Franck Ribéry:Für die Franzosen ist er ein Flegel

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Nicht nur sein Verhältnis zur Nation, sondern auch zu Frankreichs Nationaltrainer gilt als unterkühlt: Franck Ribéry und Didier Deschamps. (Foto: Franck Fife/AFP)
  • Das Verhältnis zwischen Franck Ribéry und seinem Heimatland Frankreich war schon lange von gegenseitiger Missliebe geprägt.
  • Die Debatten um seine jüngsten verbalen Entgleisungen sind dabei nur eine weitere Episode.
  • Früher gab sich Ribéry als Rebellenführer und erntete dafür den Ruf des Ungehobelten. Seine Extravaganz wird in Zeiten politischer Unruhen in Frankreich als Provokation wahrgenommen.

Von Oliver Meiler

Im Französischen gibt es einen feinen Unterschied zwischen "Filou" und "Voyou", die samtene Klangfarbe beider Prädikate sollte niemanden täuschen. Dieser Unterschied muss nun im Nachgang zum "Steak Gate" vielleicht erläutert werden, zwecks soziologischer Vertiefung des Phänomens. Ein Filou ist ein Lausejunge, ein sympathischer Bengel, ein Späßchenreißer, den man ganz gerne im weiteren Kreis seiner Familie weiß, damit er dröge Feste mit seinem Esprit aufmische. Auch ein Voyou ist ein Flegel, aber näher am Rüpel. Nicht ganz Gauner, aber viel fehlt nicht.

Franck Ribéry aus Boulogne-sur-Mer im Norden Frankreichs, über dessen Manieren sich gerade die halbe Fußballwelt beugt, gilt den meisten Franzosen als Voyou. Nicht erst seit der Nacht mit einem viel zu jungen Escort-Girl in einem Münchner Hotel, seitdem aber besonders.

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Jede Geschichte, die den Ruf des ungehobelten "Ti Franck" bestätigt, wie sie ihn daheim nennen, wird in Frankreich mit kollektiver und ritueller Lust begangen. Manchmal war die Kritik dabei tatsächlich völlig überzogen. Oft reagierte Ribéry auf die Missliebe, die ihm da entgegenschlug, und das war dann nie hübsch anzuhören. Wenn Franck Ribéry Französisch spricht, dann hat sein Reden übrigens entschieden weniger Charme als bei seinem Deutsch mit französischem Einschlag.

Der Prophet, der im eigenen Land nichts wert ist

In Deutschland, wo er sich nach eigenem Bekunden wohler und heimischer fühlt als in Frankreich, war er bisher immer ein Filou, vielleicht war er sogar der Inbegriff des "Filou", auf und neben dem Platz. Mit seinen frechen Finten auf dem linken Flügel und seinen Schenkelklopfstreichen unter Kameraden. Sah man ihn nicht immer als Ersten mit dem riesigen Bierglas (mit alkoholfreiem Bier), wenn im Triumph des Trainers Haupt begossen gehörte? Solche Dinge. Aussetzer liefen unter Leidenschaft. In Deutschland fühlte er sich gebührend wertgeschätzt für sein Können, das in guten Zeiten ja durchaus beträchtlich war. Immerhin war er ja mal für den Ballon d'Or nominiert, zusammen mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. In Frankreich aber, wo man dem Patriotismus in sportlichen Belangen ansonsten sehr ungehemmt anhängt, wünschten ihm diese Ehre nur wenige, das zeigten die Umfragen.

Wie war das noch mit dem Propheten, der im eigenen Land nichts wert ist?

Ribéry war der beste französische Fußballer seiner Generation, nur war seine Generation dummerweise keine besonders gute. Sie war eingeklemmt zwischen zwei gloriosen und weltmeisterlichen Generationen: jener von Zinédine Zidane vor ihm und jener von Kylian Mbappé nach ihm. In den Anfängen hofften die Franzosen, "Francky" könnte der neue "Zizou" werden, dem das Temperament auch mitunter im Weg stand. Aber das war dann doch zu viel verlangt. Bei der Weltmeisterschaft in Südafrika 2010 gehörte Ribéry zu den Rebellen von Knysna, die das Training bestreikten und im Teambus sitzen blieben, eines der unrühmlichsten Kapitel in der Geschichte der Bleus. Er bezeichnete sich als deren Sprecher, als Rebellenführer.

Die damalige französische Sportministerin nannte die Streikenden eine Bande von eigensinnigen "Caïds", von Gangstern. Voyous eben. Franck Ribéry war jetzt der Chefvoyou. Soziologen studierten das Phänomen des unverstandenen, ungeliebten Helden. Er sollte sich nie mehr davon erholen. Die Insignien des Erfolgs, die Reisen im Privatjet, der Urlaub in den Paradiesen dieser Welt: Alles wurde zur Revanche, Ribéry zelebrierte sie in den sozialen Medien. Das machte alles noch schlimmer. Die Franzosen finden reiche Leute nämlich nur dann okay, wenn sie ihren Reichtum nicht so zeigen. Protzen ist ein Sakrileg, es ist Futter für den Klassenkampf, mehr als anderswo.

Von Nicolas Sarkozy, dem Präsidenten von 2007 bis 2012, heißt es, er habe sein ganzes politisches Kapital verspielt, als er am Abend seiner Wahl seine Freunde und Mitarbeiter ins Fouquet's einlud, ein Pariser Nobelrestaurant. "Président des riches" nannte man ihn fortan, Präsident der Reichen. Ein Beiname wie ein Verdikt. Auch der amtierende Präsident Emmanuel Macron muss ihn sich gefallen lassen, seitdem er für eine halbe Million Euro neues Porzellangeschirr ins Élysée bestellt hat. Am lautesten kritisieren ihn die "Gilets jaunes", die Gelbwesten, jene noch schwer fassbare politische Bewegung, in der viele Menschen mitlaufen, die sich vor dem sozialen Abstieg fürchten, vor dem Verlust alter Gewissheiten. Bling-Bling kommt ihnen wie Hohn vor.

In diese besondere Zeit fällt nun die Geschichte von Ribérys "vergoldetem Entrecôte" und von jenem Sturzbach an Vulgaritäten, der sich danach einen Weg durch die Kanäle der sozialen Netzwerke brach. Ribéry hatte sich seit fünf Jahren nicht mehr in der französischen Öffentlichkeit gemeldet, seine Posts waren nie mehr auf Französisch verfasst, die Funkstille hätte wohl für immer dauern sollen. "Der Krieg war vorbei", schreibt die Zeitung Libération. "Aber die Glut, die ist noch da." Die Zeit heile die Wunden eben doch nicht.

Erstaunlicherweise ärgerte Ribéry eine sehr zivilisierte Kritik aus der Heimat offenbar ganz besonders, jene von Audrey Pulvar, einer bekannten Fernsehjournalistin und Präsidentin einer gemeinnützigen Stiftung. Falls Ribéry nicht wisse, was er mit seinem vielen Geld anfangen solle, twitterte Pulvar, dann rate sie zur Unterstützung guter Zwecke. Zurück kam ein Tweet, der so elaboriert und informiert ist, dass man in Frankreich annimmt, er stamme von einem Ghostwriter. "Ich hoffe, dass Ihnen Ihre Brille mit Schildkrötenmuster für 3000 Euro dabei hilft, eine bessere berufliche Zukunft zu finden als die der Pseudojournalistin, die Sie heute sind."

Am meisten dürfte Ribéry aber schmerzen, wie L' Équipe, die große Sportzeitung in der Heimat, die Affäre um den ehemals besten Fußballer des Landes behandelt. Mit knappen 42 Zeilen auf Seite 13, unten. Eine Kurzmeldung.

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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