Italien verpasst die Fußball-WM:Italien weint mit Buffon

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  • Im Rückspiel der WM-Playoffs trennen sich Italien und Schweden 0:0.
  • Damit verpasst der viermalige Weltmeister Italien nach dem 0:1 im Hinspiel zum ersten Mal seit 1958 das WM-Turnier.
  • Nach dem Spiel verkündet Gianluigi Buffon das Ende seiner Karriere in der Nationalmannschaft.

Von Martin Schneider

Der Abend, der mit einem lauten Lied begann, endete in Tränen und Schweigen. Gianluigi Buffon, 39 Jahre alt, war beim vorletzten und letzten Eckball nochmal nach vorne gerannt. Der Torwart wollte das Tor für Italien machen, sein Land irgendwie in die Verlängerung und dann noch zur WM retten. Buffon hat viel geschafft in seiner Karriere, aber das schaffte er nicht. Die Flanken erreichten ihn nicht und auch sonst keinen Spieler mehr im blauen Trikot.

Nachdem der Schiedsrichter abpfiff und die schwedische Mannschaft feierte, stand Buffon auf dem Rasen und sah zwei Zahlen auf der Anzeigetafel des San Siro in Mailand: 0:0. Dann weinte er. Er ging über den Platz und presste sich Daumen und Zeigefinger in die Augen. Er wusste zu diesem Zeitpunkt: Diese beiden Sprints nach vorne, die beiden Versuche, ein Tor zu machen, das würden seine letzten Aktionen im Italien-Trikot sein. Nach dem Spiel verkündete er das Ende seiner Karriere in der Nationalmannschaft, die nun, seit 60 Jahren, das erste Mal nicht bei einer Fußballweltmeisterschaft dabei sein wird.

Buffon tritt zurück

"Es tut mir nicht für mich persönlich leid, sondern für die ganze Mannschaft und das ganze Land. Wir haben etwas verpasst, das auf so verschiedenen Ebenen viel bedeutet hätte", sagte Buffon ins Fernsehmikrofon. "Aber wir sind stolz und stark. Wir werden versuchen, uns davon zu erholen, wie wir das immer gemacht haben." Für ganz Italien sei das Fehlen bei der WM eine "Katastrophe", meinte Buffon, der im TV-Interview immer noch weinte. "Ich bin traurig, dass meine Nationalmannschaftskarriere so endet", sagte er.

Ein Tor hätte die italienische Nationalmannschaft gebraucht, um es in die Verlängerung im WM-Playoff-Spiel gegen Schweden zu schaffen. Sie waren in 90 Minuten nah dran. Aber eben nur nah dran. Der finale Gong des italienischen Fußballs war das Geräusch eines Balles, der gegen die Latte klatschte. Alessandro Florenzi hatte in der 67. Minute geschossen, der schwedische Verteidiger Mikael Lustig fälschte ab - dann flog der Ball in hohem Bogen gegen die Querstange. 23 Minuten lang rannte Italien danach verzweifelt an. Kurz vor Schluss schoss der eingewechselte Stephan El Shaarawy noch einmal gegen die Torwarthandschuhe von Schwedens Torhüter Rubin Olsen. Es reichte nicht. Schweden fährt nach Russland. Italien und Gianluigi Buffon bleiben zu Hause. Die azurblaue Apokalypse, von der der Verband vor dem Spiel sprach, sie brach über Mailand herein.

Dabei hätte es doch das Stadion richten sollen. Die italienische Nationalhmyne - Il Canto degli Italiani - das Lied der Italiener, es wurde von 80 000 Menschen gesungen, nein, geschrien. Am lautesten von Buffon. Die Motivation war vor dem Spiel da, aber Motivation allein gewinnt keine Fußballspiele.

In der sechsten Minute schoss Marco Parolo das erste Mal mit zittrigem Fuß Richtung Tor. Nur 180 Sekunden später fiel er im Sechzehner und jeder Mensch von Südtirol bis Sizilien schrie "Pena" - Elfmeter. Den gab es aber nicht, Giorgio Chiellini beschwerte sich so laut und so heftig bei Schiedsrichter Antonio Mateu Lahoz, dass er früh die gelbe Karte sah. Kurz darauf rammte er dem Schweden Toivonen seine Schulter gegen die Brust und hatte Glück, keinen frühen Feldverweis zu kassieren. Ausgerechnet der alte Ritter Chiellini schien die Nerven zu verlieren. Kurz darauf forderte wiederum Schweden Elfmeter, weil Matteo Darmian der Ball an die Hand sprang. Wieder entschied sich der spanische Unparteiische gegen einen Strafstoß, wieder lag er damit richtig. Dann verletzte sich Jakob Johansson am Knie und musste ausgewechselt werden und knapp nach der 20. Minute holte sich Andrea Barzagli die gelbe Karte ab. Langweilig war es nicht.

Die Nervosität, der Druck, die Angst vor dem Versagen - sie fraß sich in jeden Pass, in jeden Zweikampf der Italiener in dieser Anfangsphase.

Erst danach erkannte man sowas wie ein System im italienischen Spiel. Sie versuchten die hochstehenden Außenspieler Darmian und Antonio Candreva anzuspielen. In der 27. Minute schaffte es Jorginho, den gelben Abwehrblock mit einem Lupfer auf den Ex-Dortmunder Ciro Immobile zu überwinden, der legte quer auf Candreva - und der ballerte über das Tor in die Mailänder Nacht.

Als es so aussah, als hätte Italien die Balance zwischen Motivation und Präzision gefunden, hätte aber Schweden einen Elfmeter bekommen müssen. Der Leipziger Emil Forsberg lupfte den Ball an Andrea Barzaglis Hand, doch erneut gab es keinen Pfiff. Forsberg schrie Senor Mateu Lahoz dermaßen an, dass der ihm quasi Gelb wegen Meckerns zeigen musste.

Trotzdem war Italien im Spiel. Ein Lupfer von Immobile in der 40. Minute klärte Andreas Granqvist kurz vor der Linie, dann dribbelte sich Alessandro Florenzi durch die Abwehr und scheiterte aus spitzem Winkel an Torwart Olsen. Die schwedische Abwehr war längst im Leibwächter-Modus und warf sich in jeden Schuss. Mit ausgefeilter Abwehrtaktik hatte das nichts mehr zu tun - aber es funktionierte. Italien hätte zur Halbzeit führen müssen - aber sie führten nicht.

Italien drückte und drückte - vergeblich

Und als es so aussah, als hätte dieses Spiel schon genug Elfmeter-Diskussionen, traf Mikael Lustig Darmian mit dem Knie im eigenen Sechzehner am Bauch - wieder gab es keinen Strafstoß, weil Schiedsrichter Mateu Lahoz vorher Hand gesehen haben wollte. Italien drückte und drückte und Schweden veranstaltete jetzt das, was im Fußballexikon unter "Abwehrschlacht" beschrieben wird. Alessandro Florenzi versuchte in der 54. Minute einen Seitfallzieher von der Strafraumgrenze und war damit sogar beinahe erfolgreich.

Italien war nun die klar bessere Mannschaft. Schweden warf Mann und Maus, Bein und Brust, einfach alles, was der Mannschaft zur Verfügung stand, gegen die italienischen Angriffe. In der 63. Minuten brachte Italiens Trainer Gian Piero Ventura die beiden Stürmer Andrea Belotti und Stephan El Shaarawy. Kurz darauf klatschte der Ball an die Latte.

Danach tickte die Uhr unerbittlich weiter. Sie tickte. Und tickte. Und irgendwann waren auch die fünf Minuten Nachspielzeit zu Ende.

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