FC Liverpool in der Champions League:Bei Klopp ist Simeone ruhig wie eine Maus

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Teil des Ärgernisses des Spiels: Jürgen Klopp (rechts) musste seinen Angreifer Sadio Mane gegen Atletico Madrid vorsichtshalber rausnehmen. (Foto: Jon Super/AP)

Gegen Atlético setzt Liverpool seine starken Auftritte fort und wirkt dennoch, als sei mit dieser Elf noch wesentlich mehr drin - selbst ein notorischer Spielverderber hat Klopps Team nichts entgegen zu setzen.

Von Sven Haist, Liverpool

Nach seinem 200. Pflichtspielsieg als Trainer des FC Liverpool hätte es für Jürgen Klopp reichlich Gründe gegeben, um mit seiner Mannschaft an der Anfield Road auf eine Ehrenrunde einzubiegen. Der Deutsche weiß wie seine Spieler nur zu gut, wie man Erfolge gebührend zelebriert. Aber das Team scheint das nur noch zu ausgewählten Anlässen für angebracht zu halten.

Von den rauschhaften wie kräftezehrenden Europapokalpartys der Vorjahre hat der Klub wohl inzwischen selbst genug. Es wird nicht mehr an jedem Spieltag der Champions League steil gespielt und dann hinterher mit den eigenen Fans steil gegangen. Es ist nicht immer gleich Festtagsstimmung in Liverpool, wenn das Flutlicht angeht und die Hymne der Königsklasse ertönt. Am Mittwoch zog sich die Elf trotz des Jubiläumserfolgs für Klopp also direkt nach Abpfiff fast lautlos aus dem Stadion zurück.

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In der fünften Champions-League-Saison in Serie, seitdem Klopp vor sechs Jahren das Steuer übernommen hat, dürfen sich seine Spieler durchaus zu den Veteranen des Wettbewerbs zählen - und auf diese Weise erledigen sie neuerdings auch ihre Aufgaben. Durch das ungefährdete 2:0 über Atlético Madrid, den spanischen Meister, hat Liverpool die anspruchsvolle Vorrundengruppe mit dem FC Porto und dem AC Mailand gemeistert und steht im Achtelfinale. Erstmals in der Historie haben die Reds dabei ihre ersten vier Partien des Wettbewerbs gewonnen, wodurch ihnen der erste Platz nicht mehr zu nehmen ist.

Liverpools erdrückende Souveränität macht die Partie weitgehend belanglos

Selbst der notorische Spielverderber Atlético, dessen Trainer Diego Simeone mit kleineren und größeren Gemeinheiten die Reds vor anderthalb Jahren im Achtelfinale zu Fall gebracht hatte, konnte Liverpool nichts entgegensetzen. Das Massenblatt Sun fand, dass der aufbrausende Argentinier Simeone "so ruhig wie eine Maus" gewesen sei, als seine Mannschaft bereits "vor dem Halbzeitpfiff" erledigt worden wäre. Jeweils nach wunderbaren Flanken des Rechtsverteidigers Trent Alexander-Arnold erzielten die Angreifer Diogo Jota (13. Minute) und Sadio Mané (21.) die entscheidenden Tore.

Fast schon unterkühlt, weil immerzu mit Sinn und Verstand, spulte Liverpool das eigene Programm ab. Die Vorstellung wirkte, als hätte man mehrere Stufen der Leistungsfähigkeit zurückgehalten - im Gegensatz zu den vergangenen Spielzeiten, in denen das Team quasi in jedem Europapokal-Spiel, aus Übermut oder Notwendigkeit, bis an den Anschlag zu gehen schien. Fast entschuldigend gestand Klopp nun ein, dass die Leute gern "mehr Tore" gesehen hätten, weil ihm natürlich nicht entgangen war, wie viele Treffer seine Spieler gegen Atlético noch hätten nachlegen können, wenn es denn erforderlich gewesen wäre.

Liverpools erdrückende Souveränität machte die Partie weitgehend belanglos. Auch der sonst übliche Nervenkitzel im Stadion war nicht zu vernehmen - bis auf ein kleines Techtelmechtel um Mané, das Schiedsrichter Danny Makkelie mit einer Fehlentscheidung angezettelt hatte. Nach einem verweigerten Freistoß schubste Mané in der Anfangsphase seinen Gegenspieler; Makkelie zeigte ihm dafür überzogen die gelbe Karte. Sofort witterten die Atlético-Profis die Chance auf einen Platzverweis.

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Letztlich wurde aber nicht der zur Pause vorsichtshalber ausgewechselte Mané hinausgestellt, sondern Abwehrmann Felipe, der den Senegalesen ungeschickt an der Achillessehne traf (36.). Hinterher beanstandete Klopp, dass er Manés Auswechslung "mehr gehasst" hätte als man sich vorstellen mag. Wenn darin tatsächlich das Ärgernis des Spiels lag, ist in etwa beschrieben, wie es um Klopps Team gerade bestellt ist.

Für die Reds geht es nun darum, die Ressourcen zu schonen und sich bei Laune zu halten

Seit 25 Pflichtspielen (darunter alle aktuellen Saisonpartien) ist Liverpool nun ungeschlagen. Eine Serie, die der stolze Klub zuvor erst einmal hingelegt hat - 1982. Mit dem Champions-League-Sieg 2019 und der Meisterschaft 2020 hat sich das Team in Liverpool schon verewigt. Jetzt geht es einzig um die Größe des Vermächtnisses.

Darüber entscheiden wird die Anzahl an weiteren Titeln. Bis im Frühjahr ums große Ganze gespielt wird, geht es für die Reds vor allem darum, die Ressourcen zu schonen und sich bei Laune zu halten. Mit der Rückkehr der in der Vorsaison lange ausgefallenen Innenverteidiger Virgil van Dijk und Joel Matip hat die Abwehr zur gewohnten Stabilität gefunden, auch das Mittelfeld um die unverzichtbaren Jordan Henderson und Fabinho funktioniert wieder - und mit den Weltklasse-Stürmern Mané und Mohamed Salah stellen die Reds sowieso eine der besten Angriffsreihen der Welt.

In dieser Konstellation haben die Spieler in der Vergangenheit gemeinsam gewonnen und gemeinsam verloren, erlebt, wie es sich anfühlt, wenn alles für und alles gegen einen läuft. Diese Erlebnisse lassen Liverpool gerade fast vollkommen erscheinen - als könnte auch eine Mannschaft ihr bestes Fußballalter erreichen. Dem Team ist anzusehen, dass es genau weiß, was es möchte - und das ist sicherlich keine Sause im Herbst, nach dem erst vierten Spieltag der Champions League.

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