Super League und FC Liverpool:"R.I.P. LFC"

Leeds United v Liverpool - Premier League - Elland Road Liverpool manager Jurgen Klopp looks on as a Leeds United playe

"Schlechter Witz": Jürgen Klopp (r.) hält wenig von den Protestbotschaften auf den T-Shirts von Liverpools Gegner Leeds United.

(Foto: Lee Smith/PA Images/Imago)

Die Super League erschüttert das Selbstbild des FC Liverpool als linksgerichteter Klub der Fans - Trainer Jürgen Klopp versucht sich an einem kaum machbaren Spagat.

Von Sven Haist, London

Für die Fans hätte das Traditionsduell zwischen Leeds United und dem FC Liverpool am Montagabend in der Premier League nicht stattfinden müssen. In Spiel eins nach Bekanntgabe der Gründung einer Super League versammelten sich zahlreiche Anhänger beider Lager in der Zufahrt zur Elland Road, um Liverpools Mannschaftsbus den Weg zum Stadion in Leeds zu versperren. Vor dem heranfahrenden Meister rollten die wütenden Menschen ein Plakat aus mit der unmissverständlichen Botschaft: "Die Liebe zum Spiel der Arbeiterklasse ruiniert von Gier und Korruption!" - die Gier hervorgehoben durch zwei Pfundzeichen ("gr££d"). Die Polizei hatte erhebliche Mühe, die Einfahrtstore freizuräumen. Bereits bei Liverpools Abfahrt hatte ein Saxophonist das Vorhaben der Großklubs mit dem Klassiker "Money, Money, Money" der schwedischen Popgruppe ABBA persifliert.

An der heimischen Anfield Road, wo das Herz des 1892 geborenen Klubs schlägt, hängten Liverpool-Sympathisanten mehrere schwarze Banner an den Zaun, darunter: "Schämt euch. R.I.P. LFC" - Ruhe in Frieden, als wäre der Verein für sie von nun an gestorben. Einige Fanorganisationen verlangten über die sozialen Medien, dass der Klub ihre im Stadion ausgelegten Fahnen und Banner noch vor dem nächsten Heimspiel entfernt. Dann müsste Liverpool erstmals nicht nur ohne Fans, sondern auch ohne den Geist der Fans auskommen.

Twelve of Europe's top football clubs launch a breakaway Super League

Manche Fans des FC Liverpool tragen ihren Verein schon sinnbildlich zu Grabe.

(Foto: Phil Noble/Reuters)

Neben Liverpool haben sich von der Insel auch Rekordmeister Manchester United, Manchester City, Chelsea, Arsenal und Tottenham Hotspur zur Superliga bekannt, einem hoch umstrittenen Konkurrenzprodukt zur Champions League. In einer landesweiten Protestwelle geißelten unzählige Menschen vor den Spielstätten den Werdegang und die Profitsucht des Fußballs - mit hochgehaltenen Plakaten, auf denen zum Beispiel stand: "Fans vor Finanzen" oder "Erschaffen von den Armen, gestohlen von den Reichen". Wer für die Anhänger hinter den sogenannten Top-Sechs ("Th£ Big $ix") steckt, war einprägsam auf einem der Schilder zu lesen: 1. Cash, 2. Dough, 3. Money, 4. Dosh, 5. Wonga, 6. Bread - alles englische Synonyme für Geld.

Nicht nur das Fußballvolk erhob sich, auch aus der Politik regte sich Widerstand. "Seid versichert", schrieb Premierminister Boris Johnson in einem Gastbeitrag der Sun, "dass ich alles tun werde, um diesem lächerlichen Plan die rote Karte zu zeigen." Er prangerte mangelnde Chancengleichheit und Entwicklungsmöglichkeiten an und erinnerte an die Außenseitergeschichten des englischen Fußballs: "Wenn Leicester City die Premier League gewinnen kann und Nottingham Forest nicht nur ein, sondern zwei Mal sich zum König von Europa krönen kann, dann kann dein Team das - vielleicht, sehr vielleicht - auch." Johnson betonte, das Spiel gehöre den Anhängern. "Ein Jahr leerer Stadien hat uns alle daran erinnert, dass Fußball ohne Fans ein blutloses Spektakel ist." Die britische Regierung kündigte an, alle Möglichkeiten zu prüfen, um die Super League noch zu verhindern.

Auch Prinz William, Präsident des englischen Fußballverbandes FA, teilt "die Sorgen der Fans". "Jetzt müssen wir mehr denn je die gesamte Fußballgemeinschaft - von der obersten Ebene bis zur Basis - und die Werte von Wettbewerb und Fairness in ihrem Kern schützen", schrieb er in einem Twitter-Statement.

Liverpool ist eine der größten Zielscheiben der Kritik

Die größte Angriffsfläche bieten die milliardenschweren Klubchefs (John W. Henry/Liverpool; Glazer-Familie/Man United; Scheich Mansour/Man City; Roman Abramowitsch/Chelsea; Stan Kroenke/Arsenal; Joe Lewis/Tottenham), die über ihre Privatfirmen Anteile an den Vereinen halten - und nach immer absurderen Renditen für ihre Investments gieren. Die Times kommentierte, dass "die Existenz der Klubs an der Basis und in der Ligapyramide" bedroht sei, weil sich "der Reichtum am abgeschotteten Ende der Elite" balle. Daher müssten die Spieler der "schamlosen Sechs" nun die Spielfelder schützen, auf denen sich "ihre Träume" formten.

Liverpool ist zu einer der größten Zielscheiben der Kritik geworden, weil der Klub ursprünglich stark links ausgerichtet war. Trainerlegende Bill Shankly prägte als bekennender Sozialist zwischen 1959 und 1974 dieses Bild, mit dem sich der Verein bei jeder Gelegenheit brüstet ("We are Liverpool - this means more"). Trainer Jürgen Klopp ist nun in eine Zwickmühle geraten. Als leitender Angestellter des Vereins versuchte sich Klopp, der erst wenige Stunden vor Veröffentlichung von den Ambitionen des Vereins erfuhr, rund um das Spiel in Leeds an einem kaum machbaren Spagat: die eigenen Chefs nicht brüskieren ("sind vernünftige, seriöse Menschen"), aber gleichzeitig die Fans (und sich selbst) nicht verlieren. In fünfeinhalb Jahren am River Mersey hat sich Klopp den Ruf einer moralischen Instanz erworben. Auf ihm liegen die Hoffnungen, den GAU einer Milliardenliga abzuwenden, in der den Gründungsteams eine Teilnahme stets garantiert wäre.

Welcher Widerstand sich gegen die Eliteklubs mobilisiert, deuteten die Vorkommnisse in Leeds an. Während des Aufwärmens auf dem Platz trugen die Profis des Aufsteigers weiße T-Shirts mit einer Botschaft an die Abtrünnigen. Unter dem Logo der Champions League stand in fettgedruckten Buchstaben: "Earn it" (Verdient sie euch); und auf dem Rücken: "Football is for the Fans" (Fußball ist für die Fans). Pikanterweise gelang es Leeds, die Shirts auch in der Liverpool-Kabine auszulegen. "Wir werden die nicht tragen", schimpfte Klopp. Die Aktion sei ein "schlechter Witz", den man nicht verdient hätte. Ihm dürfte die Assoziation missfallen haben, sein Team wolle sich auf Platz sechs liegend den Zugang zur Champions League erschleichen.

Klopp stellt sich vor seinen Klub

In ähnlich scharfem Ton ging es im Nachgang der Partie weiter. In der Sendung "Monday Night Football" auf Sky Sports verzichteten die einflussreichen Ex-Spieler Gary Neville (Man United) und Jamie Carragher (Liverpool) auf eine Analyse des Spiels (1:1). Stattdessen kündigten sie an, von nun an "in jeder Sendung" gegen die Superliga wettern zu wollen. Erst fluchte Neville über Uniteds Eigentümer ("Plünderer, die aus Verein und Land rausgeschmissen gehören") und dann über die Besitzer von Liverpool ("gesichts- und rückgratlos"), die nicht mal "den Anstand" hätten, ihre Leute rechtzeitig in die Pläne einzuweihen. Am Vortag zeigte er sich bereits angewidert, speziell von Liverpool, das behaupte, "der Klub des Volkes zu sein: 'You'll Never Walk Alone'".

Diese Einschätzung missfiel Klopp, der sich nach dem Leeds-Spiel vor seinen Klub stellte, indem er erklärte, es gehöre verboten, dass sich Neville zu "unserer, nicht seiner Vereinshymne" äußere. Es sei "nicht in Ordnung, diese Leute 'zur Hölle' zu verdammen", so Klopp: "Ich wünschte, er würde auch mal auf einem heißen Stuhl sitzen und nicht nur überall, wo das meiste Geld ist." Als Anlass für die Gegenrede machte Neville wiederum aus, dass der "stachlige" Klopp sich von seinen Eigentümern im Stich gelassen fühle.

Als erster der einflussreichen Spieler positionierte sich Premier-League-Veteran James Milner gegen die Superliga, die er klar abkanzelte: "Ich mag sie nicht und möchte sie nicht haben." Und dann holte Jürgen Klopp auf der Pressekonferenz zu einem Statement aus, das richtungsweisend werden könnte in den kommenden Tagen. "Ich habe heute gehört, dass ich zurücktreten werde, aber ich fühle mich verantwortlich für die Mannschaft, für den Verein und für die Beziehung, die wir zu unseren Fans haben", sagte Klopp. Er werde versuchen, dabei zu helfen, "to ..., um, ..., yeah, sort it somehow": es irgendwie zu regeln.

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