Saisonstart der Frauen-Bundesliga:Im Naturschutzgebiet ist Kritik unerwünscht

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Die Nationalspielerinnen Kathrin Hendrich (li., VfL Wolfsburg) und Lea Schüller (Mitte, FC Bayern) sind mit ihren Teams wieder großer Favoritinnen auf den Titel in der Bundesliga. (Foto: Christian Kolbert/dpa)

Die Bundesliga der Frauen ist in der neuen Saison sichtbar wie nie, doch die Monotonie im Titelkampf zwischen FC Bayern und Wolfsburg ist eine Gefahr - genauso wie die mangelnde Aufarbeitung des WM-Debakels.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Hasret Kayikci hat in ihrer Karriere schon einiges erlebt - Tiefpunkte wie ihren Kreuzbandriss nach einem Juniorenturnier und das drohende Karriere-Aus, Höhepunkte wie ihre elf Länderspiele und ihre EM-Teilnahme 2017 unter Bundestrainerin Steffi Jones. Inzwischen ist die 31-Jährige Spielführerin beim SC Freiburg, der dem Eröffnungsspiel der neuen Bundesliga-Saison gegen Meister Bayern München (Freitag 18.15 Uhr/ZDF) entgegenfiebert. Erstmals werden mehr als 10 000 Zuschauer im Dreisamstadion erwartet, sogar die SCF-Ultras haben sich angekündigt. Dazu kommt das Millionenpublikum am Fernseher, wobei die Übertragung nicht in direkter Konkurrenz zum Bundesliga-Spitzenspiel der Männer (FC Bayern gegen Leverkusen um 20.30 Uhr) läuft.

Das ist natürlich nicht ganz unwichtig an diesem Fußball-Abend, an dem Kayikci mit Freiburg "nichts zu verlieren" habe, wie sie sagt. Schon das DFB-Pokalfinale vor einigen Monaten gegen den VfL Wolfsburg vor vollen Rängen in Köln empfand sie trotz der Niederlage als eine "Wertschätzung, für die wir all die Jahre gekämpft haben". Das Ringen um Aufmerksamkeit und Anerkennung, es spielt wohl noch eine ganze Weile mit im Frauenfußball.

FC Bayern in der Frauen-Bundesliga
:Es wird härter

Vor dem Start der Frauen-Bundesliga präsentiert der FC Bayern die Zugänge Pernille Harder und Magdalena Eriksson, die den Konkurrenzkampf im Kader beleben sollen - und schon jetzt den Humor der Engländerin Georgia Stanway verstehen.

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Daher war es umso hinderlicher, dass sich das deutsche Nationalteam bei der Weltmeisterschaft in einer der leichtesten Vorrundengruppe gegen Marokko, Kolumbien und Südkorea blamabel verabschiedet hat. "Wir haben eine große Chance verpasst, für die neuen Generationen Vorbilder zu schaffen", sagte Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter Nationalmannschaften beim DFB. Bereits in Australien begann die Debatte, welche Folgen das frühe WM-Aus für den Alltag haben könnte. "Ich befürchte nicht, dass der Aufschwung jetzt abflaut. Dafür ist die Liga zu attraktiv", sagt Ralf Kellermann, Direktor Frauenfußball beim VfL Wolfsburg.

Dagegen spricht: Es herrscht eine gewisse Monotonie. Seit 2013 teilen sich Wolfsburg und der FC Bayern alle nationalen Titel auf. Beide Klubs haben sich sportlich und wirtschaftlich einen Riesenvorsprung vor dem Rest der Liga erarbeitet, sie schrauben ihre Budgets weiter nach oben, um international konkurrenzfähig zu sein. Meister Bayern verpflichtete soeben die Dänin Pernille Harder und die Schwedin Magdalena Eriksson, zwei internationale Topspielerinnen. Eine Mehrzahl unter den elf Trainern und einer Trainerin sieht auch deshalb die Münchnerinnen erneut vorne. Wolfsburgs Coach Tommy Stroot sieht das natürlich anders: "Wir gehen mit der klaren Zielsetzung in die Saison, deutscher Meister zu werden."

Öffentlich wurden die Verstimmungen in der Nationalelf nie thematisiert

Der Titelkampf kommt ein bisschen ermüdend rüber, denn Eintracht Frankfurt und die TSG Hoffenheim werden so schnell nicht in die Phalanx einbrechen können. Aber Vielfalt war schon früher nicht gegeben. Zwischen 2001 und 2012 teilten sich die reinen Frauenfußballvereine 1. FFC Frankfurt und Turbine Potsdam die Meistertitel.

Spannend wird in dieser Saison die Rolle des Aufsteigers RB Leipzig sein, der mittelfristig mindestens dritte Kraft werden will. Für den 1. FC Nürnberg, der nach 23 Jahren wieder erstklassig ist und seine Heimspiele im großen Max-Morlock-Stadion austrägt, geht es wohl allein um den Klassenverbleib.

Die Liga pausiert gleich nach dem ersten Spieltag wieder, denn dann treffen sich die Nationalspielerinnen zu den Nations-League-Partien in Dänemark (22. September) und gegen Island (26. September). Ob in den Spielen neuer Schwung erzeugt werden kann nach der bitteren WM? Über die vielen Verstimmungen während des Turniers jedenfalls wird bis heute nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Die Teilung des DFB-Kaders in zwei Gruppen - Stamm- und Ersatzspielerinnen - hat definitiv zu atmosphärischen Störungen beigetragen.

Martina Voss-Tecklenburg (li.) kann ihrer Aufgabe als Bundestrainerin nicht nachkommen, Britta Carlson wird sie vertreten. (Foto: Peter Kotzur/Zink/Imago)

Von einer Analyse sind bisher nicht einmal Spurenelemente an die Öffentlichkeit gedrungen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat zwar viele Gespräche geführt, aber keine WM-Minute live in Australien verfolgt; er wollte erst zum Achtelfinale hinfliegen. In der Liga wird zudem über eine vermeintliche Bevorzugung von Spielerinnen aus Wolfsburg getuschelt. Tobias Trittel, der Sprecher des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen, will dazu nichts sagen, weil er selbst für den VfL arbeitet. Genau wie früher Britta Carlson, die nun Co-Trainerin der DFB-Frauen ist und die erkrankte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg vertritt.

Es scheint, als wollten die Protagonisten am liebsten wie in einem Naturschutzgebiet behandelt werden: bloß nicht stören! Kritische Worte hört man nicht gerne, lieber klopft man sich für den neuen TV-Deal auf die Schulter, der in der 34. Saison für eine größere Sichtbarkeit der Frauen-Bundesliga sorgt. Durch einen Vierjahresvertrag mit einem Volumen von 20 Millionen Euro kommt ein buntes Paket von Live-Spielen und Höhepunkten zustande: ARD und ZDF zeigen zehn Spiele, Magenta und Dazn übertragen alle 132 Partien, Sky bringt Zusammenfassungen, Sport1 hat die Rechte für die Montagsspiele erworben.

Der Zuschauerschnitt steigt - doch die Verluste sind noch hoch

Jeder Spieltag wird deswegen künftig auf sechs unterschiedliche Anstoßzeiten zerstückelt. Dass das nicht allen Spielerinnen passt, weil sie nebenher noch studieren oder arbeiten, hat Nationalmannschafts-Kapitänin Alexandra Popp kritisch angemerkt. Neben der Präsenz im TV sollen auch Partien in großen Stadien dabei helfen, ein breiteres Publikum zu begeistern. Mitte Oktober, in der nächsten Länderspielpause des Männerfußballs, ziehen Bayern (gegen Frankfurt), Werder (gegen Köln) und Leipzig (gegen Wolfsburg) in die Spielstätten der Männer-Mannschaften.

Auch wegen solcher Spiele kletterte der Liga-Schnitt vergangene Saison auf 2723 Besucher pro Spiel. Eine Steigerung um 220 Prozent. Doch weiteres Wachstum ist nötig. Zwar gibt es durch die zentrale Vermarktung der TV-Rechte nun 855 000 Euro pro Klub. Doch es wird vorerst dabei bleiben, dass die Liga Verlust macht - 1,5 Millionen Euro waren es zuletzt im Schnitt für jeden der zwölf Vereine. Für schwarze Zahlen muss ein Rahmen wie am Freitag im Freiburger Dreisamstadion eher die Regel als die Ausnahme werden. Hasret Kayikci spielt und kämpft weiterhin dafür.

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