Das Olympiastadion lag in der Abendsonne, ein paar Minuten nur noch bis zur Eröffnungszeremonie dieser ersten Frauenfußball-WM in Deutschland, gerade wurden die Aufstellungen verlesen. Und endlich ging es: um Fußball. Nur noch um Fußball, sogar um die große, die eine Frage dieses Spiels: Wer soll die Tore schießen?
So sehen Siegerinnen aus: Deutschlands Fußballfrauen feiern den 2:1-Sieg zum WM-Auftakt gegen Kanada.
(Foto: dpa)In den Wochen vor dem Turnier ist der Frauenfußball ja auch ein Gefäß gewesen, in das je nach Bedarf eine Menge Themen hineingefüllt werden konnten, es ging um gesellschaftliche Teilhabe, um Rollenbilder und Klischees, um Lippenstift und hochhackige Schuhe, um die Grenzen einer nachhaltigen Vermarktung. Und nun ging es: los. Und zwar mit einer Überraschung.
Wen die Bundestrainerin Silvia Neid im Sturm aufbieten würde, das hatte allenfalls eine kleine Fachdebatte im Lande entfacht vor diesem WM-Auftakt gegen Kanada, die routinierte Inka Grings, 32, oder die ungestüme Alexandra Popp, 20. Und nun, das war die Überraschung, saßen sie beide auf der Bank.
Stattdessen durfte Célia Okoyino da Mbabi, 22, die Hymne mitsingen und sich dann dort in die deutsche Elf eingruppieren, wo sonst Birgit Prinz ihre Kreise zieht: als hängende Spitze. Prinz wiederum, die Spielführerin, rückte auf jene Position, auf der das Publikum Grings oder Popp erwartet hatte: ganz nach vorne. Und das, obwohl Prinz schon eine Weile kein Tor mehr geschossen hatte im deutschen Dress.
Wer spielt wo und warum? Die angeregten Debatten, die über derlei fachliche Details nun auf den Rängen begannen, legten den Schluss nahe, dass von dieser WM am Ende beim Publikum doch mehr bleiben könnte als bloß die nächste Auflage einer schwarz-rot-goldenen Seligkeit. Dann begann die Partie. Und die Frage, wer die Tore schießen soll, wenn die Stürmerinnen auf der Bank sitzen, wurde recht zügig beantwortet.
Die 42. Minute, ein bisschen Gestocher im Mittelfeld, dann ist der Ball plötzlich auf dem Weg Richtung kanadisches Tor. Dahinter: Célia Okoyino da Mbabi. Davor: eine kanadische Torfrau Erin McLeod, die bereits beim 1:0 durch Kerstin Garefrekes (10. Minute) etwas orientierungslos gewirkt hat, die sich auch jetzt nicht entscheiden kann, ob sie dem Ball entgegenlaufen soll oder nicht - und die auch deshalb keine Abwehrchance hat.
Célia Okoyino da Mbabi hat ihre Aufstellung da längst gerechtfertigt durch eine abgeklärte Leistung als Ballverteilerin. Jetzt erzielt sie auch noch dieses Tor: das 2:0 für Deutschland, die Vorentscheidung. "Weil es bei uns nach dem Leistungsprinzip geht, musste ich sie einfach aufstellen", wird Silvia Neid später erklären. Keine Dreiviertelstunde ist ihre WM erst alt - da haben die Gastgeberinnen einige offene Fragen bereits im Paket beantwortet. Die Form? Ausgezeichnet. Nervös? Sieht nicht so aus.