FC Schalke 04:Der ganze Verein im Leid vereint

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Der erboste Schalker Trainer Huub Stevens diskutiert mit einem Linienrichter. (Foto: Jan Huebner/imago)
  • Der FC Schalke kassiert gegen Eintracht Frankfurt die achte Heimniederlage in dieser Saison.
  • Trotzdem scheint es nach monatelangem Spannungsverhältnis nun einen Schulterschluss mit den Fans zu geben.
  • Trainer Stevens zeigt indes, dass er noch immer der "Knurrer von Kerkrade" ist.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Nicht vielen Schalker Spielern war es in dieser Saison vergönnt, vom heimischen Publikum namentlich gefeiert zu werden. Die Liste der Geehrten reicht von Torwart Alexander Nübel, 22, bis zu Torwart Alexander Nübel, 22, doch am Samstag um kurz vor halb sechs erhielt ein neuer Mann Aufnahme in die königsblaue Heldengalerie. Frenetisch riefen sie in der Kurve seinen Namen, als Suat Serdar in der letzten Minute der Nachspielzeit das Feld verließ, auch sonst im weiten Rund erhoben sie sich von den Sitzen, Hochstimmung herrschte.

Serdar, 22, hatte in der Partie gegen Eintracht Frankfurt ein starkes Spiel gemacht und war der Vorkämpfer einer Mannschaft, die sich, wie Frankfurts Trainer Adi Hütter hervorhob, "aufopferungsvoll" gewehrt hatte. Die Zuschauer wussten es zu würdigen: So oft schon in dieser missratenen Saison war der Gang zu den enttäuschten Fans für die Schalker Spieler der schwerste Laufweg des Spiels gewesen, diesmal empfingen sie Beifall und ungeteilte Zustimmung.

Nie zuvor gab es Elfer in der 99. Minute

Allerdings hatte die Romanze zwei Schönheitsfehler: Serdar hatte einen Feldverweis erhalten, und gleich darauf kassierte die restliche Mannschaft den Treffer zur nächsten, zur neunten Heimniederlage. Mit dem 2:1 für die Eintracht gingen zwei Rekorde einher: Nie zuvor in der Bundesliga wurde in der 99. Minute ein Elfmeter verwandelt, und nie zuvor hat Schalke so viele Heimspiele verloren wie in dieser Saison, selbst in den drei Abstiegsfällen der 1980er-Jahre nicht. Warum die Schalker auf einmal wieder, so wie es ihre Verfassung vorsieht, wie tausend Freunde zusammenstanden, das hat Huub Stevens erklärt: "Es scheint, dass die ganze Welt gegen uns ist. Dagegen muss man kämpfen, das ist eine Herausforderung, und die gehen wir an, das könnt ihr mir glauben."

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Womöglich wird man eines Tages in Gelsenkirchen dem Schiedsrichter Sascha Stegemann noch dankbar sein, dass er an diesem 6. April 2019 zur Stimmungswende beigetragen und die bisher so zerrissene Klubgemeinde versöhnt hat. Zunächst war von Dankbarkeit jedoch keine Spur, der Unparteiische verließ unter Pfiffen und einer an Aufruhr grenzenden Empörung den Schauplatz, auch Stevens legte so heftig Beschwerde ein, dass einem bange werden konnte, und zwar um beide: Schiedsrichter und Trainer. Kurz nach Serdars unstrittigem Platzverweis hatte Stegemann eine weitere folgenschwere Entscheidung getroffen, indem er der Eintracht einen umso umstritteneren Handelfmeter zuerkannte.

Der Strafstoß, den Luka Jovic im Anschluss an wilde Protestszenen nervenstark verwertete, vereinte die Schalker in der Klage über ein bösartiges Schicksal und im Zorn auf die angebliche Fußball-Mafia. Das Motiv für Verschwörungstheorien lieferte der DFB selbst. Die beiden Videoschiedsrichter, die im Kölner Keller Aufsicht führten, stammten aus Stuttgart - aus der Stadt eines der Hauptkonkurrenten im Abstiegskampf. Was nicht von Feingefühl beim DFB zeugt.

Allerdings hatten Martin Petersen und Tobias Reichel keinen Anteil am finalen Beschluss, den fasste Stegemann, wie er versicherte, aus eigenem Ermessen. Er vertrat die Ansicht, dass Daniel Caligiuri den Ball unzulässig mit ausgestreckten Händen berührt habe, der Betroffene versicherte hingegen, er sei vom Frankfurter Abraham geschubst worden und unfreiwillig wie unverschuldet in die Handballszene geraten.

Aussage stand gegen Aussage, Stegemanns Urteil hatte naturgemäß mehr Gewicht. Parteinahme war ihm sowieso nicht nachzusagen, nachdem er in der ersten Hälfte in einem anderen zwiespältigen Video-Gerichtsfall - Jeffrey Bruma gegen Ante Rebic - noch zugunsten der Schalker entschieden hatte.

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Letztlich war das 2:1 ein Ergebnis, das dem Geschehen gerecht wurde, nachdem die Eintracht bis in die Schlussminuten auf den Siegtreffer gedrängt hatte. Ein 1:1 wäre aber auch kein unangemessener Ausgang gewesen. Im dritten Spiel binnen sechs Tagen hatte sich Schalke nach schlimmem Beginn samt Rückstand durch Ante Rebics Treffer (13. Minute) zu leidenschaftlichem Widerstand aufgerafft. Ihre spielerischen Vorteile konnte die Eintracht im ständigen Getümmel selten nutzen. Mit den Niveauerwartungen an eine Elf, die im Vorjahr sogenannter Vizemeister war, hatte der Auftritt der Schalker wenig zu tun, dafür entsprach er dem aktuellen Tabellenstand: Es gab Abstiegskampf der beherzten Art.

Mit einem Kader zudem, den der Trainer rigoros auf Gefolgschaft trimmt, was Spieler wie Nabil Bentaleb oder Yevhen Konopljanka die Zugehörigkeit kostete und andere wie den 19-jährigen Nassim Boujellab aus der fünften in die erste Liga befördert hat. Boujellab erhielt den Vorzug vor Nationalspieler Sebastian Rudy.

Längst hat Huub Stevens auch die alte Knurrer-Rüstung wieder angelegt, wie lokale Reporter erfahren mussten. Den einen bezeichnete er wegen unliebsamer Fragetechnik als "lächerlich", dem anderen riet er, "den Papagei von der Schulter" zu nehmen, weil er die Frage des Kollegen wiederholt hatte. Das war weder liebenswürdig noch souverän, dürfte Stevens aber nicht irritieren. Auf seiner letzten Mission sind ihm alle Mittel recht.

© SZ vom 08.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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