Frankreich bei der Handball-WM:Nur die Mauer steht schon

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Leidenschaft gegen individuelle Klasse: Olympiasieger Dika Mem (Mitte) setzt sich gegen Polens Maciej Gebala und Tomasz Gebala (rechts) durch. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Trotz mäßiger Leistung schlägt Frankreich zum WM-Auftakt Gastgeber Polen - und zeigt dabei genau die Dinge, die für einen Titelgewinn nötig sind.

Von Ralf Tögel, Kattowitz

Guillaume Gille suchte nach Worten. Das lag zum einen daran, dass der französische Nationaltrainer sein Statement nach dem Eröffnungsspiel der Handball-Weltmeisterschaft in englischer Sprache abzugeben hatte - nur die Gratulation an den Gegner und "die tolle Kulisse" ging ihm flüssig über die Lippen. Mit der Einschätzung der Leistung seines Teams war der 46-Jährige noch sichtlich beschäftigt: "Es war erwartet schwer und ein enorm wichtiger Sieg, ich bin einfach nur froh."

Denn Frankreich, der Olympiasieger, hatte Polen mit 26:24 (14:13) bezwungen, allerdings nicht überzeugt. Vielmehr geriet das Ensemble dieser Weltklassespieler gegen den Co-Gastgeber in arge Nöte. Die Polen ließen sich von den offiziell 9999 Zuschauern in der Spodek-Arena in Kattowitz zu einer leidenschaftlichen und ansehnlichen Leistung antreiben, waren bis zum Zwischenstand von 21:21 gut zehn Minuten vor dem Ende nahe an der Überraschung.

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Aber die Franzosen sind eine jener Mannschaften, in deren Reihen sich Spieler befinden, die in solch kniffligen Momenten das Richtige tun. Wie Kentin Mahé, 31, der alle seine Siebenmeter sicher verwandelte und mit fünf Treffern bester Schütze war. Wie Nikola Karabatic, 38, der sich zwar nicht als Torschütze hervortat, aber mit all seiner Erfahrung aus neun WM-Teilnahmen das Spieltempo diktierte. Erst trieb er die Kollegen bei den überfallartigen Kontern nach vorne, in der engen Schlussphase nahm er mit Einzelaktionen Zeit von der Uhr. Oder wie Dika Mem, 25, der mit seinen Würfen die Verantwortung übernahm.

Frankreichs Torhüter Vincent Gerard ist im entscheidenden Moment zur Stelle. Kommende Saison spielt er in Kiel

Der spielentscheidende Faktor war die kompromisslose Abwehrarbeit um Torhüter-Routinier Vincent Gerard. Der 36-Jährige gibt den Kollegen Sicherheit und war in der heikelsten Phase mit seinen Paraden zur Stelle. Nicht umsonst hat ihn der THW Kiel auserkoren, die in der kommenden Saison frei werdende Stelle von Welthandballer Niklas Landin zu besetzen, der aus familiären Gründen zum dänischen Spitzenklub Aalborg in seine Heimat wechselt.

All diese Akteure gewannen Weltmeisterschaften und Olympisches Gold und sind seit Jahren bei europäischen Topvereinen unter Vertrag. Nationaltrainer Gille, schon als Aktiver ebenfalls mit allen wichtigen Titeln dekoriert, hat einen hochklassigen und breiten Kader zur Verfügung, dessen Großteil im besten Handballalter von Mitte zwanzig ist, wie etwa Spielmacher Nedim Remili, 27, der bei der WM den ersten Titel des besten Spielers einer Partie einheimste. Zudem werden Rückraumtalente wie Melvyn Richardson, 25, oder Thibaud Briet, 23, zusehends erfolgreich in den Kader integriert. Wer bei diesem Turnier Weltmeister werden will, muss erst mal an den Franzosen vorbei.

Dennoch bleiben Dinge, die es zu verbessern gibt, wie Karabatic auf Deutsch einräumte, man habe "vor allem im Angriff noch einiges verkackt". Mit der Defensive war er zufrieden, wie auch mit der "besonderen Atmosphäre" in der ausverkauften Arena. Selbige inspirierte die individuell unterlegenen Polen, bei denen das Gros der Akteure ebenfalls bei europäischen Topvereinen spielt, zu einer leidenschaftlichen und kämpferischen Leistung. Zweimal holten die Polen einen deutlichen Rückstand auf, vor allem die Paraden von Torhüter Adam Morawski, der beim Bundesligisten MT Melsungen unter Vertrag steht, hielten die Polen im Spiel.

Der engagierte Auftritt des Außenseiters könnte ein Muster für die deutsche Mannschaft sein, wie man im möglichen späteren Turnierverlauf einem vermeintlich überlegenen Favoriten wirksam zu Leibe rückt. Der DHB-Tross landete planmäßig am Donnerstag um 12.08 Uhr in Kattowitz und steigt dort am Freitagabend (18 Uhr) gegen Katar ins Turnier ein.

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