FC Bayern in Köln:Angriff auf die Gemütlichkeit

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Doch kein Freund der Gemütlichkeit: Thomas Müller (rechts), hier im Zweikampf mit dem Kölner Sebastiaan Bornauw. (Foto: imago images/MIS)
  • Der FC Bayern siegt 4:1 in Köln, die Spieler finden trotzdem allerhand zu meckern.
  • Thomas Müller hadert mit der Münchner "Gemütlichkeit" nach der frühen 3:0-Führung: "In der Champions League darf man sich das nicht erlauben."
  • Hier geht es zur Tabelle der Bundesliga.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Es gibt nur vage Schätzungen, wie oft im Jahr in München überschwänglich ein "Prosit der Gemütlichkeit" besungen wird. Unzählige Male. Doch damit soll es ein Ende haben: Eine Widerstandsgruppe will diese Tradition eliminieren. "Wir müssen diese Gemütlichkeit ablegen", sagte am Sonntagabend ihr Sprecher Thomas Müller vor Journalisten.

Augenzeugen wollen Müller zuvor in einem Fußballtrikot gesehen haben, da hatte er in der deutschen Karnevalshauptstadt Köln einen Umgang mit dem Ball zelebriert, wie man ihn selbst in Reihen der besten deutschen Fußballmannschaft FC Bayern München nicht oft erlebt. Nach zwölf Minuten stand es 3:0 für München. Müller hatte zwei dieser Treffer vorbereitet. "So spielfreudig habe ich uns selten erlebt", sagte er nachher, "das war zum Zungeschnalzen."

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Nach 30 Minuten hätte Müller sogar vier Treffer vorbereitet und einen eigenen erzielt haben können, doch die Münchner opferten mit fortschreitender Spielzeit ihre Effektivität. Man kann aber auch nicht 90 Minuten lang Zungeschnalzen, das hält ja keine Zunge aus. Den Thomas Müller aber hat's gewurmt. Er hat hinterher moniert, dass es zur Pause bloß 3:0 gestanden hat und ganz am Ende bloß 4:1. Vermutlich hätte er sich gewünscht, dass man die Trefferarithmetik der ersten zwölf Minuten beibehält und am Ende 23:0 gewinnt.

"Aber das ist bloß menschlich, da haben wir es uns ein bisschen gemütlich gemacht", gestand er in einem Augenblick der Schwäche. Angesichts einer klaren Führung und deutlicher Dominanz hat man einen Gang zurückgeschaltet und das Spiel ein bisschen verwaltet. "In der Champions League darf man sich das allerdings nicht erlauben", sagte Müller mahnend mit Blick auf das Achtelfinal-Hinspiel nächste Woche Dienstag beim FC Chelsea in London: "Da kommt es auf jedes Tor an."

Die Kölner spielten anfangs wirklich unterirdisch

Das klang freilich so, als rechne Müller auch dort mit einer frühen Führung, die man dann erbarmungslos ausbaut. Aber da dachte der Angreifer ein bisschen zu egoistisch und übersah, wie schlecht die Kölner in der ersten Halbzeit gespielt hatten. Sie waren unterirdisch und lösten bei ihren Fans damit einen sehr seltsamen Zynismus aus. Die Kölner Fans schmetterten den absolut auf dem Niveau eines deutschen Meisters spielenden Münchnern entgegen: "Und ihr wollt deutscher Meister sein!" Anschließend unterstellten sie dem in Europa absolut jedem Paarhufer bekannten FC Bayern außerdem frech: "In Europa kennt euch keine Sau!" Dieses Repertoire wurde aus purer Verzweiflung geboren.

In München fragen sie sich unterdessen, was dieses dominante 4:1 gegen schwache Kölner wert ist, was es kurz vor den wegweisenden, englischen Wochen über den Zustand des FC Bayern verrät? "Wenn wir zu solch furiosen Phasen wie zu Beginn in der Lage sind, dann sehe ich uns auf einem guten Weg", sagte Müller, "andererseits wollen wir das, was wir in der zweiten Halbzeit dann nur noch gespielt haben, nicht mehr allzu oft sehen."

Auch der Torwart Manuel Neuer fand "beeindruckend, wie wir begonnen haben, mit dieser Trefferquote". Im Laufe des Spiels habe man aber leider abgebaut, man hätte sonst auch "10:0" gewinnen können: "Wir müssen uns ankreiden, dass wir dann nicht mehr so konstant und konsequent gespielt haben wie in der ersten Halbzeit."

Neuer hatte dafür äußerst sachliche Gründe angesichts der Einwechslung des linksfüßigen Innenverteidigers Lucas Hernández, der in der zweiten Halbzeit rechts neben dem linksfüßigen Innenverteidiger David Alaba spielte. Neuer sagte: "Es war dann mit dem Aufbau nicht mehr so leicht durch zwei Innenverteidiger, die über den linken Fuß kommen, dadurch mussten wir mehr und mehr lange Bälle schlagen, es war nicht mehr so viel Spielfluss drin, auch die Staffetten gingen nicht mehr über fünf Pässe hinaus."

Dies war allerdings nicht der Grund, warum der Trainer Hansi Flick nach dem Spiel die offizielle Pressekonferenz schwänzte. Der erkältete Flick erlitt während eines TV-Interviews kurz nach dem Spiel einen solchen Hustenanfall, dass er sich weiteres Sprechen lieber ersparte. "Über die zweite Halbzeit ist man eher ein bisschen verärgert", hatte er noch herausgebracht, dann war es um seine Stimme geschehen.

Umso auskunftsfreudiger zeigte sich Müller. "Das ist doch momentan ein schöner Vierkampf an der Tabellenspitze, der neutrale Zuschauer findet's klasse - eventuell", witzelte der Angreifer, der unter Flick zu absoluter Höchstleistung aufläuft und daraus einen Optimismus schöpft, der dem neutralen Zuschauer womöglich aber aufstößt: "Wir wollen schauen, dass wir in den nächsten Wochen unseren Vorsprung an der Tabellenspitze ausbauen", sagte Müller und zeigte sich entschlossen, die schöne Spannung an der Tabellenspitze wieder auszumerzen. Die Bayern wollen halt doch wieder frühzeitig Meister werden und dann zumindest in der Bundesliga schon im April oder frühen Mai singen können: "Ein Prosit der Gemütlichkeit!"

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