FC Bayern München:Heynckes ist die erstaunlichste Geschichte der Saison

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Erste Schale als Trainer: Jupp Heynckes (2. von rechts) freut sich über die Meisterschaft 1989 mit Hans Pflügler, Raimond Aumann, Roland Grahammer und Roland Wohlfahrt (von links). (Foto: Martina Hellmann/dpa)
  • Das Spiel gegen Stuttgart an diesem 34. Spieltag ist das allerletzte Heimspiel von Jupp Heynckes mit dem FC Bayern.
  • Der Trainer resümiert noch einmal seine sehr erfolgreiche Zeit in München.
  • Währendessen trifft der Verein personell weitreichende Entscheidungen.

Von Sebastian Fischer

Am Morgen nach seiner ersten Meisterschaft als Trainer war Jupp Heynckes verkatert. Der Mann, dessen Lieblingsgetränk ein Glas frische Milch gewesen sein soll, hatte eine Zigarre geraucht, mit dem Torhüter Raimond Aumann. Heynckes habe gemeinsam mit der Mannschaft des FC Bayern gefeiert, sei sehr gelöst gewesen, "die erste Meisterschaft war die wichtigste für ihn", sagt Aumann: "Das hat ihn schon etwas lockerer gemacht."

29 Jahre später wird Jupp Heynckes, 73, an diesem Samstag, nach dem Spiel gegen den VfB Stuttgart, zum vierten Mal eine Meisterschale in die Luft heben, es wird die letzte sein, diesmal wirklich. Dass er eine Zigarre raucht, kann man sich kaum vorstellen, auch "auf die Bierdusche kann ich gut und gerne verzichten", sagt Heynckes. Um seine Lockerheit, manche sagen Gelassenheit, muss sich aber niemand sorgen. Die Gelassenheit, mit der Jupp Heynckes dem FC Bayern den Erfolg zurückbrachte und sich nun in den Ruhestand verabschiedet: Das bleibt ja die erstaunlichste Geschichte dieser Saison.

Die großen Abschiedsszenen wird es wohl erst in einer Woche geben, nach dem DFB-Pokalfinale in Berlin, auf dem Rathausbalkon in München und im Kleinen an der Säbener Straße; ein paar Tage werde er schon noch in seinem Büro sein, sagt Heynckes. Die Bayern werden es nach der Saison sicher nochmals in aller Ausführlichkeit würdigen, dass er seinem "Helfersyndrom" nachgab, wie er es nennt, dass er ein "Zubrot" gab, im vergangenen Oktober seinen Ruhestand unterbrach, um Harmonie und Selbstverständnis einer zerfaserten und ausgezehrten Mannschaft wiederherzustellen und aus fünf Punkten Rückstand auf Platz eins inzwischen 24 Punkte Vorsprung zu machen.

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Wenigstens ein bisschen begann die Zeit der Abschiede schon am Freitag, als er zum letzten Mal im Pressestüberl Platz nahm, um über ein Ligaspiel zu sprechen. Am Samstag wird er zum letzten Mal im Münchner Stadion an der Seitenlinie stehen. "Ein bisschen Wehmut wird sicherlich dabei sein", sagte er. Aber es klang, als würde er das Bisschen betonen.

Die Nachrichten, die es vor dem 34. Spieltag beim deutschen Meister zu vermelden gab, hatten ja sonst auch wenig mit Abschied zu tun, im Gegenteil. Die Rückkehr von Miroslav Klose steht seit Freitag fest, der frühere Nationalstürmer wird Trainer der U17. Nach wochenlangem Abwägen hat nach Franck Ribéry nun auch Arjen Robben entschieden, das Vertragsangebot des FC Bayern anzunehmen und noch ein Jahr zu bleiben, gleiches gilt für Verteidiger Rafinha.

Die Mannschaft, eine "tolle Gruppe", werde er "physisch und psychisch" in einem Topzustand übergeben, sagte Heynckes. Er sprach über Torwart Manuel Neuer, der am Freitag "70 bis 80 Prozent des Mannschaftstrainings" absolviert habe und im Finale gegen Frankfurt im Kader stehen könnte. Und Heynckes nutzte die Gelegenheit, um ein paar Schlussworte an die Bundesliga-Konkurrenten zu richten. "Sie müssen mehr Mut haben, mehr Risiko eingehen, mehr Selbstbewusstsein haben. Es dürfen nicht 17 Bundesligisten sagen: Bayern wird Meister."

Doch mit größtem Gefallen sprach er davon, wie er sich freue, zurückzukehren in die "Normalität des Alltags" in Schwalmtal am Niederrhein, also zu Frau, Hund und Fischteich, keine Termine mehr haben, am Samstag auch mal einschlafen, anstatt Fußball zu schauen. "Ich werde keine Entzugserscheinungen und keine Langeweile haben."

Schon 2013, als er sich das erste Mal aus dem Profifußball verabschiedete und dabei Meisterschaft, Pokal und Champions League gewann, hat niemand an seinen Fähigkeiten gezweifelt. Aber diesmal ist die Harmonie noch größer, diesmal haben die Bayern nicht wie damals in Pep Guardiola längst einen neuen Trainer verpflichtet, sondern lange versucht, Heynckes zum Bleiben zu überreden. Und auch wenn er Nein sagte, hat er den Respekt genossen, der ihm für seine Arbeit zuteil wurde. Die Ergebnisse dieser Saison, vorbehaltlich des Pokalfinales? "Ich bin sehr zufrieden damit", sagte er.

Raimond Aumann sagt über Jupp Heynckes übrigens, dass er der wichtigste Trainer seiner Karriere war. James Rodríguez, einer der Spieler dieser Saison, hat in dieser Woche gesagt: "Er hat mich besser gemacht." Alle Spieler haben am Mittwoch zu seinem 73. Geburtstag gesungen. Wenn jemand eine Frage habe oder Rat brauche, sagt Heynckes, dann könne er gerne vorbeikommen. Dafür stehe seine Tür immer offen, auch im Ruhestand.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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