Fußball: FC Bayern und Louis van Gaal:Schlussstrich mit Verspätung

Lesezeit: 3 min

Die Entlassung von Louis van Gaal ist nicht nur die Reaktion auf das drohende Verpassen der Champions-League-Qualifikation. Sie ist auch das Geständnis der Bayern-Bosse, mit dem Trainer nicht zurechtgekommen zu sein. Van Gaal muss sich den Vorwurf gefallen lassen, seine eigenen Grundsätze missachtet zu haben.

Jürgen Schmieder und Michael König

Es ist also doch passiert, der FC Bayern hat seinen Trainer Louis van Gaal beurlaubt. Nach dem Scheitern im Titelkampf und dem Ausscheiden im DFB-Pokal sahen die Verantwortlichen nach dem 1:1-Unentschieden in Nürnberg am Samstag auch noch das Mindestziel in Gefahr: die Teilnahme an der Champions League in der kommenden Saison, deren Endspiel ausgerechnet in München ausgetragen wird.

FC Bayern: Louis van Gaal
:Feierbiest und Sturkopf

Van Gaals Ära beim FCB war ein ständiges Auf und Ab. Er kam als dominanter Fußballlehrer, stand kurz vor dem Aus - und führte den Klub ins Finale der Champions League. Jetzt muss er gehen. Seine Zeit beim Rekordmeister in Bildern.

Jürgen Schmieder

Bis zuletzt wussten sie beim FC Bayern nicht so recht, was sie anfangen sollten mit diesem Trainer, dessen Talent und Fachkenntnis nur von seinem Selbstbewusstsein übertroffen wurde. Bereits im März stand nach mehreren Misserfolgen in Folge die Entlassung zur Debatte. Damals entschied sich der Klub jedoch dazu, van Gaal bis zum Saisonende weiterzubeschäftigen und erst dann durch Jupp Heynckes zu ersetzen.

Die Bayern wollten die Trennung, aber keine schnelle, nach Aktionismus riechende Demission. Sie waren überzeugt, auf diese Weise könnten beide Seiten ihr Gesicht wahren - die machtbewussten Klubbosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge auf der einen, der sture Coach van Gaal auf der anderen Seite.

Sie rieben sich an diesem Trainer, dass die Funken schlugen - nur wusste niemand so recht, ob diese Funken am Ende nicht einen Flächenbrand auslösen würde. Die angekündigte Trennung zum Saisonende war eine halbherzige Löschaktion - rückblickend raubte sie dem Trainer die Autorität und dem Team das nötige Feuer, um die Saison noch zu einem guten Ende zu bringen.

Groteske Fehler in der Defensive

Der Umgang mit van Gaal war schwierig, war geprägt von einer dauerhaften Ambivalenz. Van Gaal hat diesem Verein ein Gesicht mit hohem Wiedererkennungswert gegeben - aber eines, dass zwei Ausdrücke kannte. Da war die forsche und fröhliche Miene, der Offensivfußball, der nicht nur von den Anhängern des FC Bayern bewundert und bejubelt wurde. Aus Ballkontrolle wurde Offensivspektakel wie etwa beim 6:0 gegen Hamburg vor vier Wochen.

Der andere Ausdruck war eine Mischung aus Gähnen und Schockstarre. Aus Ballkontrolle wurden endlose Ballstaffetten im Mittelfeld ohne kreativen Moment, oft dann noch erweitert um groteske Fehler in der Defensive. Beim Champions-League-Aus gegen Inter Mailand (2:3) zeigte sich beides exemplarisch.

Dazu kam die Personalpolitik van Gaals, bei der die Verantwortlichen wahlweise genüsslich mit der Zunge schnalzten (die Beförderung Holger Badstubers und Thomas Müllers zu Stammspielern) oder ungläubig den Kopf schüttelten (der Verkauf von Lucio, die Degradierung Jörg Butts). Dass der von van Gaal zum Stammkeeper beförderte Nachwuchstorwart Thomas Kraft beim 1:1 in Nürnberg den entscheidenen Fehler machte, passte ins Bild - und dürfte die Bayernbosse bestärkt haben.

Dies alles wurde flankiert von markigen Aussagen van Gaals über die Qualität seiner Arbeit, bei der sich die Verantwortlichen nicht sicher waren, ob sie sie als bajuwarisches Selbstverständnis auslegen sollten oder als maßlose Arroganz - ob van Gaal nun Reizfigur sei oder doch vielmehr ein Großkotz.

FC Bayern: Einzelkritik
:Verkehrte Welt

Thomas Kraft passt zum Gegner, Arjen Robben beleidigt den Referee, Mario Gomez vergibt größte Chancen und im Mittelfeld spielt Mark van Bommel light. Der FC Bayern beim 1:1 in Nürnberg in der Einzelkritik.

Maik Rosner, Nürnberg

Auch die Resultate gaben nur selten Aufschluss darüber, ob es klappen könnte zwischen dem eigenwilligen Verein und dem eigenwilligen Trainer. Zu Beginn seiner Amtszeit waren die Ergebnisse unbefriedigend, dann legte der Verein eine Siegesserie hin, die im Gewinn der Meisterschaft und des DFB-Pokals sowie dem Erreichen des Champions-League-Endspiels mündete. Aus der Reizfigur wurde das Feierbiest, das auf dem Rathausbalkon tanzte.

Im zweiten Jahr der Regentschaft waren die Ergebnisse wieder nicht zufriedenstellend - doch diesmal blieb der Umschwung aus. Die Mannschaft wirkte zunächst müde vom WM-Sommer in Südafrika, dann verunsichert, schließlich frustriert. Aus dem Feierbiest van Gaal wurde der schlecht gelaunte Großkotz - und schließlich, nach der angekündigten Trennung, die lahme Ente.

Wahrscheinlich fragen sie sich mittlerweile beim FC Bayern, ob dieser wundersame Lauf im Frühjahr 2010 wirklich durch den Trainer verantwortet wurde - oder ob es es nicht eine glückliche Fügung des Schicksals war, dass Arjen Robben immer dann ein prächtiges Tor erzielte, wenn eines benötigt wurde. Im Saisonendspurt 2011 wird Robben vorerst keine Wundertore schießen können - er sah in Nürnberg nach dem Schlusspfiff die rote Karte wegen Schiedsrichterbeleidigung. Das wird van Gaals Chancen auf Weiterbeschäftigung nicht verbessert haben.

Dem Trainer bleibt der Respekt für die schönen Erfolge mit dem FC Bayern im ersten Jahr. Im zweiten Jahr hat er Verantwortung dafür zu tragen, außer dem sportlich wertlosen Supercup keinen Titel geholt zu haben. Schlimmer für ihn persönlich wird aber der Vorwurf wiegen, sich verbogen zu haben, um bis Saisonende Trainer bleiben zu dürfen.

Der stolze Holländer hatte stets angekündigt, bei mangelnder Rückendeckung seitens des Vereins von selbst aufhören zu wollen. Folglich hätte er im März die Konsequenzen ziehen müssen. Doch van Gaal blieb - womöglich im Hinblick auf die Millionen Euro, die ihm im Falle einer Kündigung entgangen wären. Vielleicht auch aus falscher Eitelkeit.

Die Bayern ließen es zu und müssen sich jetzt eingestehen, an dem eigenwilligen Trainer gescheitert zu sein. Der hatte bei seiner ersten Pressekonferenz gesagt, er stehe für Selbstbewusstsein und Arroganz - aber auch für eine besondere Wärme. Am Ende ist nur die Arroganz übriggeblieben.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: