FC Barcelona:Der Sanierer geht schon wieder

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Der Sanierer geht: Ferran Reverter bei der Vorstellung der erschütternden Geschäftsbilanz des FC Barcelona. (Foto: Alejandro García/Agencia EFE / Imago)

Ferran Reverter ist als Barça-Vorstandschef zurückgetreten - wegen unüberbrückbarer Differenzen mit Präsident Laporta. Vom "zweitschwersten Erdbeben" der Klubgeschichte ist die Rede.

Von Javier Cáceres

Der FC Barcelona wird von einer neuerlichen Führungskrise erschüttert. Ferran Reverter, der in Deutschland rekrutierte Vorstandsvorsitzende des Klubs, hat nur acht Monate nach Amtsantritt seinen vorzeitigen Abschied angekündigt. Die katalanischen Medien reagierten geschockt. Reverters Demission sei das "zweitschwerste Erdbeben" in der Geschichte des Klubs, schrieb die Zeitung La Vanguardia - nach dem Abschied von Vereinsikone Lionel Messi im vergangenen Sommer.

In einer Klubmitteilung wurde Reverter so zitiert, dass er aus persönlichen Gründen gehe. Er wolle mehr Zeit für seine Familie haben und sich persönlichen Projekten widmen, hieß es. Laut übereinstimmenden Medienberichten jedoch traten zuletzt immer größere Meinungsverschiedenheiten mit Präsident Joan Laporta über die künftige Ausrichtung des krisengeplagten Klubs zutage. Die Zeitung El Periódico de Catalunya griff einen alten, erfolgreichen Werbespruch des Unternehmens MediaMarkt auf, dem Reverter vor seiner Verpflichtung durch Barça in Deutschland als CEO zu Diensten gewesen war: "Yo no soy tonto", zu deutsch: "Ich bin doch nicht blöd."

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Reverter, 49, blieb seit seiner Ankunft in Barcelona ein Mann von überschaubarer medialer Präsenz. Im Oktober aber präsentierte er sich der Öffentlichkeit als die Inkarnation der Seriosität, indem er Barças berühmte Rechnungsprüfung vorstellte, die ein markerschütterndes Ergebnis ans Licht brachte: Schulden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Reverters Auftritt überstrahlte allerdings, dass er der entscheidende Faktor bei einer historischen Entscheidung des Klubs gewesen sein soll: beim in letzter Minute erwirkten Verzicht auf die Vertragsverlängerung von Klubikone Messi. Der Argentinier wechselte zu Paris Saint-Germain, nachdem sein neuer Barça-Vertrag unterschriftsreif vorlag.

Zugleich wurde Reverter eine entscheidende Rolle bei der Aushandlung des 525-Millionen-Euro Kredits von der US-Investmentbank Goldman Sachs zugeschrieben. Er entwickelte darüber hinaus einen harten Sanierungsplan, der Barça wieder flott machen soll und Grundlage dafür war, dass der Klub im Januar an Neuverpflichtungen wie die der Stürmer Ferran Torres und Pierre-Emerick Aubameyang denken konnte. Zum Plan gehört die Erschließung neuer Erlösquellen, die Barcelona wieder zu einem Faktor am Transfermarkt machen sollen. Der Verein träumt noch immer davon, im Sommer den Dortmunder Torjäger Erling Haaland zu verpflichten.

Verramschte Barça die "Title Rights" am neuen Stadion, als Reverter in den USA weilte?

Der Rücktritt Reverters kam umso überraschender, weil die Schlagzeilen der vergangenen Tage einem neuen Werbevertrag galten, den der Top-Manager federführend ausgehandelt hatte: Barça steht unmittelbar vor der Vorstellung eines neuen Trikotpartners: der Streaming-Plattform Spotify. Medienberichten zufolge soll der Klub für die Brustwerbung bis ins Jahr 2025 pro Saison 57,5 Millionen Euro erhalten. Doch ausgerechnet dieser Deal soll nun zum Zerwürfnis geführt haben.

Denn während sich Reverter auf einer USA-Reise befand, um Investoren für den milliardenschweren Umbau des Vereinsgeländes anzuwerben, soll der Klub den Werbevertrag um Klauseln erweitert haben, die alles andere als nach dem Geschmack Reverters gewesen sein sollen. Nach dessen Ansicht habe der Klub Spotify Werte unterverkauft. Dabei ging es unter anderem um die so genannten "Title Rights" des Stadions.

So soll die legendäre Heimstätte Barcelonas in Zukunft "Camp Nou Spotify" heißen. Dem schwedischen Internet-Unternehmen werden dafür aber kaum mehr als fünf Millionen Euro pro Jahr berechnet. Das wäre nur ein Bruchteil jener Summe, die Real Madrid für die Namensrechte des Bernabéu-Stadions erhalten wird. Divergenzen soll es auch über ein kleines Werbebanner auf dem Ärmel des Barça-Triktos gegeben haben. Reverter hatte laut der Zeitung El País einen Bitcoin-Betreiber an Land gezogen, der bereit sei, 30 Millionen Euro zu zahlen. Laporta jedoch soll den möglichen Werbepartner als unseriös abgelehnt haben.

Schon zuvor hatten einige Episoden Fronten zwischen dem Sanierer Reverter sowie Laporta und dem harten Kern dessen Umfelds aufgezeigt. Gleich zu Beginn von Reverters Amtszeit gab es Hinweise darauf, dass zwischen den beiden Lagern kulturelle Unterschiede herrschten. So hatte es am Rande des Trainingslagers der Mannschaft in Süddeutschland ein Vizepräsident für nötig befunden, zum Abendessen zwei Weinflaschen á 350 Euro zu bestellen - und er wollte die Rechnung beim Klub einreichen.

Zuletzt häuften sich auch Verpflichtungen hochrangiger Mitarbeiter, die sich vor allem durch ihre persönlichen Beziehungen zur Vereinsführung auszeichnen. Exemplarisch dafür war die Besetzung des neu geschaffenen Postens für Diversität und Inklusion - er wurde Laportas Schwester Marta anvertraut. Die Leitung der Vereinsstiftung liegt in den Händen von Laportas Cousine Marta. Auch nach der Vergabe der Leitung des Marketing-Projektbereichs an einen Geschäftspartner von Vizepräsident Rafa Yuste soll Reverter seine markanten Augenbrauen gewölbt haben.

Reverter galt als Befürworter der Super League - und war auch deshalb im Klub als U-Boot von Real Madrids verschrien.

Für Grundsatzdiskussionen sorgte außerdem, dass sich Reverter - genau wie Real Madrid - dagegen sträubte, den Deal des spanischen Ligaverbandes LFP mit dem US-Investmentunternehmen CVC mitzutragen. Der Deal hätte dem FC Barcelona Millionen-Einnahmen beschert und damit auch Spielraum für Transfers verschafft. Barça hätte im Sommer sogar Messi weiterbeschäftigen können, ohne gegen die Sparauflagen der Liga zu verstoßen.

Auch bei anderen Kontroversen galt Reverter als Alliierter von Real - vor allem bei der geplanten Gründung der "Super League" als Konkurrenzveranstaltung zur Champions League des Europa-Verbands Uefa. Spaniens Ligaverbandschef Javier Tebas nannte Reverter recht unverhohlen einen "Mann von Real-Präsident Florentino Pérez".

Reverter soll sich auch für eine Ausgliederung der Profiabteilung Barças nach dem deutschen 50+1-Modell eingesetzt haben. Angeblich war auch die Umwandlung des mitgliedergeführten Klubs in eine Aktiengesellschaft für ihn nicht tabu. Möglich, dass Reverters Abschied nun an diesen Fronten für neue Entwicklungen sorgt.

Vorerst muss sich Laporta einen neuen CEO suchen - und der Flammen Herr werden. Denn "Barcelona brennt von innen", schrieb El País.

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