WM-Qualifikation:Es schüllert wieder

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Ein Tor nach dem anderen: Bayern Münchens Lea Schüller (Mitte) erzielt für die DFB-Frauen drei Treffer gegen die Türkei. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Fünfter Sieg im fünften WM-Qualifikationsspiel: Beim 8:0 gegen die Türkei trifft das deutsche Nationalteam der Frauen nach Belieben - erneut ragt Lea Schüller heraus.

Von Anna Dreher, Braunschweig/München

Dieses Mal durfte Felicitas Rauch die Ansprache im Mannschaftskreis halten, bevor es los ging. Die 25 Jahre alte Abwehrspielerin ist zwar nicht Kapitänin des deutschen Fußballnationalteams der Frauen. Aber sie spielt beim VfL Wolfsburg und ist in Peine aufgewachsen, beides nicht allzu weit weg vom Braunschweiger Stadion, auf dessen Rasen sie am Freitagnachmittag stand. Rauch ging etwas in die Hocke und während sie ihre Mitspielerinnen einstimmte, gestikulierte sie energisch. Die Arme gingen nach links, nach rechts und es sah ganz danach aus, als wollte sie vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei die letzten Hinweise für die entscheidenden Spielzüge geben: Du rennst nach rechts oder du kommst von links und dann du nach vorne und dann Tor!

Und es dauerte beim 8:0 (3:0) nicht lange, ehe die Taktik dann auch tatsächlich aufging. Sara Däbritz brachte den Ball von der linken Seite vors Tor, Lea Schüller kam angesprungen und mit ihrem rechten Fuß gerade noch so ans Leder, dass der Ball etwas kurios in einem hohen Bogen über die Linie segelte. Was auch deshalb gelang, weil die türkische Keeperin Selda Akgöz beim Verteidigen nicht energisch genug heraus kam. 46 Sekunden waren da gerade erst vorbei. Später wurde der Treffer noch als Eigentor von Kezban Tag gewertet - deren Bein beim Abschluss wie an Schüller festgeklebt wirkte, aber Co-Produktionen werden statistisch ja nicht erfasst.

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Schüller hatte sich schon beim Auftakt der WM-Qualifikation als zuverlässige Stürmerin in den Fokus gespielt. Beim 7:0 gegen Bulgarien zum Auftakt vor zwei Monaten traf die 24-Jährige zweimal, beim 5:1 gegen Serbien gelang der Stürmerin vom FC Bayern München ihr zweiter Viererpack fürs Nationalteam. "Lea hat diese Boxqualität. Sie hat im letzten dreiviertel Jahr viel in ihr eigenes Können investiert und an ihren Schwächen gearbeitet", sagte die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg danach - und konnte nun gegen die Türkei Ähnliches beobachten.

Die Deutschen spielen mutig, das Risiko, dafür bestraft zu werden, war aber eben auch gering

Denn ein paar Minuten nach dem ersten Treffer schüllerte es wieder - wie es in der Bundesliga nach ihren Toren längst heißt. Dieses Mal wurde der Ball von Innenverteidigerin Lena Oberdorf clever auf eine lange Reise die rechte Seite entlang geschickt, wo Svenja Huth lauerte - die auf der Außenbahn von den Gegnerinnen kaum einzufangen war. Sie schickte den Ball vors Tor, wo Schüller per Kopf zum 2:0 einnickte (10. Minute). Und kaum hatten die 2583 Zuschauer im Eintracht-Stadion aufgehört, Applaus zu klatschen und ihre Mützen und Schals wieder justiert, hatte Schüller erneut zugeschlagen, diesmal mit einer kleinen Drehung (11.).

Beeindruckt bei ihren Einsätzen mit erstaunlich kurzer Aufwärmphase: Sobald Jule Brand (rechts mit Berna Yeniceri) auf dem Platz steht, strahlt sie Gefahr aus. (Foto: Cathrin Müller/REUTERS)

Die Türkinnen waren völlig überrumpelt von diesem furiosen Start der Gastgeberinnen, sie kamen überhaupt nicht mehr zur Ruhe, geschweige denn zu einem eigenen Spielaufbau. Erst nach etwa einer halben Stunde hatten sie zwei Möglichkeiten, wirklich gefährlich wurden sie jedoch nie. Die Deutschen zeigten derweil jene Präzision im Passspiel und bei Spielzügen, die zuletzt bisweilen vermisst worden war. Und sie nutzten die Überforderung der Gegnerinnen, um mit viel Dynamik ihr Ding zu machen. Sie spielten mutig, das Risiko, dafür bestraft zu werden, war aber eben auch gering. "Wir haben nicht nachgelassen", sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. "Wir haben einen tollen Aufwand betrieben, uns aber nicht so dafür belohnt. Deswegen wollten in der zweiten Halbzeit noch was drauflegen."

Laura Freigang erzielt in ihrem zehnten Länderspiel ihr neuntes Tor fürs Nationalteam

Bei den folgenden Chancen fehlten bisweilen nur Zentimeter - und so dauerte es bis nach der Pause, bis wieder Applaus durchs Stadion schallte. Natürlich war Schüller daran beteiligt, dieses Mal spielte sie den entscheidenden Pass auf die eingewechselte Jule Brand, die in der 62. Minute aus kurzer Distanz problemlos abschloss. Die türkische Defensive kam gar nicht hinterher, so schnell ging es beim 4:0 und so schnell ging es auch beim 5:0, das quasi zur Kopie des vorherigen Treffers wurde. Nun nahm Brand den Ball mit viel Tempo auf, gab ab in die Mitte, Schüller traf (67.). Es war ihr 22. Tor im 33. Länderspiel. "Lea möchte die wichtigen Tore schießen, das ist gut für uns", sagte Voss-Tecklenburg. "Trotzdem wird es auch bei ihr spannend sein zu sehen, wie es läuft, wenn die richtigen Kracher in der Defensive auf sie zu kommen."

Gegen die türkische Abwehr jedenfalls ging es munter weiter: Brand bereitete wieder wunderbar vor, die kurz zuvor auf den Platz gekommene Laura Freigang vollendete in der 74. Minute und ergänzte ihre beeindruckende Torquote: Neunter Treffer im zehnten Länderspiel. 6:0, reichte das jetzt? Die Spielerinnen von Voss-Tecklenburg führten schon vor der Partie als ungeschlagener Tabellenführer die Qualifikationsgruppe H an, aber auch mit der ungefährdeten und komfortablen Führung hatten sie noch nicht genug.

Ein Angriff nach dem anderen wurde bis zum Schluss gestartet. In der 80. Minute trug sich Sjoeke Nüsken in die Liste der Torschützinnen ein, in der 88. Minute noch Klara Bühl mit einem schönen Freistoßtor. Und womöglich hätte Lea Schüller an diesem Nachmittag noch mal getroffen - wenn sie in der 72. Minute nicht ausgewechselt worden wäre.

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