Hertha BSC:Schlimmer als ein Trümmerfeld

Lesezeit: 2 min

Drei Spiele, null Punkte, null Tore: Hertha BSC ist denkbar ungünstig in die Zweitliga-Saison gestartet. (Foto: Michael Taeger/Jan Huebner/Imago)

Absteiger Hertha BSC gibt beim 0:3 in Hamburg ein erschreckendes Bild ab. Keine Spielkultur. Kein Mittelfeld. Keine Hoffnung? Trainer Pal Dardai zweifelt jedenfalls schon an der Zweitligatauglichkeit seiner Mannschaft.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Wenn der Zustand von Hertha BSC ein Gesicht gehabt hätte, dann das von Toni Leistner. Sichtlich ramponiert sah der Verteidiger aus, als er in den Katakomben des Hamburger Volksparkstadions erschien: auf der Stirn zwei zusammengeflickte Platzwunden, die Augen aufgequollen. Und dazu eine demolierte Nase. "Die ist durch", bestätigte Leistner, was keinen der anwesenden Reporter überrascht haben dürfte. Leistner war während der Partie mit einem Gegenspieler zusammengerauscht, hatte aber trotzdem bis zum Ende weitergespielt. Am Einsatz hatte es also nicht gemangelt - wenngleich Kicken mit zertrümmertem Nasenbein nicht zwingend als vorbildhafte Tat gelten muss.

Nicht weit entfernt von Leistners Gesundheitszustand ist der Absteiger Hertha BSC, der am Samstagabend 0:3 beim Hamburger SV verlor. Im Zweitliga-Topspiel war die Verstetigung eines Trends zu besichtigen: Drei Saisonpartien sind vorbei, und die Berliner haben weder einen Treffer erzielt noch einen Punkt geholt - und wenn man sich die bislang vorgeführte Spielkultur der Mannschaft anschaut, dann kann man nur deshalb nicht von einem fußballerischen Trümmerfeld sprechen, weil es schon länger nichts mehr gibt, das überhaupt einsturzgefährdet sein könnte. Dafür fehlt es dem aktuellen Hertha-Team schlicht an der nötigen Bausubstanz. Zugang Leistner formulierte es so: "Wir sind gefühlt 90 Meter hinter den anderen."

SZ PlusHertha BSC
:Erst Streit um ein Fahrrad, dann Frakturen im Gesicht

In der Prügelaffäre um Hertha-Torwart Marius Gersbeck gibt es neue Details aus der Nacht. Die Polizei stellt Anzeige wegen schwerer Körperverletzung, der Klub will ihn rehabilitieren - aber das finden längst nicht alle gut.

Von Javier Cáceres

Nach dem Abstieg war der Aderlass groß im Kader der Berliner, die fähigsten Fußballer sind weg, die dadurch entstandenen Schlaglöcher längst nicht zugeschüttet. Besonders prekär ist die Lage im Mittelfeldzentrum: In Hamburg spielten dort Abwehrmann Pascal Klemens, Angreifer Marco Richter und Linksverteidiger Jeremy Dudziak - eine gelernte Fachkraft war nicht darunter, und das war zu sehen. Vielleicht, sagte der Berliner Coach Pal Dardai, sei man "nicht stark genug für diese Liga", der Gegner sei eine "Klasse" besser gewesen.

Zumindest letztere Einschätzung war zutreffend, denn der HSV präsentierte sich wie das Kontrastprogramm zur improvisierten und uninspirierten Hertha. Unter dem Hamburger Trainer Tim Walter wurden nun zwei Jahre lang die komplexen Abläufe im Spielaufbau festgezurrt, die Gruppe hat Esprit und einen steten Drang nach vorn - und sie hat in den Mittelfeldmännern Laszlo Benes und Ludovit Reis sowie Stürmer Robert Glatzel Offensivakteure im Kader, die eigentlich überqualifiziert sind für Zweitliga-Fußball.

Den Hertha-Fans könnte angst und bange werden

Nach dem Führungstor von Angreifer Bakery Jatta (38. Minute) trafen Benes (45./Elfmeter) und Glatzel (82.) auch am Samstag wieder, zusammen haben sie in dieser Saison bereits 13 Torbeteiligungen angehäuft. Eine schwindelerregende Zahl, die aber nur in Teilen etwas über die Aufstiegschancen der Hamburger aussagen dürfte: Walters auf Totaldominanz angelegte Strategie war in der Defensive zuletzt massiv störanfällig gewesen - und es erscheint nicht ganz klar, ob das gegen Hertha verbesserte Sicherheitskonzept mit einer konservativeren Herangehensweise beim Positionsspiel oder nur mit der erschreckenden Harmlosigkeit des Gegners zu erklären war.

Pal Dardai jedenfalls war beeindruckt vom Auftritt der Hamburger, die in dieser Saison noch ungeschlagen sind. "Wenn wir in eineinhalb Jahren so eine Mannschaft haben", sagte der Berliner Coach, " dann sind wir froh." Der HSV als Vorbild? Mit Blick auf Samstag nachvollziehbar. Doch wenn man den Blick weitet, könnte Hertha-Fans angst und bange werden: An eine zeitnahe Rückkehr in die Erstklassigkeit glaubt Dardai offenkundig nicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ Plus4:0 in Bremen zum Bundesliga-Auftakt
:Bayerns neue Statik mit Harry Kane

Trainer Tuchel schwärmt, die Kollegen loben: Harry Kane gelingt ein optimaler Auftakt in seine erste Bundesliga-Saison. In Bremen ist zu sehen, wie er das Spiel der Bayern verändert - und der Mannschaft auch abseits des Platzes hilft.

Von Thomas Hürner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: