DFB-Pokal:Schalke ist ein Klub der Suchenden

FC Schalke 04 - Werder Bremen

Schalkes Torwart Alexander Nübel (re.) diskutiert mit Omar Mascarell. Bei Schalke gab es viele solcher Szenen.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)
  • Schalke 04 scheitert im Viertelfinale des DFB-Pokals, weil die Mannschaft einfach nicht effektiv genug ist.
  • Gegner Bremen freut sich über eine ausgebuffte Leistung, mit der dem Team vielleicht sogar der Pokalsieg zuzutrauen ist.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Am frühen Freitagabend findet in Sprockhövel im Ennepe-Ruhr-Kreis ein nicht alltägliches Fußballspiel statt. Die örtliche Turn- und Sportgemeinschaft trifft in der Oberliga Westfalen auf eine Zweitvertretung von Schalke 04, die den Titel U23 trägt, in Wahrheit aber eine Ansammlung millionenschwerer Nationalspieler vereint. Unter anderem führt sie den Algerier Nabil Bentaleb, den Marokkaner Hamza Mendyl, den Waliser Rabbi Matondo sowie den deutschen U21-Auswahlspieler Cedric Teuchert im Aufgebot.

All diese Spieler hat der rigorose Cheftrainer Huub Stevens in die U23 dirigiert, Bentaleb aus erzieherischen Gründen, die anderen, damit sie in der fünften Liga das Fußball-ABC erlernen oder den Auslauf erhalten, den sie in der Bundesliga nicht bekämen.

Der Sonderbeauftragte Stevens hat zu diesen Maßnahmen keine Erklärungen abgegeben, Erläuterungen erübrigen sich allerdings auch, wenn man sieht, wie er die Lücken in seinem Kader (der obendrein durch Verletzungsfälle dezimiert ist) gefüllt hat: Anstelle von Bentaleb und Co., die den Klub allein an Ablösesummen 40 Millionen Euro gekostet haben, standen im Pokalspiel gegen Werder Bremen die U23-Spieler Jonas Carls und Nassim Boujellab im Aufgebot.

Kommentar zur sportlichen Lage

Zwar hat Schalke die Partie im Laufe eines intensiven, aber letztlich undramatischen Pokalkampfs 0:2 verloren, aber als Kommentar zur sportlichen Lage im Allgemeinen und zur verfehlten Personalpolitik des vormaligen Managers Christian Heidel im Besonderen taugt Stevens´ resolute Rochade allemal. Boujellab, 19, seit fünf Jahren im Klub, gehörte der Startelf an und hatte seinen Anteil daran, dass Schalke den Bremern bis zum 0:1 durch Milot Rashica (65.) ein gleichwertiger Gegner war.

Er wisse, "woran es liegt", sagte Stevens nach der Partie nebulös und hinterließ damit Raum für Spekulationen. Erstens: Woran WAS liegt? Zweitens: WAS weiß der Trainer? Das wollte dieser allerdings nicht verraten. "Du kannst fragen", entgegnete er einem Fragesteller, "aber Du kriegst keine Antwort." Dabei grinste Stevens auf abermals mysteriöse Art. Machte er sich lustig über die Neugier des Reporters? Oder ist das Geheimnis um die Schalker Zustände so furchtbar, dass er es nicht aussprechen mochte? "Ich wäre verrückt, wenn ich es sagen würde", hatte Stevens einem Fernsehmann erklärt.

Schalke ist derzeit ein Klub ohne Antworten, essentielle mischen sich mit existentiellen Fragen. Man sucht den Trainer, der den Nothelfer Stevens ablösen wird (der Sauerländer Roger Schmidt, Sohn einer königsblau geprägten Familie, wird es nicht sein, er möchte sein Engagement in China erfüllen); man sucht einen Sportchef und einen Experten für die Kaderplanung; und einen neuen Kader sucht man - siehe die Episode mit Bentaleb und Co. - ebenfalls. Zudem ist keineswegs geklärt, in welcher Liga die Königsblauen in der nächsten Saison spielen werden, immerhin ist unter Stevens' scharfer Aufsicht ein Trend zur defensiven Stabilität zu erkennen.

Signale auch für Max Kruse

Am Mittwochabend gelang es dem Mittelfeld mit Suat Serdar, Omar Mascarell und Boujellab, das Bremer Kombinationsspiel zu stoppen. Auch der von Stevens reaktivierte Sebastian Rudy gab in der Sonderrolle als rechter Flügelspieler Tendenz zum Aufschwung zu erkennen. Kreative Momente aber sind nach wie vor selten, und systematische Angriffszüge finden ungefähr so oft statt wie Weihnachten. Die Stürmer - ob Breel Embolo, Guido Burgstaller oder Mark Uth - sind in keinerlei Spielfluss einbezogen und als Einzelkämpfer ihren Gegnern eine leichte Beute.

Den Bremer Trainer Florian Kohfeldt hielt das nicht davon ab, von der Effektivität seiner Abwehrreihe zu schwärmen, besonders gefiel ihm sein Kniff, den jungen Marco Friedl zum Rechtsverteidiger umfunktioniert zu haben. Jener Friedl stellte nach der Partie die beiden wesentlichen Dinge treffsicher in den Vordergrund. Erstens: "Es war nicht unser bestes Spiel." Zweitens: "Aber das ist uns relativ egal." Der Einzug ins Halbfinale ist Teil einer Erfolgsgeschichte, die sich jetzt aus sich selbst heraus fortsetzen könnte. Etwa durch die nun wieder ein Stück wahrscheinlichere Vertragsverlängerung mit Spielmacher Max Kruse: "Er sieht, dass das, worüber wir geredet haben, in die Tat umgesetzt wird", sagte Kohfeldt.

Das Werder-Spiel hat schon mehr geglänzt und gefunkelt als am Mittwochabend in Gelsenkirchen, doch es genügten zwei zauberhafte Momente, um die Partie zu gewinnen und das gehobene Niveau zu illustrieren, das Kohfeldt mit seiner Mannschaft entwickelt hat. "Die guten Holländer haben früher wir geholt", stellte ein alter Schalker melancholisch fest und spielte damit auf Rashica an, den Werder vor anderthalb Jahren bei Vitesse Arnheim auslöste, für immerhin 7,5 Millionen Euro. Er hat ein bisschen Zeit gebraucht, bis er seinen Wert bestätigen konnte, nun aber ist der 22-Jährige - der nicht aus Holland, sondern aus dem Kosovo stammt - nicht nur Stammspieler, sondern ein potentieller Spitzenspieler mit hoher Gewinnerwartung.

"Aus einer halben Chance machen die Bremer das Tor", klagte Schalkes Verteidiger Bastian Oczipka, der den Treffer mit einem Fehlpass eingeleitet hatte. Doch Kohfeldt betonte, für ihn sei es "keine Riesensensation, dass Milot den Ball so trifft - das sieht man im Training öfter". Auch das 2:0 durch Davy Klaassen - ein originaler Holländer - war ein spielerisches und technisches Meisterstück. Dieser Abend zeigte: Der Bremer Aufstieg aus der Unterklasse der Liga beruht auf Mut und Ehrgeiz, Sachverstand und Methodik, er ist noch nicht vollendet, aber schon weit gekommen. Auf Schalke hingegen hat nach dem Niedergang das Aufräumen gerade erst begonnen.

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