das Vertrauen erst wieder verdienen.

Von Sebastian Fischer

Die Geschichtenerzähler von der Fifa haben natürlich schnell erkannt, dass sie da unverhofft eine ziemlich passende Szene im Kasten hatten. Der Weltverband hat vor der WM einige Mannschaftskapitäne für eine eigens produzierte Netflix-Serie durch die WM-Vorbereitung begleitet, auch den Kroaten Luka Modric. Der führte vor dem entscheidenden Qualifikationsspiel Ende 2021 gegen Russland ein Gespräch mit Kroatiens Torwart Dominik Livakovic. Es ging darum, dass Livakovic nicht mitspielen würde. Modric munterte ihn auf.

In der vergangenen Woche veröffentliche die Fifa auf ihrer Webseite das Gespräch dann als kurzes Video, natürlich unter Verwendung des Signalworts "inspirierend". Es passte hervorragend, es ist darin schließlich ein Hauptdarsteller der kroatischen Erfolgsgeschichte bei dieser WM zu sehen. Und damit ist ausnahmsweise nicht Modric gemeint.

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An diesem Dienstag spielt die kroatische Nationalmannschaft in Katar das Halbfinale gegen Argentinien, es ist natürlich auch das Treffen zweier herausragender Fußballer dieses Turniers: Auf der einen Seite Lionel Messi, 35, auf der anderen der famose Modric, 37. Es ist das Duell zweier Mannschaften, die als Gerüst um ihre jeweils besten Spieler herum funktionieren. Und für die Kroaten ist es die Möglichkeit, auf verblüffend ähnliche Weise den Erfolg von 2018 mindestens zu wiederholen, als sie erst im Finale gegen Frankreich verloren.

Damals gewannen die Kroaten im Achtelfinale und im Viertelfinale im Elfmeterschießen gegen Dänemark und Russland. Torwart Danijel Subasic hielt einmal drei und einmal einen Elfmeter. Diesmal gewannen die Kroaten im Achtelfinale und im Viertelfinale im Elfmeterschießen gegen Japan und Brasilien. Torwart Livakovic hielt einmal drei und einmal einen Elfmeter.

Das Bayern-Gerücht um Livakovic kann man erst mal beiseite legen

Es gibt bei dieser WM noch einen für seine Mannschaft besonders wichtigen Keeper, den Marokkaner Bono. Doch über Livakovic reden nun mindestens genauso viele. Iker Casillas zum Beispiel, der frühere spanische Keeper, der als TV-Experte in Katar ist, nannte Livakovic dieser Tage den besten Torhüter des Turniers. Nachdem Bayern-Vorstandschef Oliver Kahn den kroatischen Sieg gegen Brasilien auf der Tribüne verfolgte (weil in Katar ein Treffen der europäischen Klubvereinigung ECA stattfindet) und sich Manuel Neuer beim Skifahren das Bein brach, wurde auf den einschlägigen Portalen schon aufgeregt gefragt: Ist Livakovic, 27, jetzt der neue Bayern-Torwart?

Das Bayern-Gerücht war wohl allzu vorschnell, man kann es erst mal beiseitelegen. Dass Livakovic aber mit seinen Leistungen seinen Marktwert gesteigert haben dürfte und ein baldiger Fortgang von seinem Klub Dinamo Zagreb nicht gerade unwahrscheinlicher geworden ist, davon darf man wohl ausgehen. Sein Vertrag endet 2024.

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Livakovic gilt schon seit Jahren als Talent. Er war auch 2014 schon dabei, als dritter Torwart: Auf den Fotos von damals sieht er aus wie ein kleiner Bruder, der mit den Großen um die Häuser ziehen durfte. "Er hat oftmals in seiner Karriere gezeigt, dass er ein herausragender Torwart ist", sagte Borna Sosa, der Verteidiger vom VfB Stuttgart, nach dem Sieg gegen Brasilien über Livakovic.

Im Training machte Livakovic offenbar einen selbstsicheren Eindruck

Seit 2019 ist er der kroatische Stammkeeper. Doch dann gab es eben jene Phase im vergangenen Jahr, in der er insgesamt viermal auf der Bank saß. Im Netflix-Clip, in dem Modric und Livakovic beim Gespräch gefilmt werden, sagt der Kapitän dem Torwart: "Du bist mir wichtig, deshalb rede ich mit dir. Aber ich sehe bei dir keinen Fortschritt im Nationalteam. Ist es vielleicht der Druck, der auf dir lastet?" Modric sagte: "Du strahlst Unsicherheit aus. Das wirkt sich auf das Team aus." Er fragte: "Warum solltest du keine Fehler machen dürfen? Jeder macht Fehler! Ich glaube dein Problem ist, dass du Angst davor hast." Und schließlich: "Du bist ein starker Torwart, das weißt du oder?"

Bis zur WM stand Livakovic dann in sechs von neun Spielen im Tor. In Katar kassierte er in der Gruppenphase nur ein Gegentor beim 4:1-Sieg über Kanada. Wichtiger für die folgenden K.o.-Spiele war aber wohl, dass er im Training offenbar einen selbstsicheren Eindruck machte, wenn man den Schilderungen seiner Kollegen glaubt. Jedenfalls in einer Disziplin: Elfmeter. "Gestern haben wir Elfmeter trainiert", sagte Verteidiger Dejan Lovren nach dem Sieg gegen Japan. Livakovic habe fast alle Versuche gehalten. "Ich habe ihm gesagt: Genau so musst du sein."

Organisation in der Defensive, hohe Laufleistung, wenig Allüren, das sind die Charakteristika der kroatischen Mannschaft. Gerade das zentrale Mittelfeld um Modric, Marcelo Brozovic (Inter) und Mateo Kovacic (FC Chelsea) entspricht höchsten internationalen Ansprüchen. In der Abwehr beweist der Leipziger Josko Gvardiol sein Talent. "Wir werden unser Spiel weiterspielen", sagte Trainer Zlatko Dalic in der Pressekonferenz am Montag: "Wir reden gar nicht erst darüber, müde zu werden."

2018, als die Mannschaft so ähnlich spielte, gelang der Halbfinalsieg gegen England in der Verlängerung. Diesmal hätten sie wohl nichts dagegen, wenn es wieder etwas länger dauert. "Wenn es Elfmeterschießen gibt, wird jeder wissen, wie oft wir gewonnen haben", sagte Borna Sosa.

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