Fußball-Regionalliga:Generationenprojekt am Spielfeldrand

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"Alles mit Touchscreens, alles digital, alles miteinander verbunden": Das neue Multifunktionsgebäude des FC Memmingen. (Foto: privat/oh)

Beim FC Memmingen sind fast 25 Prozent der Besucher VIPs. Das neue Gebäude ist profitauglich, sportlich droht die Bayernliga. Die Verantwortlichen sind dennoch von dem Weg überzeugt, zuerst auf Steine zu setzen und dann auf Beine.

Von Christoph Leischwitz

Ein Fußballplatz ist im Schnitt 7000 Quadratmeter groß, beim Fußball-Regionalligisten FC Memmingen liegt die Wahrheit aber auch auf den 1905 Quadratmetern direkt daneben. Hinter dem Tor steht seit dem vergangenen Sommer ein Haus mit dem sperrigen Namen Multifunktionsgebäude. "Alles mit Touchscreens, alles digital, alles miteinander verbunden", sagt Präsident Armin Buchmann, während er nicht ohne Stolz eine kleine Führung gibt. Mehrzweckräume für Fitness oder Physios, für Besprechungen und Schulungen, es ist an alles gedacht. Selbst im Waschraum riecht es noch nach Neubau, die Toilette ist so groß, dass es hallt, über den Urinalen hängt ein Flatscreen an der Wand, sodass man selbst hier noch das Spiel verfolgen kann. Die oberen beiden Stockwerke mitsamt zwei riesigen Terrassen sind der VIP-Bereich, von ganz oben hat man einen recht einmaligen Blick durch die von unten nach oben geneigte Glasfassade, es wirkt fast, als stünde man direkt über dem Torwart. Zu essen gibt es Kichererbsencurry und vieles mehr, lecker aussehende Desserts, gute Weine.

Der FC Memmingen hat 200 Dauerkarten für diesen VIP-Bereich verkauft. Man muss schnell sein, um an der Tageskasse eines der verbliebenen 40 Tickets zu erhalten. Der Bereich sei ein "gesellschaftlicher Anker", sagt Buchmann, und ja, "alles ist auf Profifußball ausgelegt" in dieser neuen Heimat des Klubs. Tatsächlich gibt es in diesem "e-con ArenaPark" keinen Unterschied etwa zum FC Ingolstadt oder zum gar nicht so weit entfernten FC Heidenheim.

Immerhin, 987 Zuschauer sind am Freitagabend gekommen. In Memmingen sind also fast 25 Prozent der Besucher VIPs. Das Besondere hier ist nicht der VIP-Bereich, sondern dessen Diskrepanz zwischen zu den anderen 7000 Quadratmetern: drinnen Catering auf Bundesliga-Niveau, draußen Abstiegskampf in Liga vier. Dem FC Memmingen droht der Rutsch in die Bayernliga.

Zu Gast ist gerade Viktoria Aschaffenburg. Jeder Punkt ist für den Tabellen-17. wichtig, um zumindest noch die Relegationsränge zu erreichen. Die Nervosität ist der Mannschaft lange anzumerken, gegen Ende wird das Bemühen scheinbar von Erfolg gekrönt. Alle jubeln schon in Minute 83, der Ball liegt im Tor vor dem VIP-Bereich, doch der Schiri pfeift es zurück - Viktoria-Keeper Max Grün soll die Hand auf dem Ball gehabt haben, als geschossen wurde. Die Empörung ist enorm.

Das neue Gebäude kostete etwa 7,5 Millionen Euro - doppelt so viel wie geplant

Wer allerdings höchst professionell mit dieser Situation umgeht, ist der Trainer bei der anschließenden Pressekonferenz, die natürlich auch im neuen Gebäude stattfindet. Beim 1:0-Sieg in Ansbach "hatten wir Glück" mit der Entscheidung zum Tor, sagt der 40-jährige Matthias Günes, jetzt habe man Pech gehabt, "das muss man akzeptieren". Nachgefragt: Geht es in solchen Momenten auch darum, Ruhe auszustrahlen für die restlichen Spiele? "Ja, auch, um selbst Ruhe zu bewahren", sagt Günes. Aber klar: "Man spürt auch die Verantwortung. Und Druck." Auch wegen der Strahlkraft des Vereins und der "aufwendigen Infrastruktur". Es sei ein Privileg, bei so einem Verein arbeiten zu können, "ich habe keinen Plan B". Soll heißen: keinen anderen Verein. Günes geht auch beim Abstieg mit.

Nun könnte man fragen: Wäre es nicht besser, erst einmal einen Kader zusammenzustellen, der in der Liga bleibt, bevor man sich so einen profihaften Bau leistet? Günes sagt, er gehe diesen Weg "zu 100 Prozent mit". Die Macher beim FC sind überzeugt, dass sie den richtigen Weg gehen, auch wenn es jetzt noch eine sportliche Delle geben könnte. Das Vorbild seien Vereine wie der SC Freiburg, sagt der langjährige Präsident Buchmann, "dort haben sie auch immer erst in die Infrastruktur investiert, bevor sie in Spieler investiert haben". Die Idee ist, mit diesem Gebäude auch die eigene Jugend länger halten zu können, bevor sich die Besten aus der Region in die großen Nachwuchszentren verabschieden. Also auch, ein sportliches Zentrum für die ganze Region zu werden, mit dem Fernziel Profifußball.

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Das Problem war nur, dass das Gebäude doppelt so teuer wurde wie geplant, am Ende landete man bei etwa 7,5 Millionen Euro. Zunächst hatte Corona den großen Traum verschoben. Damals entschied man sich sogar, wegen der Pandemielage das Toto-Pokal-Spiel gegen 1860 München abzusagen - dafür reisten die Löwen dann aber für ein Eröffnungsspiel des neuen Hauses im vergangenen Sommer an. "Wir hatten im Februar 2022 den Spatenstich", erzählt Buchmann, "eine Woche später begann der Ukraine-Krieg." Man müsse froh sein angesichts der vielen leeren Gebäude in Europa aufgrund von Bau-Insolvenzen, dass man überhaupt fertig wurde. Die Mehrkosten hätten allerdings den geplanten Überschuss aufgefressen. Das Fernziel sei nicht aus den Augen, und wahrscheinlich ist dieser Ansatz der bessere, als einen Investor bei Laune zu halten, solange es geht.

Davon ist zum Beispiel auch Vizepräsident Kai-Uwe Marten überzeugt, und er ist immerhin Professor für Wirtschaftswissenschaften und einer von jenen, die das Projekt mit anschieben. "Es ist ein Generationenprojekt", sagt Buchmann - was in diesem Fall aber auch bedeutet, dass die nächste Generation auch noch damit beschäftigt sein wird, es abzuzahlen.

"Es gibt wenige Vereine, die so Amateure sind wie wir, aber gleichzeitig so eine Grundlage für die Zukunft haben." Das sagt der langjährige Trainer und heutige Sportliche Leiter, Esad Kahric. Am Freitag spielt der Vorletzte Memmingen beim Letzten Buchbach. Dort haben sie neben dem Spielfeld jetzt eine Almhütte stehen, die in der Bayernliga auch etwas überdimensioniert daherkäme. Das Memminger Multifunktionsgebäude aber noch mehr.

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