FC Bayern:Ohne klare Linie

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Mit dem 1:2 in Mainz hat van Gaal viel Kredit verspielt. Der Verein braucht einen Trainer, der nicht vor 14 Jahren die Champions League gewann, sondern in dieser Saison einen Titel holt.

Jürgen Schmieder

Es ist ziemlich einfach, die Größe der Besorgnis beim FC Bayern zu messen - es gilt nur aufzupassen, wer da nach Spielen vor die Kameras tritt. Wenn Franz Beckenbauer etwas sagt, dann ist noch nichts passiert, weil der immer etwas sagt. Sollte Uli Hoeneß wutschnaubend über Fernrohre und die Tabelle philosophieren, dann ist leichte Gefahr im Verzug - eine Nuance schlimmer ist es, wenn Hoeneß wortlos an den Journalisten vorbeistapft. Ein wütender Karl-Heinz-Rummenigge bedeutet: Jetzt ist es wirklich ernst.

Louis van Gaal: ratlos nach der Niederlage. (Foto: Foto: Getty)

Die höchste Stufe der Besorgnis ist also die Kombination aus schweigendem Hoeneß und sprechendem Rummenigge - so geschehen nach der 1:2-Niederlage des FC Bayern bei Mainz 05 und dem damit verbundenen schlechtesten Saisonstart der Münchner seit 43 Jahren. "Wir haben nach drei Spielen zwei Punkte. Das ist keine Situation, die uns befriedigt. Wir sind natürlich sehr niedergeschlagen", sagte Rummenigge, nachdem er einige Worte an die Mannschaft gerichtet hatte.

Auch Trainer Louis van Gaal wirkte ob der desaströsen Leistung seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit besorgt - und ein wenig ratlos: "Unsere Leistung war zu Beginn schon sehr enttäuschend. Ich weiß nicht, was wir in der Vorbereitung falsch gemacht haben." Mit viel Kredit war der holländische Übungsleiter nach München gekommen, immer wieder verwiesen die Verantwortlichen auf dessen Erfolge (Champions-League-Sieger, Uefa-Cup-Sieger, spanischer Meister), sie deuteten seine Eigenheiten als konsequentes Verhalten und betonten während der Vorbereitung stets, der neue Trainer würde endlich eine klare Linie in den Verein bringen.

Von dieser Linie war beim Spiel gegen Mainz nur wenig zu erkennen, die taktischen Umstellungen schienen die Spieler noch mehr zu verwirren als die Zuschauer. Zu Beginn kehrte van Gaal ab von der Raute im Mittelfeld, er vertraute einer Kette mit Bastian Schweinsteiger und Anatolij Timoschtschuk im defensiven Mittelfeld, Miroslav Klose sollte die hängende Spitze geben, Mario Gomez den einzigen Stürmer. Als das nicht funktionierte, wechselte der Trainer Ivica Olic und Thomas Müller ein - plötzlich gab es zwei Stürmer (Olic und Gomez), zwei hängende Spitzen (Klose und Müller) und zwei defensive Mittelfeldspieler. Als van Gaal später noch José Ernesto Sosa für Klose aufs Feld schickte, konnte man den Eindruck gewinnen, dass die vier Offensivspieler nicht so genau wussten, wer denn nun wo zu spielen habe.

Es mangelte nicht nur an Kreativität - die der verletzte Franck Ribéry gewöhnlich mit Löffeln zum Frühstück isst -, sondern es mangelte auch an einer leitenden Hand, die der ebenso verletzte und deshalb ebenso schmerzlich vermisste Mark van Bommel personifiziert; wobei die Verantwortlichen des FC Bayern wohl noch vor wenigen Wochen nicht einmal beim Philosophieren über Tabelle und Fernrohre daran gedacht haben, dass van Bommel einmal derart vermisst werden würde.

Van Gaal kann nichts dafür, dass van Bommel derzeit verletzt ist, und dass Vertreter Timoschtschuk nicht unbedingt sein Lieblingsspieler ist, hat der Trainer bereits mehrfach klargestellt. Edson Braafheid und Danjel Pranjic jedoch sind Wunschspieler des neuen Übungsleiters - und bisher kämpft Braafheid um den Titel des langsamsten Bundesligaspielers und Pranjic um den für die meisten Flüchtigkeitsfehler. Auch dürfte der Transfer von Abwehrspieler Lucio zu Inter Mailand mit van Gaals Einverständnis abgewickelt worden sein. Der muss nun erkennen, dass Holger Badstuber meist einen Schritt zu spät kommt und Daniel van Buyten meist einen Schritt in die falsche Richtung macht.

"Ich weiß, was ich kann. Ich weiß auch, was meine Spieler können", hatte Louis van Gaal nach dem Spiel gesagt. "Ich mache das, was ich seit 20 Jahren mache: Ich begleite Spieler." Er betont jedoch auch stets, dass er Zeit brauche, um seine Ideen umzusetzen. Diese Zeit sollte ihm der große Kredit verschaffen, mit dem er nach München gekommen war.

"Ich habe gelernt, dass nach Niederlagen oder Siegen keine Entscheidungen gefällt werden", sagte Rummenigge nach der Niederlage in Mainz. Das bedeutet übersetzt: Das einst so volle Kreditkonto des Trainers ist bereits nach drei Bundesliga-Spielen deutlich leerer geworden. Der FC Bayern braucht keinen Trainer, der vor 14 Jahren die Champions League gewann, vor 17 den Uefa-Cup und vor zehn Jahren spanischer Meister wurde. Der Verein braucht einen Trainer, der diese Mannschaft in dieser Saison zu mindestens einem Titel führt.

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