Wechsel von Nationalspieler Kai Havertz:Verkündung via Arsenal-App

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Klassischer Frühstart: Noch bevor Kai Havertz beim FC Chelsea verabschiedet und ein paar Querstraßen weiter offiziell im Trikot des FC Arsenal begrüßt werden konnte, hatte das im Internet schon jemand getan. (Foto: Screenshot/oh)

Weil die Social-Media-Abteilung offenbar auf einen falschen Knopf drückt, wird die Verpflichtung von Kai Havertz früher als geplant öffentlich. Bei den Londonern könnte er mit dem Norweger Ödegaard ein aufregendes Spielmacher-Duo bilden.

Von Sven Haist, London

Die Social-Media-Abteilung des FC Arsenal schien die Verpflichtung von Kai Havertz kaum mehr erwarten zu können. Schon seit einer Woche galt der Wechsel des deutschen Nationalspielers vom Londoner Stadtrivalen FC Chelsea als verbrieft. Trotzdem weigerte sich der Klub beharrlich und zum Unmut der eigenen Anhänger, den Transfer für rund 75 Millionen Euro zu bestätigen. In etwa dieselbe Summe hatte Chelsea im September 2020 an Bayer Leverkusen bezahlt. Erst am Mittwochabend bestätigte der Klub den "langfristigen" Deal mit Havertz, als die Arsenal-Verantwortlichen die Bekanntgabe so lange hinausgezögert hatten, dass sie fast obsolet geworden war - weil der eigenen Kommunikationssparte zuvor ein grober Schnitzer unterlaufen war.

Um Mittwoch-Mitternacht ploppte auf der Arsenal-App plötzlich ein offenbar zu früh eingestelltes Doppel-Feature mit Havertz auf. Die zwei Videos, die den Offensivspieler auf dem Titelbild in verschiedenen Posen im Arsenal-Trikot zeigen, sind mit unmissverständlichen Überschriften versehen: "Kai Havertz is a Gunner" und "First Interview - Kai Havertz". Kurz nach Veröffentlichung der Beiträge waren sie zwar wieder gelöscht. Aber zu diesem Zeitpunkt ging die Nachricht bereits im Internet viral: Kai Havertz spielt jetzt für den FC Arsenal.

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Im Vereinsvideo sagt Havertz, dass es "sehr aufregend" für ihn sei, einem "so wunderbaren Klub mit großer Geschichte" beizutreten. Er ist der insgesamt zwölfte Deutsche beim Arsenal Football Club, dessen Faible für Fußballer aus Deutschland vor langer Zeit mit dem Transfer eines gewissen Alberto Méndez begann. Jener kickte für den Landesligisten 1. SC Feucht, als sich Arsenals Ewigkeitstrainer Arsène Wenger überraschend in ihn verguckte und ihn 1997 für 600 000 D-Mark nach London holte. Dem Deutschen Méndez folgten unter anderem Torwart Jens Lehmann, der mit dem Verein in der Saison 2003/04 ungeschlagen die Meisterschaft gewann, sowie die DFB-Weltmeister Per Mertesacker, Lukas Podolski und Mesut Özil.

Beim FC Arsenal möchte Havertz vom Pokal- zum Meisterschaftsspieler reifen

Als Grund für seine Entscheidung nannte Havertz die "Familienmentalität der Mannschaft". Sie dürfte zuletzt im Kontrast zu jener im aufgeblähten Chelsea-Team gestanden haben, das nach einer sehr schwachen Saison die Teilnahme an der Champions League klar verpasste. Die innerbetrieblichen Turbulenzen bei den Blues wirkten sich zuletzt auch auf Havertz' Leistungen aus. In seinen drei Chelsea-Jahren kommt der gebürtige Aachener auf gleichmäßig verteilte 139 Pflichtspiele, in denen ihm 32 Tore und 15 Vorlagen gelangen. Der 24-Jährige wurde mit seinen Siegtreffern im Champions-League-Finale 2021 und dem Klub-WM-Endspiel 2022 zum Pokal-, aber nie wirklich zum Meisterschaftsspieler. Ihm mangelte es letztlich etwas an Konstanz. So konnte er die Erwartungen zumindest nicht komplett erfüllen - der Klub jedoch umgekehrt mit seinen vielen Veränderungen (Spieler, Trainer, Eigentümer) auch nicht seine eigenen Ansprüche.

Mit dem Umzug von West- nach Nord-London geht es für Havertz nun darum, sich dauerhaft zu einem Spitzenspieler zu entwickeln. Dabei dürfte es für ihn vor allem darauf ankommen, endlich eine einigermaßen feste Positionierung auf dem Spielfeld zu finden. Bei Chelsea füllte der vielseitig veranlagte Havertz alle möglichen Offensivrollen aus: Mittelstürmer, hängende Spitze, Flügelspieler, Spielmacher. Er war bei allen Trainern immerzu angesehen, nur wusste keiner genau, wo er ihn am besten einsetzen sollte. Manchmal saß Havertz daher nur auf der Bank. Die meiste Zeit verbrachte er als spielstarker und gelegentlich zurückweichender Zielspieler im Angriff, vor allem, nachdem der heutige FC-Bayern-Trainer Thomas Tuchel das Vertrauen in die Mittelstürmer Timo Werner und Romelu Lukaku zunehmend verloren hatte. Doch zur ständigen Lösung auf dieser Position fehlte Havertz die Treffsicherheit. Während Chelsea an Havertz' Positionslosigkeit durchaus hin und wieder verzweifelte, sieht es so aus, als würde Arsenal ihn genau deswegen engagieren.

Mit dem Norweger Ödegaard soll Havertz ein aufregendes Spielmacher-Duo bilden

Um Dauerchampion Manchester City auf Sicht weiter herausfordern und die neue Champions-League-Belastung stemmen zu können, muss Arsenal in diesem Sommer die Kader-Alternativen erhöhen. Mit der Verpflichtung von Havertz deckt der Verein jetzt mehrere Positionen auf einmal ab. Kürzlich lobte Trainer Mikel Arteta das "Talent und die Vielseitigkeit" des Deutschen. Grundsätzlich plant er ihn wohl als halblinken offensiven Mittelfeldspieler ein, dort dürfte er den vor einem Wechsel nach Leverkusen stehenden Schweizer Granit Xhaka ersetzen. Zusammen mit dem gleichaltrigen Kapitän Martin Ödegaard würde Havertz eines der aufregendsten Spielgestalter-Duos der Premier League bilden. Die Position kommt seinen eigenen Vorlieben mutmaßlich am nächsten. Dem Digitalmagazin The Athletic sagte Havertz einmal, er sei "mehr oder weniger ein Mittelfeldspieler".

Neben Spielverständnis, Laufstärke und seiner geschmeidigen Ballbehandlung könnte der bisweilen fragilen Arsenal-Mannschaft auch Havertz' Widerstandsfähigkeit weiterhelfen. Anders als seine zurückhaltende Natur vermuten lässt, hält er den hart geführten Zweikämpfen in der Premier League stand, und er weiß mit Druck umzugehen. An dieser Resistenz und Mentalität fehlte es dem FC Arsenal in der Schlussphase der abgelaufenen Saison.

Am Mittwochabend bestätigte Arsenal dann den Wechsel, ohne genaue Angaben über die Vertragslaufzeit zu machen. Vor wenigen Tagen postete Havertz auf Instagram ein Bild von der Hochzeit seines Chelsea-Mitspielers Kepa in Marbella. Es wirkte wie ein Abschiedsfoto. Im Hintergrund sind Palmen zu erkennen, die jenen im Arsenal-Video auffallend ähnlich sehen.

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