Fußball: Champions League:Gott gegen Gottes Sohn

Lesezeit: 3 min

"Ich liebe ihn": Das Champions-League-Finale zwischen Bayern und Inter Mailand wird vor allem ein Duell zwischen Louis van Gaal und José Mourinho - zwei Trainern mit einer besonderen Beziehung.

Johannes Aumüller

Inter Mailand oder FC Barcelona? Als die Bayern vor dem zweiten Halbfinale immer wieder einen Wunschgegner fürs Endspiel nennen sollten, gehörte Trainer Louis van Gaal zu der Fraktion, die sich nicht so recht entscheiden konnte. Denn eigentlich wünschte er sich den zum Vorbild auserkorenen FC Barcelona, weil man ja gegen Vorbilder immer besonders gerne spielt und siegt - doch ein besonders wichtiges Argument sprach eindeutig für Inter.

Ende der neunziger Jahre arbeiteten Louis van Gaal (links) und José Mourinho beim FC Barcelona zusammen. Nun stehen sie sich im Finale der Champions League gegenüber. (Foto: Foto: Reuters)

Sollten die Mailänder ins Finale kommen, so freute sich van Gaal, "dann machen José und ich eine schöne Pressekonferenz". Denn Inter-Coach José Mourinho ist bei den Auftritten nach dem Spiel ein ebenso großer Garant für Entertainment und Journalistenangriffe wie van Gaal selbst.

Nun ist es trotz der 0:1-Niederlage Inter geworden, und nicht nur wegen der zu erwartenden schönen Pressekonferenz steht Europas Fußball ein Champions-League-Finale bevor, in dem sich viel um die beiden Trainer drehen wird. Das liegt vor allem daran, dass der Niederländer und der Portugiese eine besondere Beziehung zueinander haben: Ende der neunziger Jahre arbeiteten sie für ein und dasselbe Team, und zwar ausgerechnet für jenes Team, das nun im Endspiel zuschauen muss: den FC Barcelona.

Von 1997 bis 2000 war van Gaal bei den Katalanen als Cheftrainer tätig und Mourinho als sein Assistent. Vom "Lehrmeister" van Gaal ist daher oft die Rede gewesen, doch eigentlich beschreibt dieses Wort nur unzureichend das Verhältnis dieser beiden. Denn van Gaal war für Mourinho mehr als irgendein x-beliebiger Chef, bei dem man sich das eine oder andere Detail abschaut; und Mourinho für van Gaal mehr als ein irgendein x-beliebiger Assistent, den man vor allem fürs Aufstellen der Hütchen braucht.

Als van Gaal bei Barcelona anfing, soll er darauf bestanden haben, dass Mourinho bleibt, und alsbald übertrug der knorrige Chef dem ebenso knorrigen Ko mehr und mehr Trainer-Aufgaben. Zuvor war Mourinho hauptsächlich als Übersetzer angestellt. Aber so wie van Gaal beim FC Bayern Thomas Müller, Holger Badstuber oder Diego Contento als Spieler fördert, so förderte er einst beim FC Barcelona auch José Mourinho als Trainer. Zugespitzt: Ohne van Gaal würde es einen Spitzentrainer Mourinho wohl gar nicht geben - und wäre die Fußballwelt um einige geniale und einige exzentrische Momente ärmer.

Ob dieses Arbeitsverhältnisses in den neunziger Jahren ist es erstens kaum verwunderlich, dass die Beziehung zwischen van Gaal und Mourinho auch heute noch eine besondere ist. "Noch ein Spiel, dann sehen wir uns", simste der Bayern-Trainer vor dem zweiten Halbfinale. Der FC Bayern sei für viele ein Vorbild, gab Mourinho zurück, und van Gaal ein Trainer, den er liebe.

Verfechter des Kollektivs

Zweitens ist aber auch nicht verwunderlich, dass sich die beiden in ihrer Art und ihrer Arbeit ziemlich ähneln. Beide polarisieren, weil sich beide für die Größten ihrer Zunft halten (und auch zu den Größten ihrer Zunft zählen). Mourinho erklärte in Portugal einmal, er komme "direkt hinter Gott", während van Gaal in München mit der - ironisch gemeinten - Bemerkung zitiert wurde, er sei wie Gott. Beide sind sie vom Erfolg besessen und arbeiten sehr akribisch, beide verfügen über die Gabe, einer Mannschaft in relativ kurzer Zeit ihre Handschrift zu verpassen und ein Spiel gut zu analysieren.

Ihre Fähigkeit zur taktischen Feinarbeit und ihre in dieser Frage ähnliche Veranlagung ließen sich beispielsweise in den vergangenen Champions-League-Wochen gut beobachten. Als Bayerns Franck Ribéry im Hinspiel gegen Lyon die rote Karte sah, stellte van Gaal seine Mannschaft so um, dass sie quasi ohne Stürmer spielte, dahinter aber die Räume eng besetzte und das Geschehen so trotz Unterzahl fest im Griff hatte. Und als am Mittwochabend Inter Mailand fast eine Stunde lang in Unterzahl spielen musste, agierten die Italiener fortan in einem System, das sich durchaus als 4-5-0 beschreiben ließ - mit ähnlichen Folgen wie van Gaals Entscheidung eine Woche zuvor.

Ihre Spielphilosophien mögen sich unterscheiden, doch das Duell van Gaal versus Mourinho zu einem Duell zwischen Offensivfußball und Catenaccio zu stilisieren, wäre nicht angebracht. Das Kollektiv und eine kompakte Organisation sind beiden wichtig. Gewiss legt der Bayern-Trainer wesentlich mehr Wert auf Ballbesitz, andererseits irren aber auch die Beobachter, die Mourinho als Verfechter eines ausschließlichen Zerstörer-Fußballs ansehen. Van-Gaal-Mannschaften agieren meist spielerisch feiner, Mourinho-Teams mit mehr Physis.

Doch diese und ähnliche Fragen dürfte das Duo bei seiner Pressekonferenz selbst klären.

© sueddeutsche.de/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern: Einzelkritik
:Küsse von van Gaal

Beim Sieg in Lyon feiern die Fans Ivica Olic, gibt Daniel Van Buyten den Indianer und kann es sich Arjen Robben leisten, blass zu bleiben. Die Bayern in der Einzelkritik.

Andreas Burkert und Moritz Kielbassa

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: