Zum Tod von Jutta Müller:Die Eis-Prinzipalin

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"Diese schöne, strenge Frau", hat Katarina Witt, zweimalige Eiskunstlauf-Olympiasiegerin, ihre Trainerin Jutta Müller (li.) einmal genannt. (Foto: Camera 4/Imago)

Mit Hingabe, Drill und Disziplin: Jutta Müller, die erfolgreichste Eiskunstlauftrainerin der DDR, hat 57 internationale Medaillen erobert - und der Weltkarriere von Katarina Witt den letzten Schliff gegeben. Ein Nachruf.

Von Barbara Klimke

Als sie Pensionärin und längst über 70 Jahre alt war, kam Jutta Müller noch immer regelmäßig in diesen kargen Raum im Eissportzentrum Chemnitz, eher Kabuff als Büro. Es gab keinen Plüsch in diesem Arbeitszimmer, so wenig wie im Eiskunstlauf, den Jutta Müller unterrichtete, Nachgiebigkeit oder gar Nachlässigkeiten vorkamen. Kunst, auch Kufenkunst, war kein Geschenk des Himmels, sondern das Destillat aus Disziplin und Drill. Das bezaubernde Lächeln Katarina Witts, der Charme und die Grazie? "Das musste ich ihr beibringen", sagte Jutta Müller. Ebenso die elegante Streckung der Hand bis in die Kuppe des kleinen Fingers.

Jutta Müller, die am Donnerstag im Alter von 94 Jahren starb, war die erfolgreichste Prinzipalin des DDR-Eiskunstlaufs. "Diese schöne, strenge Frau", wie Katarina Witt sie in ihrer Biografie nennt, hat über die Jahre 57 internationale Medaillen mit ihren Schülern und Schülerinnen erobert, zunächst mit ihrer Tochter Gaby Seyfert, dann mit Anett Pötzsch, Jan Hoffmann und Witt, der sie auch nach der politischen Wende beim Comeback zu den Olympischen Spielen in Lillehammer 1994 noch einmal zur Seite stand, und die ihr nach eigenen Worten ihre Weltkarriere verdankt.

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Sie haben einander nahegestanden bis zum Schluss, und doch ist Katarina Witt gegenüber ihrer Trainerin immer beim distanzierten "Sie" der Anrede geblieben, aus Respekt vor einer Autoritätsperson, mit der sie sich Machtkämpfe lieferte, die sie aber auch an die Hand nahm, um sie vor Auslandsreisen modisch einzukleiden. Jutta Müller, Kommunistin und SED-Mitglied seit Gründung der DDR, trug, wie im Eiskunstlauf damals üblich, selbstverständlich Pelzmäntel, wenn sie mit strengem schwarzem Dutt an der Bande stand.

Sie hatte im Alter von drei Jahren mit Ballett begonnen, wechselte zum Eis- und Rollkunstlauf, ohne die ganz großen eigenen Erfolge. Als bei den nationalen Titelkämpfen 1954 der spätere DDR-Sportchef Manfred Ewald die Athletinnen zur Pflicht rief ("Ihr alten Damen solltet aufhören. Wir brauchen euch als Trainerinnen!"), da war ihr das Befehl. Jutta Müller studierte an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig, um bald darauf in Karl-Marx-Stadt auf dem Eis den Ruhm der DDR zu mehren.

Dass der vereinigte deutsche Sport ihr nach 1990 keine Bühne mehr bot, hat Jutta Müller mit Würde hingenommen. "Ich habe viel verlangt und viel gegeben", hat sie einmal im Rückblick gesagt. In Chemnitz unterrichtete sie Kinder, und wenn ihr Rat gefragt war, gab sie ihn gern. 2001 beispielsweise half sie dem damaligen Junioren-Weltmeister Stefan Lindemann aus Erfurt, den Eislauf zum Eiskunstlauf zu veredeln. "Frau Müller achtet auf den Auslauf", berichtete er über die Arbeit nach der Landung auf Kufen ehrfürchtig: "Sprünge soll man präsentieren, so als sage man den Zuschauern: Habt ihr das gesehen?!"

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