Bundesliga:Festtag am Dom: Köln schlägt Bremen 7:1

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Kölns Ellyes Skhiri (28) freut sich über sein Tor zum 6:1, rechts Doppeltorschütze Steffen Tigges. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Verrückter Bundesliga-Spieltag: Der 1. FC Köln trifft gegen Werder sieben Mal, der VfL Wolfsburg gegen Freiburg "nur" sechs Mal. Union dreht das Spiel gegen Hoffenheim, Schalke schaut nach unten.

Von Milan Pavlovic, Martin Schneider und Philipp Schneider

1. FC Köln - SV Werder Bremen 7:1 (5:1), Tore: 1:0 Linton Maina (9.), 2:0 und 3:0 Steffen Tigges (15., 21.), 4:0 und 6:1 Ellyes Skhiri (30., 54.), 5:0 Denis Huseinbasic (36.), 5:1 Niclas Füllkrug (38.), 7:1 Marco Friedl (76., Eigentor)

Manchmal fühlte man sich wie in einem Traum, für die einen ein schöner, für die anderen ein pechschwarzer Alptraum. Denn der Schlusspunkt dieses bewegten Samstags war etwas, dass es in der bald 60-jährigen Bundesliga-Geschichte noch nie gegeben hatte: Erstmals in seiner langen Historie kassierte Werder Bremen fünf Gegentore in einer Halbzeit, am Ende waren es sogar sieben. Genau genommen brauchte der 1. FC Köln nur 29 Minuten für die erste Handvoll Tore.

Und fast ulkig war, wie Bremen die ersten drei Treffer auf den Weg brachte: Beim 1:0 führte ein verpatzter Bremer Freistoß-Trick zu einem Konter, den Maina 18 Sekunden nach der Standardsituation versenkte. Beim 2:0 spielte Duksch einen schwachen Pass, Steffen Tigges war da, aber dessen großer Auftritt folgte noch. Beim 3:0 ließ sich der ehemalige Kölner Weiser den Ball in der eigenen Hälfte vom Fuß spitzeln. Torwart Pavlenka musste weit aus dem Strafraum eilen, um zu klären - aber der Ball kam postwendend in den Besitz von Tigges, der zwei Schritte machte, bevor er den Ball maßgerecht aus fast 50 Metern ins verwaiste Bremer Tor schoss. Kölns Stoßstürmer, der den Vorzug vor dem Wintereinkauf Selke erhalten hatte, war aber noch nicht satt. Er leistete bei zwei weiteren Toren die Vorarbeit - bei denen die Bremer zwar nicht frei von Schuld und Tölpelhaftigkeit waren, den Ball aber wenigstens Skhiri und Huseinbasic nicht direkt auflegten.

Fast direkt an die Kölner Feierlichkeiten schloss sich das erste Bremer Tor durch Niclas Füllkrug an, was einen Veitstanz von FC-Trainer Steffen Baumgart auslöste, der jede aufkommende Überheblichkeit und jeden verfrühten Gedanken an das nächste Spiel (am Dienstag in München) im Ansatz ersticken wollte. Das wirkte: Tigges scheiterte zwar zunächst am Pfosten und schoss kurz nach dem Wechsel freistehend über das Tor - aber dafür traf Skhiri nach einer schönen Flanke von Maina traumwandlerisch mit einem Seitfallzieher zum 6:1. Da hatten die Bremer lange genug zugesehen, also drückte Friedel eine Flanke über die eigene Torlinie zum ... ja, zum 7:1. Einziger Wermutstropfen für die Kölner: Kurz nach Baumgarts freiwilligen Wechseln (u.a. Selke für Tigges, der einigermaßen verdutzt guckte), musste der bärenstarke Skhiri wegen einer Fußverletzung vom Platz.

Eintracht Frankfurt - FC Schalke 04 3:0 (1:0), Tore: 1:0 Jesper Lindström (22.), 2:0 Rafael Borré (84.), 3:0 Aurelio Buta (90.+1)

Zu den ewigen Weisheiten des Fußballs gehört, dass abstiegsgefährdete Klubs vom Pech verfolgt werden, während den Teams an der Spitze die Sonne aus dem Ar...Ärmel scheint. Neuestes Beispiel für die Galerie: Das Spiel von Eintracht Frankfurt gegen den Tabellenletzten Schalke 04, das der neue Tabellenzweite aus Hessen mit 3:0 gewann.

20 Minuten lang sahen die stark ersatzgeschwächten Gäste gar nicht mal so schlecht aus. Dann machte sich Eintracht-Stürmer Lindström allein auf den Weg, verlud Gegenspieler Matriciani mit einem eher simplen Wackler und versenkte den Ball cool zum 1:0 (22.). Alles also wie erwartet? Überhaupt nicht. Die Gäste ignorierten den Spielstand und blieben frech vorwärtsgewandt, nervten die Hessen so sehr, dass man sich fragen konnte, welches der beiden Teams in der Champions League tätig ist. Doch Teroddes Kopfball wurde von Trapp an den Pfosten gelenkt (28.), Kazuki traf den Pfosten (32.), und Bülters Abschluss ging haarscharf am Pfosten vorbei (33.). Die zweite Halbzeit begann ähnlich: Kopfball Kazuki, Glanzparade Trapp (47.); Kopfball des unverschämt freien Terodde - drüber (54.).

Erst danach bekamen die Frankfurter das Spiel besser in den Griff, Schalke wurde müder, Borré imitierte Lindström und setzte den Ball ins entfernte Eck (84.), der eingewechselte Buta erhöhte auf 3:0 (90.+1). Was nutzte den Gästen die Einschätzung, dass sie nicht wie eine Mannschaft aussahen, die neun der vergangenen zehn Spiele verloren hat? Das ist vor allem dann nicht wahnsinnig tröstlich, wenn der Terminplaner zum Abschluss der Hinrunde nach Partien gegen den FC Bayern und Frankfurt ein Rendezvous mit RB Leipzig bereit hält.

VfL Wolfsburg - SC Freiburg 6:0 (3:0), Tore: 1:0 Patrick Wimmer (1.), 2:0 und 3:0 Jonas Wind (28., 37.), 4:0 Yannick Gerhardt (56.), 5:0 Ridle Baku (80.)

Im letzten Spiel vor der WM-Pause hatte der SC Freiburg den Konkurrenten Union Berlin filettiert, nach 45 Minuten stand es 4:0. Wie sich so etwas anfühlt, bekamen diesmal die Breisgauer zu spüren, denn nach 45 Minuten lagen sie beim VfL Wolfsburg 0:3 zurück.

Für beide Teams war die WM-Pause im Grunde zur falschen Zeit gekommen: Freiburg hatte nach der deftigen 0:5-Niederlage in München vier der abschließenden fünf Partien vor der Katar-Sause gewonnen, die Wolfsburger hatten sich sogar in sieben Spielen schadlos gehalten, fünf davon gewonnen und waren vom 17. auf den siebten Platz vorgerückt. Und es war keine Frage, welches Team on fire war: Schon beim ersten Angriff setzte sich Wimmer zwischen zwei Freiburgern durch und schob den Ball nach 59 Sekunden mit der Picke an Flekken vorbei zum 1:0. Freiburg wurde langsam warm, wurde aber ohne den erkrankten Vincenzo Grifo (Infekt) nur einmal gefährlich (Höfler scheiterte an Casteels, 17.), bevor Wind nach einer Vorlage von Wimmer das 2:0 erzielte (25.). Und weil es einer dieser Nachmittage war, hielt Wind in der 37. Minute sein Knie in eine flache Hereingabe und erhöhte sogar auf 3:0.

Wolfsburg blieb auch nach dem Wechsel hungrig und zeigte sich in jeder Hinsicht überlegen: spielerisch, taktisch und hinsichtlich des Einsatzes. Gerhardt tunnelte beim 4:0 gemeinerweise Freiburgs Keeper Flekken (56.), Baku zimmerte den Ball nach einem Freistoß zum 5:0 in den Winkel (80.), und Waldschmidt komplettierte die Demütigung mit einem Elfmeter in der Nachspielzeit zum 6:0 (90.+4).

VfB Stuttgart - FSV Mainz 05 1:1 (1:1), Tore: 1:0 Serhou Guirassy (36.), 1:1 Marcus Ingvartsen (40., Foulelfmeter)

Ein Punkt zum Auftakt: Bruno Labbadia holt gegen Mainz ein 1:1. (Foto: Tom Weller/dpa)

Er arbeite sehr penibel, das hatte Bruno Labbadia vor seiner Rückkehr auf eine Trainerbank in der Bundesliga nach zwei Jahren Unterbrechung angekündigt. Selbst seine Assistenztrainer seien manchmal von ihm genervt, "weil ich immer noch mal gucke, ob die Linien passen oder so was". Und was soll man sagen? Als Labbadia seine Stuttgarter am Samstag gegen Mainz aufs Feld schickte, da waren die Linien zum Glück auf beiden Seiten nicht so stimmig, dass die Munterkeit der Partie Schaden genommen hätte. Es ging hin und her, vor allem aber her, also in Richtung des Stuttgarter Tores. Dennoch schickte Wataru Endo nach 36 Minuten den Ball hart bedrängt durch die letzte Mainzer Verteidigungslinie, Serhou Guirassy löste sich aus dieser und schob sehenswert mit dem Außenrist ein. Mainz hätte einen Treffer zu diesem Zeitpunkt eher verdient gehabt - und erzielte kurz darauf zumindest den Ausgleich. Der Videoschiedsrichter hatte erkannt, dass Naouirou Ahamada bei seinem Klärungsversuch im eigenen Strafraum nur das Beim von Leandro Barreiro getroffen hatte; Marcus Ingvartsen schoss den fälligen Elfmeter ins linke Eck.

In der zweiten Halbzeit machte Stuttgart mehr Druck, aber zum eigentlichen Helden der zweiten 45 Minuten geriet die Latte: Erst klärte sie einen Schuss den Mainzers Aymen Barkok, dann einen von Guirassy. Die Mainzer erinnerten sich etwas zu spät daran, dass sie diese Partie noch hätten gewinnen können. Wenn die Linien bald noch etwas besser passen, könnte es was werden mit dem Stuttgarter Klassenerhalt.

1. FC Union Berlin - TSG Hoffenheim 3:1 (0:1), Tore: 0:1 Ihlas Bebou (44.), 1:1 und 2:1 Danilho Doekhi (73., 90.), 3:1 Jamie Leweling (90+6.)

Danilho Doekhi wird nach seinem Treffer zum 2:1 von den Teamkollegen begraben. (Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Zwischen den Schneeflocken im Osten Berlins entwickelte sich ein extrem munteres Spiel. Der 17-jährige Tom Bischof hätte die TSG schon früh in Führung schießen können, vergab aber aus exzellenter Position, kurz davor flog ein Volley von Sheraldo Becker über das Hoffenheimer Tor. Nach 25 Minuten bekam Union einen Elfmeter, weil Ihlas Bebou im Stile eines Basketball-Spielers mit ausgestrecktem Arm in eine Flanke sprang - sowas sieht man auch sehr selten. Jordan traf aber nur den Pfosten und Bebou machte seinen Blackout wieder gut, als er kurz vor der Pause nach einem Konter zum 1:0 traf. Kurz zuvor hatte schon Frederik Rönnow mit einer Parade eine frühere TSG-Führung verhindert.

Die zweite Halbzeit stand aus Union-Sicht zunächst unter dem Motto: Die Pille will nicht rein. Knoche, Haberer, Trimmel - alle schossen gut, aber alle schossen nicht ins Tor. Nach 11:0-Torschüssen im zweiten Durchgang köpfte schließlich Danilho Doekhi das überfällige 1:1 für die Eisernen. Und als alle dachten, dass Union auch wegen dieser zweiten Halbzeit den Sieg verdient gehabt hätte - köpfte Doekhi nach einer Trimmel-Ecke das Siegtor. Die Alte Försterei feierte im Schnee, Lewelings spätes 3:1 war nur noch der Katalysator der Party.

VfL Bochum - Hertha BSC 3:1 (2:0), Tore: 1:0 und 3:0 Philipp Hofmann (22., 56.), 2:0 Keven Schlotterbeck (45.), 3:1 Suat Serdar (87.)

Keven Schlotterbeck erzielte das 2:0 für den VfL. (Foto: IMAGO/kolbert-press/Marc Niemeyer/IMAGO/kolbert-press)

Ein Hauch von Japan wehte zu Beginn durch das Bochumer Ruhrstadion. Wobei, strenggenommen wehte nur die Erinnerung an das Spiel Japan gegen Spanien bei der vergangenen WM in Katar. Vor sieben Wochen hatte Kaoru Mitoma im Khalifa-International-Stadion zu Doha den Ball von der Auslinie in die Mitte zu Ao Tanaka gepasst, der ihn zur Führung ins Tor schoss. Der Treffer hielt der Überprüfung des Videoschiedsrichters stand, Japan gewann - und Deutschland schied aus. Am Samstag in Bochum flankte Herthas Jean-Paul Boetius sehr ähnlich aus dem Toraus in die Mitte, der Bochumer Saidy Janko fing den Ball ab, war mit ihm am Fuß schon wieder auf dem Weg in Richtung des Berliner Tors, ehe er das Spielgerät wieder verlor - und die Hertha das 1:0 erzielte. Der Videoassistent überprüfte daraufhin Boetius Flanke, ermittelte korrekt, dass der Ball im Aus gewesen war - und kassierte den Treffer. Aber war das Tor nicht kausal losgelöst von Boetius Flanke, weil sich dazwischen der Ansatz eines Bochumer Konters zugetragen hatte? Dann nämlich hätte der Videoschiedsrichter die Position des Balles vor der Flanke gar nicht mehr untersuchen dürfen.

Erst nach dieser strittigen Szene in der 12. Minute fanden die zuvor unterlegenen Bochumer ins Spiel; wie aus dem Nichts erzielte Philipp Hofmann die Führung, und kurz vor dem Halbzeitpfiff erhöhte auch noch der frisch vom SC Freiburg geliehene Keven Schlotterbeck. Selbst als die Gastgeber in der zweiten Halbzeit noch einen Konter wie aus dem Lehrbuch zum 3:0 folgen ließen, brach das nicht den Widerstandswillen der Hertha: Nach einer Berliner Ecke eroberten die Bochumer den Ball, Hofmann schickte Christopher Antwi-Adjei, der rannte los, als sei der Teufel hinter ihm her, hob den Kopf und spielte den mitgelaufenen Hofmann an. Der zog ab, traf zum zweiten Mal an diesem Tag - und verpasste seinen dritten Treffer nur knapp. Kurz vor Schluss schoss Hofmann noch mal über das Tor. Und Herthas Suat Serdar verdiente sich mit seinem Schuss zum 1:3 zumindest noch einen Fleißpunkt.

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