Türkei:Bloß nicht Hakan Sükür erwähnen

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Kral - König - nannten sie Sükür einst in der Türkei. Doch das ist vorbei. (Foto: imago)

Ein türkischer Kommentator wird noch während eines WM-Spiels ausgetauscht, weil er den Namen des erfolgreichsten Torschützen des Landes erwähnt. Wer das tut, muss in der Türkei mit Konsequenzen rechnen.

Von Felix Haselsteiner

Mit einem frühen Tor von Hakim Ziyech in der vierten Spielminute hatte die Partie zwischen Marokko und Kanada am dritten Gruppenspieltag der WM begonnen. Das erinnerte Alper Bakircigil an eine der Sternstunden des türkischen Fußballs. "Das früheste Tor bei einer Weltmeisterschaft, daran sollte man erinnern, wurde einst von Hakan Sükür erzielt", sagte er im Live-Kommentar des türkischen Senders TRT. Eine ganz normale Aussage eines Kommentators, der eine Referenz zum eigenen Land herstellen will, das bekanntlich nicht am Turnier teilnimmt. In den sozialen Medien allerdings löste er damit Entrüstung aus, zumindest sahen das die Verantwortlichen des Fernsehsenders so.

Die zweite Halbzeit nämlich kommentierte Bakircigil nicht mehr, für ihn sprang sein Kollege Cüneyt Kiran ein. Denn wer Hakan Sükür erwähnt, muss in der Türkei mit Konsequenzen rechnen.

Kral - König - nannte man Sükür einst, weil er im Laufe seiner Karriere der beste Torschütze der SüperLig und der türkischen Nationalmannschaft wurde. Bei der Weltmeisterschaft 2002 war der Stürmer ein wichtiger Bestandteil der erfolgreichen Türken, die überraschend erst im Halbfinale an Brasilien scheiterten. Im Spiel um Platz drei gegen Südkorea schließlich traf Sükür nach elf Sekunden zum 1:0 - bis heute ein Rekord.

Bakircigil bekam wohl "nur" eine Verwarnung von seinem Arbeitgeber

Mittlerweile jedoch darf man seinen Namen nicht mehr straffrei im türkischen Fernsehen erwähnen. Sükür ging nach seiner Karriere in die Politik, und zwar als Repräsentant der Präsidentenpartei AKP. Diese verließ er allerdings Ende 2013 und distanzierte sich von ihr. Grund war das radikale Vorgehen gegen die Oppositionsbewegung von Fethullah Gülen. 2016 schließlich wurde ihm aufgrund von mutmaßlich bei Twitter getätigten Aussagen gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan und dessen Sohn Bilal Präsidentenbeleidigung vorgeworfen; einen tatsächlichen Nachweis dafür gibt es nicht. Sükür hielt sich zu diesem Zeitpunkt - ein Jahr nach dem gescheiterten Putschversuch, mit dem Erdogan ihn ebenfalls in Verbindung gebracht hatte - ohnehin längst im Exil in den USA auf, wo er zuletzt als Uber-Fahrer arbeitete, wie er 2020 in einem Welt-Interview berichtete. Sein Vermögen in der Türkei sei eingefroren, sagte Sükür damals.

Ähnliches gilt auch für seinen Namen. Kommentator Bakircigil bekam laut Medienberichten "nur" eine Verwarnung von seinem Arbeitgeber und wurde nicht umgehend entlassen, wie zwischendurch auf einem Fake-Account unter Bakircigils Namen auf Twitter zu lesen war. Gegenüber dem Sender Tele 1 sagte ein anonymer TRT-Mitarbeiter aus, man habe in der Übertragung entschieden, dass die Aussagen des Kommentators unangemessen waren und der Aufruhr in den sozialen Medien berechtigt. Bakircigil, so der Tenor nach der Verwarnung, dürfe so einen Fehler einfach nicht noch einmal machen.

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