Jahresabschluss der Nationalmannschaft:Eingecheckt, ausgecheckt

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Sensibles Themenfeld vor dem Länderspiel: Bundestrainer Hansi Flick muss keine Fragen zu Liechtenstein oder der Ehrung seines Vorgängers Jogi Löw beantworten, sondern zur Corona-Impfung. (Foto: Darius Simka/regios24/imago)

Vor den abschließenden Länderspielen des Jahres ist Hansi Flick zum Improvisieren gezwungen. Und alle wollen wissen, wie der Bundestrainer künftig mit nicht-geimpften Nationalspielern umgeht.

Von Philipp Selldorf, Wolfsburg

Es habe "viel Hektik" gegeben seit der Ankunft in Wolfsburg anderthalb Tage zuvor, berichtete Hansi Flick am Mittwochvormittag. Mit der sportlichen Herausforderung - dem nur noch statistisch relevanten WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein - hatte die Geschäftigkeit im Teamhotel nicht viel zu tun, es war die hohe Verkehrsfrequenz an der Rezeption, die für Stress im Trainer-Büro sorgte. "Wir haben viele Spieler eingeladen - und viele Spieler haben uns gleich wieder verlassen", bilanzierte der Bundestrainer mit einem gewissen Schmunzeln - das hat es ja auch noch nicht gegeben, dass binnen 24 Stunden acht Nationalspieler umständehalber auschecken mussten, während im Gegenzug vier spätberufene Profis die Zimmer der abgereisten Kollegen übernahmen.

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Außer der vierköpfigen Gruppe, die im Gefolge des positiv auf das Corona-Virus getesteten und umgehend separierten Niklas Süle auf den Heimweg geschickt wurden, mussten auch die angeschlagenen Florian Wirtz und Nico Schlotterbeck passen. Am Dienstagabend nach dem ersten Training meldete sich schließlich noch Julian Draxler wegen einer Muskelblessur ab. Der 27 Jahre alte Rückkehrer, der als gehobene Aushilfskraft bei Paris St. Germain nur gelegentlich in Aktion treten darf, dürfte noch ein wenig enttäuschter gewesen sein als die übrigen verhinderten Kollegen: Ein Jahr lang war er zuvor nicht mehr berufen worden - und geriet nun in eine Mission, die unter unglücklichen Vorzeichen zu stehen scheint. Mittlerweile, meinte Flick, sei man aber wieder "zurück in der Normalität".

Impfen sei "der einzige Weg aus der Pandemie", sagt Hansi Flick

Das Ausrufen eines gewohnheitsmäßigen Alltags drückte wahrscheinlich auch ein gewisses Wunschdenken aus. Von Normalität kann ja dieser Tage keine Rede mehr sein. Flick dürfte es nicht überrascht haben, dass sich die Fragen auf der Pressekonferenz weder auf das Treffen mit Liechtenstein noch auf die vor dem Spiel stattfindende Ehrung seines Vorgängers Jogi Löw richteten. Stattdessen ging es vor allem um den Umgang des Profi-Fußballs mit der Epidemie, ums Impfen und ums Nicht-Geimpft-Sein und eventuelle künftige Normen im Spielbetrieb.

Flick wies keine Frage ab und fand auf geradem Weg seine Route durch das sensible Themenfeld. Einerseits nahm er seinen hochgeschätzten Schüler Joshua Kimmich in Schutz, den prominentesten nicht-geimpften Fußballer der Nation, indem er erklärte, man dürfe sorgenvolle Mitmenschen "nicht verurteilen". Andererseits bekannte er sich zu seiner persönlichen Überzeugung, "dass Impfen der einzige Weg aus der Pandemie" sei: "Wir Fußballer sollten uns impfen lassen", empfahl er und begründete den Appell mit der öffentlichen Geltung der Branche und einer damit einhergehenden "Riesen-Verantwortung". Flick will daraus aber nicht das Gebot ableiten, bei den nächsten Zusammenkünften nur noch geimpfte Spieler einzuladen. Warum auch? Die nächste Länderspielrunde findet im März statt - nicht mal ein deutscher Fußball-Bundestrainer weiß, wie die Welt dann aussehen wird.

Der Stürmer Nmecha dürfte in Wolfsburg sein Debüt geben

Die personellen Improvisationen, die dem Nationalteam aufgezwungen wurden, nimmt nicht nur der Bundestrainer gelassen. Thomas Müller sieht dadurch einen neuen Reiz für die nicht unbedingt überwältigend großen Aufgaben der nächsten Tage. "Es macht ja auch irgendwie Spaß, auf Hindernisse zu reagieren und damit klarzukommen", sagte Müller, ohne dass er deshalb Grund zu Bedenken sah: "Wir haben trotz der Ausfälle eine bessere Besetzung als unsere kommenden Gegner." Nach Liechtenstein folgt die Reise zum finalen Qualifikationsspiel in Armenien.

Gegen die beiden Außenseiter wird besonders ein kreatives Offensivspiel gefragt sein, für den Neuling Lukas Nmecha bietet sich somit gleich doppelt Gelegenheit, Eindruck zu machen. Außer den heimgeschickten Jamal Musiala und Serge Gnabry fehlt auch Timo Werner im deutschen Aufgebot, umso mehr Platz bleibt für den Mittelstürmer des VfL Wolfsburg. Dem "Idealbild" des seit Jahren dringend vermissten Torjägers im Strafraum komme Nmecha "sehr nahe", hat Müller beim ersten Training bereits erkannt.

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