Wenn man mal aus Doha rausfährt in den "Kultur"-Vorort Katara Beach - es sind nur 17 Minuten mit der neuen Metrolinie -, wenn man dann ungläubig fasziniert an der Uferpromenade steht und gar nicht weiß, wohin man den Blick als Erstes wenden soll, dann fällt einem dieser alte Werbeslogan der Eismarke Ben & Jerry's wieder ein: "Unser Geheimrezept? Von allem zu viel!"
In Katara Beach haben die Kulturbaumeister an die Bucht gestreut (von links): ein skandinavisch aussehendes Luxus-Feriendorf auf einem künstlichen grünen Hügel, ein arabisches Fort, einen römischen Stadtpalast mit einer bewachsenen französischen Orangerie vorne dran, ein Amphitheater mit 5000 Plätzen, außen griechisch, innen klassisch-islamisch gehalten, von dem aus der Blick nicht ganz so malerisch aufs Meer fällt wie in Taormina, aber doch eindrucksvoll auf die Skyline, dann eine zerbeulte Christbaumkugel mit Fenster (darin: ein Falkenjagd-Museum) und schließlich einen weiß glänzenden Maharadscha-Palast wie in Udaipur (darin: ein Luxushotel).
Meinung WM in Katar:Diesem Turnier triefen die Debatten aus allen Poren
Selten war ein sportliches Großereignis politisch so aufgeladen wie diese Fußball-WM. "One Love", Protestgesten, iranische Frauen, tote Arbeiter, das Gas. Und in der Flut an Diskussionen gewinnt am Ende nur einer: Gianni Infantino.
Von allem zu viel! Und dann kommt ja noch das Topping.
Anstatt über alles Schokosoße zu spritzen oder Kokosraspeln zu streuen, haben sie einfach ein lila Paket mitten hineinfallen lassen in die Szenerie, ein mehrgeschossiges Haus mit beleuchtetem Stahl als Schleifchen drum rum (darin: die Children's Mall). Während man davor steht, kommt einem ein so absurder wie naheliegender Gedanke: Wie wäre es, wenn hier noch ein Kanuslalom-Kanal hindurchführen würde (mit Tiefgarage)?
Olympische Sommerspiele in Doha mag man mancherorts noch für eine Schreckensvision halten. Die Wahrheit ist: Es ist alles schon fertig! Sieben klimatisierte WM-Stadien (das achte wird demnächst abgebaut und nach Afrika verschenkt), unzählige modernste Veranstaltungshallen, und was noch nicht da ist (zum Beispiel hat man noch nirgends eine Ruderregattastrecke mit begehbarem Glastunnel drum rum entdeckt): Hey, das wird halt gebaut! Willkommen also bei den Sommerspielen 2036 in Doha, Außentemperatur 58 Grad, aber in der Olympiablase alles schön runtergekühlt, keine Zuschauer, aber tolle Bilder! Hol schon mal die "One Love"-Binde raus, deutscher Sport!