Fußball und der Konflikt in Nahost:Kurve gegen Klub

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Konfliktzone Fußballstadion: Die Ultras von Celtic Glasgow versuchen derzeit, eine Linie von der Geschichte ihres eigenen Klubs bis zum Nahostkonflikt zu ziehen. (Foto: Jamie Johnston/Focus Images/Imago)

Der Krieg im Nahen Osten belastet auch den europäischen Fußball. Für Vereine wie etwa Celtic Glasgow stellt sich zunehmend die Frage: Wie deutlich dürfen sich Fans in der politisch aufgeladenen Diskussion positionieren?

Von Ronny Blaschke

Als die Mannschaft von Celtic Glasgow am vergangenen Sonntag im Stadion von Hearts of Midlothian auflief, dachten ihre Fans offenbar wenig an Fußball. Mehr als 100 Anhänger zeigten im Gästeblock palästinensische Fahnen im Kleinformat. In sozialen Medien rufen Ultras des schottischen Tabellenführers seit Tagen dazu auf, ähnliche Aktionen an diesem Mittwoch zu wiederholen. In der Champions League empfängt Celtic in der Gruppe E Atlético Madrid.

Der Terrorangriff der Hamas in Israel und die Eskalation im Nahen Osten haben Auswirkungen auf die Fankurven des europäischen Fußballs. Besonders deutlich wird das in Glasgow. Bereits am Tag des Überfalls der Hamas vor zweieinhalb Wochen, als sich die genaue Lage noch nicht abzeichnen konnte, zeigten Celtic-Fans beim Heimspiel gegen Kilmarnock in ihrer Nordkurve Banner für ein "Freies Palästina" und einen "Sieg des Widerstandes".

Als maßgeblich für die propalästinensische Haltung im Umfeld von Celtic gilt die "Green Brigade", eine der prägenden Ultra-Gruppen im schottischen Fußball. Die Anhänger veröffentlichten zudem eine Mitteilung, darin hieß es unter anderem: "Wir müssen die Lehren aus der Apartheid in Südafrika anwenden", um die angebliche "Apartheid in Israel zu beseitigen - wenn wir uns in Situationen der Ungerechtigkeit neutral verhalten, haben wir uns auf die Seite des Unterdrückers gestellt".

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Unterdrückung. Die Ultras von Celtic führen diesen Begriff immer wieder ins Feld, um eine Linie von der Geschichte ihres eigenen Klubs bis zum Nahostkonflikt zu ziehen. Celtic Glasgow war in Schottland im späten 19. Jahrhundert von irisch-katholischen Einwanderern gegründet worden. Fans sahen ihren Verein als Symbol gegen den imperialen Einfluss Großbritanniens. "Celtic wurde aus einer Hungersnot und Unterdrückung geboren, ein Produkt der Kolonialherrschaft, des Todes und der Massenvertreibung von Menschen", schreibt die "Green Brigade". "Aufgrund dieser Geschichte sind die Fans von Celtic für ihr Mitgefühl und ihre Solidarität bekannt. Sie stellen sich stets auf die Seite der Unterdrückten und Mittellosen." Im aktuellen Fall sind mit den "Unterdrückten" die Palästinenser gemeint.

Die Vereinsführung der Grün-Weißen distanzierte sich deutlich. "Celtic ist ein Fußballverein und keine politische Organisation", hieß es in einer Mitteilung. Der israelische Nationalspieler Nir Bitton, der neun Jahre für Celtic gespielt hat und nun bei Maccabi Tel Aviv aktiv ist, formulierte es schärfer. "Shame on you!!! Ja, befreit Gaza von der Hamas, nicht von Israel!!!", schrieb er auf Instagram. "Eine Terrororganisation zu unterstützen, die stolz das Abschlachten von Familien feiert, ist absolut verrückt."

Viele irischstämmige Schotten wissen es noch zu schätzen, wie sich die PLO im Nordirlandkonflikt verhielt

Nach der Kritik von jüdischen Organisationen im Vereinigten Königreich bemühen sich die Funktionäre von Celtic um diplomatische Töne. Celtic will auch gegen Madrid mit schwarzen Armbinden auflaufen. Zudem unterstützt der Klub das Britische Rote Kreuz, das sich an Hilfsmaßnahmen im Nahen Osten beteiligt. Die "Green Brigade" warb derweil um Spenden für palästinensische Projekte.

Seit 2019 unterstützen Celtic-Fans eine Fußballakademie im Westjordanland. Die Zustimmung dafür war lange auch fernab der hartgesottenen Ultra-Milieus beachtlich. Viele irischstämmige Schotten wissen es noch heute zu schätzen, dass die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) während des Nordirlandkonfliktes die Irish Republican Army (IRA) gegen die Unionisten unterstützte. Auch Fans des großen Fußballrivalen, der Glasgow Rangers, spielen darauf an, indem sie mitunter israelische Flaggen schwenken - und damit ihre Gegner provozieren wollen.

Wie deutlich aber dürfen sich Fans in der politisch aufgeladenen Diskussion positionieren? Diese Frage stellen sich wohl auch andere Klubs in europäischen Spitzenligen. Beim FC Liverpool zeigten Anhänger ein Banner: "Um Gottes willen rettet Gaza." In Spanien schwenkten Dutzende Fans von Real Sociedad in San Sebastián und von CA Osasuna in Pamplona palästinensische Flaggen. Beide Klubs fühlen sich unterschiedlich stark mit dem Baskenland verbunden, wo es in der Vergangenheit immer wieder größere Demonstrationen für die Palästinenser gegeben hatte.

Der Krieg im Nahen Osten dürfte den europäischen Fußball weiterhin überschatten, und zwar aus unterschiedlichen Motiven. Linke Fangruppen wie jene von AEK Athen oder US Livorno solidarisieren sich seit Langem mit den Palästinensern, weil sie auf der Seite der angeblich "Unterdrückten" stehen wollen. Rechtsextreme Anhänger von Lazio Rom sind ebenfalls auf der Seite der Palästinenser, weil sie mit der Feindseligkeit gegen Israel ihren Antisemitismus kaschieren können.

Ultras des SC Freiburg verweisen mit roten Bannern auf Angriffe gegen jüdische Einrichtungen

Klare Zeichen gegen Antisemitismus waren vor allem in deutschen Stadien zu beobachten. Ultras des SC Freiburg verwiesen mit roten Bannern auf Angriffe gegen jüdische Einrichtungen: "Häuser werden markiert, Synagogen angegriffen, Menschen bleiben aus Angst zu Hause. Nie wieder ist jetzt. Gegen jede Art von Antisemitismus!" Werder Bremen verbreitete in sozialen Medien die Vermisstenmeldung von zwei Fans, die anscheinend von der Hamas nach Gaza verschleppt wurden.

In Fanszenen deutscher Klubs laufen aber auch kontroverse und zum Teil feindselige Diskussionen, denn diese Szenen reichen im globalisierten Fußball weit über die Landesgrenzen hinaus. In der vergangenen Woche veröffentlichten 14 Fanklubs des FC Bayern aus arabischen Ländern eine gemeinsame Mitteilung. Darin forderten sie, dass ihr Lieblingsklub die "israelische Gewalt in Gaza" deutlicher verurteilen solle. Der Terrorangriff der Hamas wurde darin nicht verurteilt. Man kann davon ausgehen, dass die Diskussionen noch lange andauern werden.

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