Frauenfußball in England:Wenn die Liebe zum Problem wird

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Im Zentrum der Debatte: Emma Hayes, Trainerin des FC Chelsea (Mitte). (Foto: Piroschka Van De Wouw/Reuters)

Sind Partnerschaften im Frauenfußball statthaft? In England sind sich alle einig: Auf keinen Fall, sofern Trainer oder Manager beteiligt sind. Doch Chelsea-Coach Emma Hayes geht noch weiter - und erregt einen Aufschrei.

Von Sven Haist, London

Wie bei so vielen Debatten zur Professionalisierung ihres Sports steht Emma Hayes auch im Zentrum des aktuellen Themas in England: Liebesbeziehungen im Frauenfußball. Nachdem kürzlich der Trainer Willie Kirk von Leicester City, der angeblich eine Beziehung zu einer seiner Spielerinnen hatte, sein Amt ruhen ließ, wurden Hayes, die Trainerin des FC Chelsea, und deren Kolleginnen und Kollegen aus der Women's Super League (WSL) zur Akzeptanz solcher Liebschaften befragt. Durchgehend verurteilten sie zum Schutz aller Beteiligten Beziehungen zwischen Spielerinnen und Spielern zu den jeweiligen Trainern.

Die Antwort fiel immerzu gleich aus: Solche Verhältnisse seien in jeder Hinsicht nicht zu tolerieren. Am deutlichsten formulierten dies Lauren Smith und Carla Ward, die Trainerinnen von Bristol City und Aston Villa. Aus Sicht von Smith könne es bei Beziehungen von Trainern und Managern zu Spielerinnen im selben Klub "keinen Graubereich" geben. Deshalb sehe sie darin einen "Entlassungsgrund" bei Führungskräften, die dies missachten. "Ja, zu 100 Prozent", pflichtete Ward bei - denn solche Beziehungen stellten eine "komplette Ausnutzung der Macht" dar.

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Auch Hayes hält private Konstellationen dieser Art für absolut "unangemessen" - die Chelsea-Trainerin fügte allerdings noch hinzu, dass dies nach ihrem Ermessen ebenso für Beziehungen zwischen zwei Spielerinnen desselben Teams gelte. Sie begründete ihre Ansicht mit damit verbundenen Herausforderungen für den Coach: Eine Spielerin sei im Aufgebot, die andere nicht; die eine habe einen auslaufenden Vertrag, die andere nicht; oder die eine kämpfe mit der Partnerin um eine bestimmte Position im Team.

Hayes löste damit in England einen Aufschrei aus - auch innerhalb ihres eigenen Teams. In Englands WSL gibt es zahlreiche prominente Liebespaare, darunter das Chelsea-Duo Jessica Carter und Ann-Katrin Berger (deutsche Nationaltorhüterin). Lange Zeit spielten auch die liierten Nationalspielerinnen Magdalena Eriksson und Pernille Harder bei Chelsea, bis sie 2023 gemeinsam zum FC Bayern wechselten. Carter, 26, positionierte sich umgehend zumindest indirekt gegen die Auffassung ihrer Trainerin, indem sie kritische Social-Media-Beiträge mit einem Like versah. Zum Beispiel einen Kommentar, in dem die Aussage von Hayes als "jenseits des Wahnsinns" bezeichnet wurde.

Ein Problem für Spielerinnen: Bei Verfehlungen mangelt es an Meldemöglichkeiten

Nach den scharfen Reaktionen gab Hayes zu, sich mit ihrer Wortwahl "selbst im Stich gelassen" zu haben. Es sei "nicht richtig" gewesen, Beziehungen von zwei Spielerinnen als unangemessen zu bezeichnen, stellte die 47-Jährige klar. "Selbstverständlich" habe sie mit Carter und den anderen Spielerinnen über die Sache gesprochen. Sie nehme zwar nicht die Ansicht zurück, dass der Umgang mit Liebschaften im Team für einen Coach komplex sei. Aber sie wolle niemanden für irgendetwas kritisieren.

Diese Differenzierung ist von enormer Bedeutung. Denn viele Menschen lernen sich am Arbeitsplatz kennen, auch im Fußball. Aus Liebesbeziehungen zwischen Teamkolleginnen lässt sich keine Fragwürdigkeit ableiten. Liverpools Frauentrainer Matt Beard erklärte, er sehe diesbezüglich "keine Probleme". Für ihn sei einzig wichtig, dass sich ein Verhältnis nicht auf die Arbeit auswirke.

Eine saubere Trennung zwischen Berufs- und Privatleben scheint hingegen bei Verhältnissen zwischen Trainern und Spielern nicht möglich zu sein. Dabei ist der Interessenkonflikt ebenso von Belang wie das Machtgefälle. Beides lässt eine unbedenkliche Zusammenarbeit wohl nicht zu - schon die Einvernehmlichkeit der Beziehung ist oft schwer zu überprüfen. Das "größte Problem" sei für Spielerinnen der Mangel an Meldemöglichkeiten bei Verfehlungen, sagte Aston-Villa-Trainerin Ward. Sie vermutet, dass Leute "bestimmte Positionen ausgenutzt" haben.

Im stark expandierenden Frauenfußball können Trainer und Manager mit Personalentscheidungen weitreichenden Einfluss auf den Verlauf von Karrieren nehmen. Aus diesem Grund fordert der Daily Telegraph ein flächendeckendes Beziehungsverbot im Fußball, sobald ein "Machtungleichgewicht" vorhanden sei. Laut der Zeitung gibt es mindestens 36 solcher bedenklichen Beziehungen in den sechs englischen Frauenspielklassen. Auch Ward verlangt Klarheit: Wenn manche Leute "ungeschriebene Gesetze" - also das Nichteingehen von Trainer-Spieler-Verhältnissen - nicht berücksichtigen, dann sollten diese Regeln "vielleicht schwarz auf weiß" festgeschrieben werden.

Bisher sind Liebesbeziehungen zwischen Spielerin und Trainer im englischen Fußball nicht grundsätzlich verboten, es sei denn, Minderjährige sind involviert. Allerdings können Beziehungen gegen die Verhaltensvorschriften der Klubs verstoßen, die wiederum eine Bedingung für die Lizenzerteilung sind. Auf dieser Basis hat Sheffield United seinen Frauencoach Jonathan Morgan entlassen. Er war angeblich auf einer seiner Stationen eine Beziehung mit einer 17-jährigen Spielerin eingegangen.

Die jüngsten Entwicklungen halten den Druck gegenüber Vereinen und Verbänden aufrecht, die Normen weiter zu schärfen. Der Frauenfußball habe sich von einem "Amateur- zu einem Profisport" entwickelt, betont Emma Hayes, deshalb müssten Mindeststandards geschaffen werden, um die Spielerinnen zu schützen. In diesem Punkt dürfte ihr breite Zustimmung sicher sein.

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