Start der Handball-EM:Weltrekord im Fußballstadion

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Handball im Fußballstadion: Gab es schon mal, aber noch nie vor so vielen Zuschauern. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

53 000 Zuschauer, so viele haben noch nie ein Handballspiel verfolgt. Das EM-Eröffnungsspiel der Deutschen gegen die Schweiz in Düsseldorf wird ein Spektakel - und es erhöht den Druck auf die DHB-Handballer zum Start des Heimturniers noch mehr.

Von Carsten Scheele

Es fiel den Protagonisten beim Deutschen Handballbund (DHB) in den vergangenen Tagen immer schwerer, das Eröffnungsspiel der Europameisterschaft in Deutschland an diesem Mittwoch als normales Handballspiel anzukündigen. Deutschland gegen die Schweiz - ach, das habe es schon zigmal gegeben, hieß es. Das Spielfeld sei "auch nur 40 mal 20 Meter groß", sagte Bundestrainer Alfred Gislason. Wie in einer normalen Turnhalle also. Er lachte - der Isländer ahnte schon, dass dieser Vergleich der Realität nicht standhalten wird.

Denn es wird kein normales Handballspiel am Mittwochabend, überhaupt nicht. Es wird eine Partie in einer neuen Dimension, denn dieser EM-Auftakt des DHB-Teams findet in einem Fußballstadion statt. Mit Anpfiff um 20.45 Uhr wird es in die Rekordbücher eingehen, als das Spiel mit den meisten Zuschauern, die je ein Handballspiel gesehen haben. Um die 53 000 Fans werden in der Düsseldorfer Arena anwesend sein - Bahnstreik und Bauernprotesten zum Trotz. Die alte Bestmarke, aufgestellt am 6. September 2014 in der Frankfurter Arena, lag bei 44 189 Zuschauern und wird deutlich übertroffen.

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Zum Vergleich: In Deutschlands größte Halle, in der die Bundesligaklubs spielen, passen bei den Rhein-Neckar Löwen in Mannheim rund 13 000 Fans. Nun also auf einen Schlag 40 000 Menschen mehr. "Ich glaube, es wird überwältigend, wenn wir hier einlaufen", sagte DHB-Kapitän Johannes Golla. Auch Timo Kastening erklärte: "Vor mehr als 50 000 Leuten Handball spielen zu dürfen, hätte ich als kleines Kind nicht für möglich gehalten."

Die Partie ist ein logistisches Riesenprojekt, nur für ein einziges Handballspiel

Damit am Mittwoch keine bösen Überraschungen warten, hat sich die deutsche Delegation hinter den Kulissen frühzeitig mit den Auswüchsen dieses Weltrekordspiels beschäftigt, vor allem mit der Atmosphäre: Die Zuschauer sitzen nicht so nah am Spielfeld; hinter den Toren ist mehr Platz; insgesamt ist das ganze Ambiente weitläufiger als in den Hallen, in denen die Nationalspieler sonst auftreten. Es werde "spannend, wie lange es dauert, bis die Reaktion der Zuschauer bei uns auf dem Feld unten ankommt", sagte Kapitän Golla. Sicherheitshalber sind die deutschen Handballer schon am Sonntag nach Düsseldorf gereist, um möglichst viel Zeit auf dem Feld zu verbringen und viele Bälle auf das Tor mit dem Freiraum dahinter zu werfen. Zwei Stunden dauerte die Trainingseinheit am Dienstag in der leeren Fußballarena.

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Dort konnten die Spieler sehen, was in den vergangenen Tagen alles bewerkstelligt wurde: Der Rasen wurde abgedeckt, 50 Sattelschlepper haben Material angeliefert, 9000 Extrasitze wurden verbaut, riesige Videobeamer montiert, 25 Kilometer Kabel verlegt - ein logistisches Riesenprojekt, nur für ein Handballspiel. Der Druck auf die junge deutsche Mannschaft, von der beim Heimturnier der Einzug ins Halbfinale erwartet wird, wird so noch größer. Zumal sie dieses deutsche Eröffnungsspiel gegen keinesfalls zu unterschätzende Schweizer gewinnen sollte, um gute Chancen auf den Einzug in die Hauptrunde zu haben. "Niemand weiß, was da so richtig auf uns zukommt", sagte Spielmacher Juri Knorr, auf dessen Urteilsvermögen und Regie es besonders ankommt: "Es wird schon krass werden." Alle hoffen, dass die Nerven wirklich halten.

Auch der Bundestrainer hat eine Sorge, sie betrifft aber nicht das Nervenkostüm, sondern die Arbeitstemperatur seiner Spieler. Es werde "hoffentlich nicht zu kalt in der Halle", sagte Gislason. Muskelverletzungen in den ersten Minuten dieser Heim-EM möchte er seinen Spielern und auch sich selbst ersparen. Das Dach in der Arena wird zwar geschlossen sein, aber zur Anwurfzeit werden in Düsseldorf dicke Minusgrade erwartet.

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