DFB-Frauen beim Arnold Clark Cup:Abreise mit Fragen im Gepäck

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Schlussakt der Generalprobe: Englands Fran Kirby lässt Sophia Kleinherne (links) und Sara Däbritz (rechts) problemlos stehen und trifft zum 3:1. (Foto: Anna Gowthorpe/Shutterstock/imago)

Das wichtige Vorbereitungsturnier beendet das deutsche Nationalteam sieglos als Letzter. Angesichts der vielen Ausfälle ist das nicht überraschend - doch bis zur Europameisterschaft in England bleibt einiges an Arbeit.

Von Anna Dreher, Wolverhampton/München

Wollte sie denn gar niemand aufhalten? Oder konnte sie keine aufhalten? Fran Kirby hatte den Ball in ihrer, der englischen Hälfte dieses Fußballplatzes bekommen und war losgerannt, als ginge es um ihr Leben. Dabei ging es um ein Tor, das nicht mal mehr entscheidend war. Und wie sie in diesen verbleibenden Momenten der Nachspielzeit auf den Strafraum der deutschen Auswahl zustürmte, sagte nicht nur viel über sie, sondern auch einiges über ihr Nationalteam aus - und zeigte, woran es auf der anderen Seite fehlte. Die 28-Jährige vom FC Chelsea rannte und rannte, Sara Däbritz versuchte sie aufzuhalten, Sophia Kleinherne und Torhüterin Merle Frohms stellten letzte Hindernisse dar, aber Kirby zog ab und versetzte den Deutschen einen Stoß. Wie dieses 1:3 zustande kam, das vermieste ihnen einen bis dahin eigentlich ganz ordentlichen Auftritt.

Den "Arnold Clark Cup" in England wollten die deutschen Spielerinnen nutzen, um sich besser auf hohem internationalen Niveau einordnen zu können. Nach einer Reihe von Länderspielen, die sie kaum gefordert hatten, war das wenige Monate vor der Europameisterschaft (6. bis 31. Juli) auch dringend nötig. Aber eine richtige Einstufung ist kaum möglich gewesen.

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Die Auswahl von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wirkte talentiert und engagiert. Aber es war eben nicht die Besetzung, die eigentlich eine Art Generalprobe abhalten sollte. Insgesamt 14 Absagen waren im Vorfeld eingetrudelt, aufgrund von Verletzungen oder coronabedingt. Darunter, wie Voss-Tecklenburg am Mittwochabend nach dem Spiel gegen England nochmals erinnerte, viele Fußballerinnen, die sonst zum Stammpersonal gehören, etwa Dzsenifer Marozsan oder Alexandra Popp. "Wir können jetzt nur bedingt Aussagen zu unserer Mannschaft treffen, wenn wir davon ausgehen, dass von den fehlenden Spielerinnen ja doch einige sicher im EM-Kader sind", sagte die Bundestrainerin. "Aber wir haben viele gute Sachen gesehen und Spielerinnen, denen wir zuvor vielleicht nicht so zugetraut hätten, über lange Zeit auf diesem hohen Niveau so spielen zu können."

Das Angriffspressing der Engländerinnen bereitet den Deutschen Probleme, die Defensive kommt kaum hinterher

Das ist es wohl, was vor allem bleibt nach diesem Testturnier: wie sich junge, auf diesem Niveau unerfahrene Talente mit Verve hineinstürzten in jede Partie und versuchten, mit ihrer Dynamik die Offensive zu beleben oder mit ihrer Ruhe die Defensive zu stabilisieren. Wie schon gegen Spanien (1:1) und Olympiasieger Kanada (0:1) zeigte das DFB-Team mit erneut veränderter Startelf auch gegen England, dass es diesen starken und eingespielten Formationen durchaus etwas entgegensetzen konnte und zu Torchancen kam. Mithalten - das ging. Aber es gab sichtbar Mankos wie etwa, dass die Deutschen keine anhaltende Dominanz aufbauen konnten, die es bei der stark besetzten EM brauchen wird. "Woher", fragte die Bundestrainerin berechtigterweise, "soll sie aber auch kommen, wenn wir nicht oft auf diesem Niveau spielen?"

Kein Sieg, letzter Platz im Turnier: DFB-Torhüterin Merle Frohms und ihr Team konnten beim Arnold Clark Cup nicht so glänzen, wie erhofft - auch wegen zahlreicher Ausfälle. (Foto: Laurence Griffiths/Getty Images)

Die Engländerinnen traten vor 13 436 Zuschauern in Wolverhampton selbstbewusst und in physisch bester Verfassung auf. Ihr Angriffspressing bereitete den Deutschen Probleme, die Defensive - 2021 selten gefordert - kam kaum hinterher. Ellen White, die schon die vergangenen drei britischen Treffer gegen die DFB-Frauen erzielt hatte, nutzte die fehlende Zuordnung abgezockt zum 1:0 (15. Minute). Die Deutschen kamen zwar zu Offensivaktionen, beim Abschluss aber fehlten Präzision und Ruhe, ein wiederkehrendes Thema. "Wir werden geduldig weiter an uns arbeiten und ich bin mir sicher, dass wir zur EM bereit sind und dann solche Teams schlagen können", sagte Kapitänin Däbritz. Dann geht es in der Gruppenphase erneut gegen Titelfavorit Spanien, Dänemark und Finnland.

Lina Magull brachte den achtmaligen Europameister durch einen direkten Freistoß (41.) zurück ins Spiel. Aber wie Kirby (90.+3) nutzte zuvor bereits Millie Bright (84.) aus, dass die Gäste weit aufgerückt waren und bei Überfallaktionen nicht hinterherkamen. Sarina Wiegman, die seit September 2021 für die englische Nationalmannschaft verantwortlich ist und zuvor die Niederlande 2017 zum EM-Titel und 2019 ins WM-Finale geführt hatte, stellte dennoch fest: "Es war knapp. Deutschland ist ein sehr starkes, sehr schnelles Team und sie haben viele Spielerinnen vermisst."

Während sie den Turniersieg bejubeln konnte, hieß es für die Deutschen nun mal: kein Sieg, Vierter von Vieren. Ernüchternd, angesichts der Umstände wiederum aber nicht überraschend. Voss-Tecklenburg betonte im Vorfeld, dass es ihr in erster Linie weniger um das Gewinnen von Partien, sondern um das Gewinnen von Erkenntnissen gehe. Nur hätte sie am liebsten natürlich beides kombiniert. "Wir wissen, warum wir die Spiele noch nicht für uns entschieden haben", sagte die 54-Jährige nun. "Und es wäre doch viel ernüchternder, wenn wir meilenweit von den anderen Teams entfernt gewesen wären." Das waren sie nicht. Aber bis zum nächsten Termin in der WM-Qualifikation am 9. April gegen Portugal und erst recht bis zur EM bleibt genug zu tun - auch in Bestbesetzung.

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