FC Bayern nach dem Schalke-Sieg:In der Wagenburg gegen die Selbstentfremdung

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Mit dem überlegenen 2:0-Erfolg gegen den FC Schalke 04 hat der FC Bayern München vorerst das Schlimmste verhindert. Trainer Jupp Heynckes geht gestärkt aus einer Krisenwoche hervor, weil seine Maßnahmen diesmal wirken. Allein in der Sturmmitte tut sich für die Münchner eine gefährliche Baustelle auf.

Thomas Hummel, Fröttmaning

Thomas Müller hatte nach diesem beruhigenden Nachmittag für seinen Klub noch eine beruhigende Nachricht: "Wir sind immer noch der FC Bayern."

Trainer und Spieler. Oder Vater und Sohn? Jupp Heynckes (r.) und Franck Ribéry verstehen sich wieder prächtig. (Foto: dpa)

Wenn der FC Bayern München beim Tabellenletzten der Bundesliga nicht gewinnt und anschließend im Achtelfinale der Champions League beim Meister der Schweizer Super League verliert, gehen bei diesem Verein einige Gewissheiten verloren. Das Gebilde des ewigen Gewinners wankt. Und so bedeutete das überlegen erspielte 2:0 am Sonntag gegen den Tabellenvierten FC Schalke 04 für die Seele des Klubs mehr als drei Punkte im Kampf um die Deutsche Meisterschaft. Der Erfolg geriet zu einer Selbstfindung. Besser gesagt: Die Bayern haben verhindert, sich endgültig von sich selbst zu entfremden.

Bei einer weiteren Enttäuschung hätte die beginnende Krise unkontrollierbare Ausmaße annehmen können. Selbst der im Klub hochgeschätzte und stark beschützte Trainer Jupp Heynckes wäre schwer unter Beschuss geraten.

Nun allerdings geht Heynckes gestärkt aus der schweren Woche hervor. Der 66-Jährige hatte schon in Basel auffallend ruhig reagiert und darauf verwiesen, dass sich Erfolge schon bald wieder einstellen. Er zog nach außen hin die Aufmerksamkeit auf sich, gestand öffentlich Fehler ein und übernahm die Verantwortung für die schlechten Leistungen wie auch für die Findung einer Lösung. Intern verabreichte er seinen Spielern eine ausführliche Gesprächstherapie. Torwart Manuel Neuer erzählte: "Wir haben uns was von der Seele geredet, die Spieler auf dem Platz waren vielleicht ein bisschen befreit."

Die Maßnahmen fruchteten insofern, als dass die Profis am Sonntag den Willen zu verstärktem Einsatz mit auf den Platz brachten. David Alaba suchte alle Zweikämpfe, die er nur irgendwie erlaufen konnte. Thomas Müller lief in alle Räume, die er finden konnte, Holger Badstuber räumte ohne Rücksicht auf den eigenen Körper jeden Schalker Angriffsversuch ab. Und bei Franck Ribéry führte der fast väterliche Umgang des Trainers dazu, dass sich die angestaute Wut des Franzosen in einer "Explosion" (Sportdirektor Christian Nerlinger) entlud. Ribéry zeigte, was den Bayern zuletzt abging: Er wollte unbedingt gewinnen, er wollte unbedingt alle Schalker gleichzeitig ausspielen, er wollte unbedingt Tore schießen. Zweimal klappte es dann auch.

Begünstigt wurde das schöne Bayern-Spiel freilich von einem Gegner, der erstens müde war von einem 120-Minuten-Kampf am Donnerstag in der Europa League. Und zweitens so ziemlich alles falsch machte, was zuvor Mannschaften wie Gladbach, Freiburg oder Basel richtig gemacht hatten.

Statt Arjen Robben ständig zu doppeln, durfte der Niederländer alleine auf den Österreicher Christian Fuchs zusprinten, der noch dazu seinen Fokus darauf legte, dass Robben nicht außen vorbeigehen konnte. Dabei weiß jeder C-Junioren-Spieler, dass Robben bei 30 Versuchen 29 Mal nach innen zieht. Auch Ribéry wird sonst gerne von zwei Leuten empfangen, doch vor dem zweiten Tor entschloss sich Rechtsverteidiger Benedikt Höwedes, den Franzosen ganz alleine zu lassen. Dazu gelang es den Schalkern kaum, konstruktiv aus der Abwehr zu spielen und eigene Offensivaktionen zu starten.

FC Bayern Einzelkritik
:Abklatschen! Zähne fletschen! Fäuste ballen!

Franck Ribéry ist der Spieler des Tages und nimmt es alleine mit allen Schalkern auf, Jérôme Boateng überragt gegen Klaas-Jan Huntelaar, David Alaba ist der neue Motor im Bayern-Spiel - nur Mario Gomez stolpert wie in schlimmsten Länderspiel-Zeiten. Die Bayern beim 2:0 gegen Schalke in der Einzelkritik.

Thomas Hummel, Fröttmaning

Hätten die ehrfürchtigen Schalker nicht den famosen Timo Hildebrand im Tor gehabt, der Champions-League-Aspirant wäre in ein Desaster gerutscht. Doch auch ein Hildebrand hätte dies nicht verhindern können, hätten die Bayern einen Mittelstürmer mitgebracht. Oder zumindest einen, der glaubhaft versichern kann, er sei einer.

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Thomas Hummel, Fröttmaning

Als Mario Gomez den Platz verließ, schepperte höhnischer Applaus von den Rängen. Der 26-Jährige hatte zuvor furchtbar tollpatschig einige Chancen verstolpert, hatte als einziger der Münchner praktisch keinen Anteil am schönen Erfolg. Dabei fragten sich einige, ob der Mann mit der James-Dean-Tolle im Sturm wirklich Mario Gomez war. Denn mit dem Mario Gomez der Vorrunde, der bereits 18 Saisontore erzielt hat, der wuchtig, zielstrebig, sicher den Ball ins Netz haute, hatte der Stürmer mit der James-Dean-Tolle rein gar nichts mehr zu tun.

Die Ausschläge in der Formkurve des Mario Gomez sind erstaunlich. In diesem Körper befinden sich gleichzeitig eine Tormaschine von Weltformat mit allen Fähigkeiten und ein Stolper-Mario, dessen Laufstil sich in schlechten Phasen in den eines übergewichtigen Freizeitkickers verwandelt. Für die Bayern bahnt sich hier eine gefährliche Baustelle an, denn zu Gomez gibt es in der Sturmmitte keine Alternative. Ivica Olic fühlt sich am Flügel wohler, und Nils Petersen wird offenbar nichts mehr zugetraut. Und so begann bereits am Sonntag die Streicheleinheit: "Das ist eine normale Phase, die jeder Torjäger durchstehen muss. Er wird sich da wieder rausarbeiten und wir werden ihn unterstützen", erklärte Nerlinger, der erkennbar Luft aus der Angelegenheit nehmen wollte.

Doch die Münchner haben in dieser Saison bereits gezeigt, in solchen Fällen auch auf eine neue Strategie zugreifen zu wollen. Eine Strategie, auf die eigentlich Otto Rehhagel ein Patent angemeldet hat: die Wagenburg. Präsident Uli Hoeneß schimpfte zum wiederholten Mal über vermeintlich ungerechte Kritiker: Hätte es die mediale Hetzjagd nicht gegeben, "hätte Arjen Robben heute sicherlich zwei, drei Tore gemacht. Diese ewige Scheißdiskussion um Alleinunterhalter oder Egoist hat dazu geführt, dass er jetzt in vielen Situationen den Ball abspielt, wo er eigentlich alleine gehen müsste."

Mario Gomez ist darauf bereits geeicht: "Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen von irgendwelchen Ergebnissen oder Geschichten." Er kann eine Wagenburg Rehhagel'schen Ausmaßes nun gut gebrauchen. Und vielleicht knallt ihm Franck Ribéry demnächst eine Flanke derart auf den Kopf, dass selbst ein wankelmütiger Gomez nicht mehr daneben zielen kann.

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