Fußball-Chefs Platini und Blatter:Zwei auf Crashkurs

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"Politische Machenschaften ziehen diese Reform in verschiedene Richtungen": Fifa-Präsident Sepp Blatter (rechts) und Uefa-Chef Michel Platini. (Foto: D. Cannon/Getty)

Michel Platini, Chef des europäischen Fußballverbands Uefa, konkretisiert seine umstrittenen Pläne für eine Winter-WM 2022 in Katar und muss sich immer öfter zu der Funktion seines Sohnes Laurent äußern, der bei der Qatar Sport Investment sein Geld verdient. Fifa-Präsident Sepp Blatter eröffnet das Jahr mit diffuser Kritik am Profifußball in den USA.

Von Thomas Kistner

Die Granden des Weltfußballs haben sich positioniert im neuen Jahr. Sepp Blatter und Michel Platini wählten dafür die Plattform am Golf, allmählich ist dieser Ort schon eine Selbstverständlichkeit, der globale Kickerbetrieb wird sich daran gewöhnen müssen.

Platini, Chef der europäischen Fußball-Union Uefa, propagierte einen konkreten Terminvorschlag für die WM 2022 in Katar - wobei die Energie, die er seit Jahren in diese vorläufig völlig unerhebliche Frage investiert, Spekulationen nährt: über seine engen persönlichen Bande mit Katar und eigene Zukunftspläne. Zugleich ging Blatter, der Präsident des Weltverbandes Fifa, beim katarischen Sender Al-Dschasira auf Crashkurs mit dem amerikanischen Profifußball.

Diesem, rügte Blatter, sei es trotz Anschubhilfe durch die WM 1994 nicht gelungen, Fußball als relevante Profisparte in den USA zu etablieren. Dabei sei dies dort der beliebteste Jugendsport. Er habe gedacht, es sei "nur eine Frage der Zeit", bis Fußball in der amerikanischen Gesellschaft ähnlich stark verankert sei wie in anderen Ländern, sagte Blatter. Doch nun sei die WM dort "18 Jahre her, es hätte schon passiert sein müssen".

Blatters Aussagen zielten auf die Betreiber der Major League Soccer (MLS), die seinerzeit im Zuge des WM-Zuschlags gegründet werden musste. Die MLS habe bisher keine ernsthafte Profiliga geschaffen. Ein Kritikpunkt ist der Saisonplan des US-Fußballs - "oder Soccer, wie es hier heißt", wie Blatter süffisant anmerkte. Soccer läuft von März bis Oktober, und damit gegen den internationalen Fußballterminkalender, der von August bis Mai geht. Doch Soccer weicht eben auch der Saison der US-Football-League aus, schon, weil manche Klubs auf die Nutzung von Football-Stadien angewiesen sind.

Blatters Kritik an der MLS spart gewisse Funktionärskreise aus. Hauptverantwortlich für die Geschicke des US-Fußballs im beschriebenen Zeitraum waren die Fifa-Vorstände Chuck Blazer (USA) und Jack Warner (Trinidad & Tobago), deren Stimmpakete aus dem rund 40 Mitglieder starken Verband für Nord- und Mittelamerika, Concacaf, Blatter stets sicher waren. 2011 zerbrach das Bündnis zwischen Blatter und Concacaf-Chef Warner, letzterer paktierte damals mit Blatters Herausforderer für den Fifa-Thron, Mohamed Bin Hammam. Blazer schlug sich auf Blatters Seite und zeigte eine Korruptions-Orgie um karibische Funktionäre an, die Bin Hammam und Warner angezettelt hatten.

Mittlerweile teilen Blazer und Warner dasselbe Schicksal: Das FBI untersucht Geschäftspraktiken der beiden. Blazer, der trotz dürftiger Verfassung des US-Fußballs im New Yorker Trump Tower residiert und gern Stretch-Limousinen ordert, vergab als Concacaf-Generalsekretär die Marketingrechte des Verbandes an eine karibische Offshore-Firma, die ihm selbst gehörte. Praktischerweise war er zugleich auch Concacaf-Schatzmeister. Warners Skandalchronik reicht von Fifa-Fernsehrechten, die an ihn durchgereicht wurden, bis zu Millionendeals mit WM-Tickets, die über Familienmitglieder abgewickelt wurden. Ob Blatters langjährige Getreue zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren, um den US-Fußball entwickeln zu können?

Für Empörung in den USA hat Blatter jedenfalls gesorgt. Dort wird diskutiert, dass Blatter das Interview just jenem Sender gab, dessen Land Katar Schauplatz der Weltmeisterschaft 2022 ist - und so viel Bezug zum Fußball hat, dass die Stadien nach dem Finale abgebaut und ins Ausland verschenkt werden.

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Blatters mahnende Worte zu Amerikas Terminkalender streifen auch das, was sein neuer Intimgegner Platini gerade im Schilde führt. Der Chef der Uefa bastelt seinerseits am internationalen Fußballkalender herum, der ja den Pulsschlag für viele Länder des Globus vorgibt. Um die WM in Katar 2022 bei erträglichen Temperaturen durchführen zu können, trommelt Platini seit dem - auch von ihm selbst herbeigestimmten - WM-Zuschlag Ende 2010 massiv für die Verlegung des Turniers in die Wintermonate; zuletzt tat er das bei der Internationalen Sportkonferenz in Dubai.

Nun hat Platini bereits einen konkreten Terminvorschlag parat: Man sollte die WM "vom 20. November bis 20. Dezember 2022 spielen", und die laufende Saison anschließend statt im Mai erst im Juni beenden. "Es ist kein großes Problem - und für das Wohl der WM", sagte Platini im britischen Branchenblatt SportsProMedia. Tatsächlich bliebe nur das Jahresende 2022 als Termin - in den Wintermonaten Januar/Februar würde der Fußball mit den Olympischen Winterspielen kollidieren.

Platinis Hartnäckigkeit könnte dem Plan geschuldet sein, dass er 2015 Blatters Fifa-Thron erobern will. Bis dahin sollte eine Winter-WM in Katar gesichert sein, denn es ist unwahrscheinlich, dass ein neuer Uefa-Chef seine Amtszeit mit Debatten um diese unter Europas Klubs höchst unpopuläre Terminverlegung beginnen will.

Wie unausgegoren der Winter-Plan ist, zeigt schon der Umstand, dass er die WM-Vorbereitung für 32 Nationalteams ignoriert. Außer Frage steht, dass die Nationaltrainer Sturm liefen, müssten sie ihre Spieler ansatzlos im November aus dem nationalen Ligabetrieb zusammenrufen und ins WM-Turnier werfen - üblich sind mindestens fünf Wochen Vorbereitung auf das weltgrößte Sportereignis. Dies einkalkuliert, müsste laut Platini-Plan die WM-Pause Mitte Oktober beginnen. Dann aber dürften sich Profis, die nicht die WM spielen, auf ein erholsames Jahr freuen. Nach der fast zweimonatigen Sommerpause wären nach acht, neun Wochen Liga im Frühherbst schon wieder Ferien - und Sendepause bis Januar 2023.

Die enorme Dynamik, die Platini antreibt, könnte ein Blick auf die Profession seines Sohnes erklären. Laurent Platini ist angestellt bei der Qatar Sport Investment (QSI), Sportableger des superreichen Scheichtums. Platini muss sich immer öfter zu dieser Vernetzung äußern, in der er keinen Interessenskonflikt erkennen mag. Die ständige Debatte nervt ihn.

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So ähnlich, wie Sepp Blatter das anschwellende Kulissengejammer seiner Reform-Kommission nerven dürfte, die er beim Fifa-Kongress im Mai endlich auflösen kann - und die zu begreifen scheint, welche Feigenblatt-Funktion ihr zugedacht ist. Die Verbände des Fußballs in diesem famosen Reform-Stab vertritt übrigens Sunat Gulati, Chef des amerikanischen Verbandes USSF.

© SZ vom 03.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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