FC Bayern und Katar:Ein Stuhl auf dem Podium bleibt leer

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Bayern-Fans protestieren mit einem Banner gegen das Trainingslager des Vereins in Katar. (Foto: Guenter Schiffmann/imago)
  • Zwei nepalesische Wanderarbeiter referieren auf Einladung von Bayern-Fans über die Lage in Katar, wo der Klub seit Jahren sein Wintertrainingslager abhält.
  • Immer wieder sieht sich der deutsche Rekordmeister wegen seiner Beziehungen nach Doha öffentlicher Kritik ausgesetzt.
  • Ein Menschenrechtler wirft dem FC Bayern eine "hinterlistige" Strategie vor.

Von Sebastian Fischer

Neben dem jungen Mann aus Nepal blieb ein Stuhl leer. Der Mann, der seinen Namen aus Furcht vor Repressionen an seinem Arbeitsplatz in Katar nicht nennen wollte, erzählte von den Verhältnissen dort, von Nöten seiner Landsleute, von Ausbeutung und unwürdigen Bedingungen. "Ich bin das lebendige Beispiel", sagte er, das lebendige Beispiel für den Alltag in dem Land, mit dem der FC Bayern Geschäftsbeziehungen unterhält.

Für den Klub war der leere Stuhl auf der Bühne reserviert. Doch es hing nur ein Trikot über der Lehne, als Symbol für das öffentliche Schweigen des wichtigsten deutschen Fußballvereins. Dieses Schweigen war das Thema des Abends.

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Der Raum im EineWeltHaus in München war voll am Donnerstag. Mehr als 100 Gäste waren der Einladung des "Club Nr. 12" gefolgt, dem unabhängigen Zusammenschluss der aktiven Fans des FC Bayern. Sie hatten eine Podiumsdiskussion organisiert: "Katar, Menschenrechte und der FC Bayern - Hand auf, Mund zu?"

Der Klub erklärt, dass er den Dialog "in vertraulicher Atmosphäre" bevorzuge

Seit Jahren sieht sich der deutsche Rekordmeister wegen seiner Beziehungen nach Doha öffentlicher Kritik ausgesetzt, und es sind vor allem die Anhänger in der Südkurve, die Protest äußern: mit Transparenten im Stadion, auf denen das Trainingslager angeprangert wird, das der Klub gerade zum zehnten Mal in Doha abhielt, oder das Sponsoring durch die Fluggesellschaft Qatar Airways. Doch nun, so sahen es die Beteiligten, hat die Kritik eine neue Stufe erreicht. Erstmals waren zwei Wanderarbeiter in München, die für rund zwei Millionen Arbeitsmigranten in Katar sprechen konnten; für viele Tote, die Menschenrechtsorganisationen wegen fehlender Auskunftsbereitschaft in Katar nicht beziffern können.

Am Nachmittag waren die zwei Nepalesen im Rathaus gewesen, um auf Einladung der Linken mit Stadträten zu sprechen. Ihre Reise finanziert die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Am Wochenende sind sie zur nächsten Podiumsrunde in Berlin, am Montag treffen sie die Grünen-Bundestagsabgeordnete Margarete Bause. Sie wollten beide nicht fotografiert werden und ungern mit Namen in der Zeitung erscheinen. Sie haben studiert, sie referierten auf Englisch. Sie sind für Shramik Sanjal aktiv, ein Netzwerk nepalesischer Wanderarbeiter, der Mehrheit unter den Arbeitsmigranten in Katar, auch auf den Baustellen für die WM 2022.

Bereits 2014 hatte Katar unter großem internationalen Druck Reformen am "Kafala"-System angekündigt, das nach Ansicht von Kritikern die Rechte von Arbeitnehmern massiv einschränkt. Just am Donnerstag bescheinigte die internationale Arbeitsorganisation (ILO) Katar einen großen Fortschritt: Per Dekret habe die Regierung eine Regel für ausländische Arbeiter abgeschafft, laut der ihnen eine Ausreise nur gestattet war, wenn sie vorher eine Erlaubnis bei ihren Arbeitgebern eingeholt hatten. Doch die Nepalesen in München, die berichteten, in Katar regelmäßig mit Arbeitern auf den Baustellen in Kontakt zu sein, sprachen skeptisch über die Reformen: Seit Jahren sei seitens der ILO von Verbesserungen die Rede, doch nur wenige der gesetzlichen Änderungen kämen in der Praxis an; nur wenige Arbeitgeber würden diese wirklich anwenden, nur wenige Arbeitnehmer um ihre Rechte wissen: "Die Realität ist ganz anders."

In der Realität, berichteten sie, würden Pässe weiter einbehalten und Bewegungsfreiheit beschränkt. Deshalb brauche es weiterhin dringend Menschen, die den Arbeitern in Katar in aller Öffentlichkeit eine Stimme geben. Noch im vergangenen Jahr dokumentierte der Journalist Benjamin Best, der die Runde am Donnerstag moderierte, mit versteckter Kamera in Unterkünften der Arbeitsmigranten prekäre Bedingungen, die es so angeblich gar nicht mehr geben sollte.

Den Kontakt zwischen den Nepalesen und den Bayern-Fans hatte der Menschenrechtler Nicholas McGeehan hergestellt, der ebenfalls auf der Bühne saß - und den eine besondere Geschichte mit dem FC Bayern verbindet. Als er noch für Human Rights Watch arbeitete, war er an der Ausarbeitung einer Handlungsempfehlung beteiligt, die der Klub vor seinen Sponsoring-Deals in Auftrag gegeben haben soll. McGeehan, inzwischen nicht mehr für die Organisation tätig, sagte 2018 dem norwegischen Magazin Josimar, dass die Bayern die Expertise ignoriert hätten. Die Empfehlung sei gewesen, den Einfluss in der Region zu nutzen, um öffentlich Verbesserungen der Menschenrechtssituation zu fordern. Entsprechende deutliche Äußerungen vom FC Bayern gibt es aber bis heute eher nicht. "Sneaky", nannte McGeehan die Strategie des Klubs: hinterlistig.

Der FC Bayern erklärte auf Anfrage, dass er den Dialog "in vertraulicher Atmosphäre" bevorzuge. "Wenn es lediglich darum geht, publikumswirksam Standpunkte durch gewählte Diskussionspartner gegen andere Positionen abzugrenzen, werden wir uns daran nicht beteiligen." Der Klub verweist darauf, dass sich die Situation für Arbeiter in Katar auch nach Ansicht von Beobachtern zum Besseren verändert habe. In Zukunft sei außerdem ein Round-Table-Gespräch geplant, an dem auch Hassan Al-Thawadi teilnehmen soll, Chef des Organisationskomitees der WM 2022. Doch die Fans bleiben skeptisch.

"Wenn man es nicht schafft, mit den eigenen Anhängern zu sprechen", fragte gegen Ende des Abends einer, "wie soll das mit den Repräsentanten eines diktatorischen Regimes gehen?" Er erhielt dafür Applaus.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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