Champions-League-Finale:Flick vertraut dem Risiko

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Hansi Flick bei der Pressekonferenz vorm Finale in Lissabon. (Foto: dpa)

Auch gegen die flinken Stürmer von Paris will der Bayern-Trainer seine offensive Taktik durchziehen. Der Glaube an die eigene Stärke ist beim FC Bayern vor dem Finale enorm hoch.

Von Martin Schneider

Pressekonferenzen vor wichtigen Fußballspielen leiden an einem unauflöslichen Dilemma. Sie werden abgehalten, um Informationen zu liefern aber eigentlich hilft jede echte Information nur dem Gegner. Meistens wird es dann, je nachdem wie man will, ein Balanceakt oder ein rhetorisches Rumgeeiere, mit verschiedenen Formulierungen, dass man sich auf das Spiel freue und dass man gut vorbereitet sei.

Es gibt aber ein paar Ausnahmen, manchmal sind diese Veranstaltungen verkappte Shows. Als der FC Bayern zum Beispiel vor zwei Jahren das Champions-League-Halbfinale bei Real Madrid spielte, wollte die gesammelte spanische Presse von James Rodriguez (damals Stammspieler beim FC Bayern, so schnelllebig ist das Fußballgeschäft) wissen, warum er so gut in Form sei und ob er wieder zurückkomme. Es war vermutlich die einzige Pressekonferenz der Geschichte, bei der Thomas Müller, der neben James saß, nicht zu Wort kam. Manchmal benutzen Trainer diese Gelegenheiten auch zum Pokern beziehungsweise zum Bluffen. Vor dem Achtelfinale gegen Liverpool wurde Niko Kovac (damals Cheftrainer beim FC Bayern, so schnelllebig ist das Fußballgeschäft) gefragt, was für ein Spiel er erwarte. Er sagte, alles könne passieren, nur ein "0:0 kann ich ausschließen." Kovac sagte das in dem Wissen, dass er mit einer Taktik spielen würde, die nichts Anderes als ein 0:0 zum Ziel hatte.

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Auch Hansi Flick wurde am Samstag vor einem Reporter nach seiner Endspiel-Taktik gegen Paris am Sonntag gefragt und in der Frage steckt alles, worüber die Experten seit dem Spiel gegen Lyon rätseln. Der FC Bayern, referierte der Fragesteller, verteidige ja sehr hoch, stehe also mit der Viererkette an der Mittellinie oder sogar in der gegnerischen Hälfte. Das habe schon gegen Lyon zu gefährlichen Szenen geführt und ob das nicht gegen die sehr schnellen Stürmer von Paris (Neymar, Mbappé, di Maria, Anm.) ein zu riskantes Vorgehen sei.

Flick reagierte gelassen: "Es hat uns bisher ausgezeichnet, dass wir so hoch agieren. Klar ist der Raum hinter der Abwehrreihe relativ groß, aber wichtig ist, dass wir Druck auf den Ball bekommen", dozierte Flick. "Paris hat fußballerisch enorme Qualität, da ist sehr, sehr viel Speed vorhanden", sagte er. Aber: "In den vergangenen Monaten hat sich unser Stil aber durchgesetzt. Wir werden da nicht groß was dran ändern."

Die Gefahr, dass Kylian Mbappé allein über die grüne Wiese auf Manuel Neuer zuläuft, kalkuliert Flick also ein. Und auch wenn es sich im ersten Moment so anfühlt, als hätte Flick seinem Kollegen Thomas Tuchel beim Pokern das Blatt gezeigt - überraschen wird das den PSG-Trainer nicht. Wer 29 Spiele nacheinander mit einer Taktik nicht verliert, der ändert sie natürlich nicht beim 30. und wichtigsten Versuch. Flick vertraut einfach darauf, dass er ein System geschaffen hat, dass so gut ist, dass man es ruhig vorher kennen kann.

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Auf der Pressekonferenz am Abend wirkte Tuchel dann auch so, als ob er genau wüsste, was auf ihn zukomme. Die Bayern hätten "das höchste Niveau in Europa", auf seine Mannschaft warte "ein hartes Stück Arbeit". Er durfte sich zuvor über ein paar wohltuende Worte von Mbappé freuen, der ihn als "großen Trainer" bezeichnete. "Natürlich spielen wir morgen auch für ihn", sagte der französische Weltmeister.

Was Tuchel und Flick nicht verraten wollten, war die konkrete Aufstellung. Bei Paris stehen kleine Fragezeichen hinter Torhüter Keylor Navas, der das Halbfinale gegen Leipzig verpasste, aber wieder fit sein soll und hinter Mittelfeld-Regisseur Marco Verratti - unter normalen Umständen ein gesetzter Spieler, aber auch nicht zu hundert Prozent fit.

Bei Bayern dürfte sich im Vergleich zu den Siegen gegen Barcelona und Lyon dagegen nichts verändern. Jérôme Boateng, gegen Lyon mit muskulären Problemen ausgewechselt, ist offenbar fit. Er nahm am Abschlusstraining teil, ähnlich wie Benjamin Pavard. Er wolle sich die letzte Einheit noch mal angucken, ehe er über die Startformation entscheide, sagte der Bayern-Trainer. Allerdings sei er bei Pavard "nicht davon überzeugt, dass er zu hundert Prozent fit ist". Auch Ivan Perisic lieferte in beiden Spielen keine Gründe, ihn gegen Kingsley Coman oder Philippe Coutinho zu tauschen. Bilder vom Abschlusstraining untermauerten diese Vermutung - Flick ließ die bewährte Startelf zusammen agieren. Tuchel sagte, er glaube nicht, dass das den Zweck habe "uns zu verwirren".

"Ich hab die Aufstellung auch noch nicht bekommen. Bis dahin geh' ich mal davon aus, dass es die Rechtsverteidigerposition sein wird", sagte auch Joshua Kimmich gut gelaunt, als er danach gefragt wurde. Schon nach dem Barcelona-Spiel meinte er, dass er nur diesen Henkelpott gewinnen wolle und im Notfall auch "im Sturm auflaufen" werde.

Kimmich steht zum ersten Mal im Champions-League-Finale und obwohl er ja auch noch kein biblisches Alter erreicht hat - er ist 25 - betonte er, dass er sich auf das Spiel freue, weil er es in seinem fünften Jahr beim FC Bayern zum ersten Mal ins Finale geschafft habe. Besonders mitgenommen hatte ihn die Niederlage vor zwei Jahren im Santiago Bernabéu gegen Real Madrid - nach dem Aus weinte er in den Armen von Toni Kroos. Vergangenes Jahr war er im entscheidenden Rückspiel gegen Liverpool wegen einer übermütigen gelben Karte gesperrt.

Kimmich beschrieb noch einmal den Tagesablauf am Sonntag: Frühstück, frühes Training, Mittagessen, Mittagsruhe, Besprechung - und dann Spiel. Und dann musste er natürlich auch erzählen, was er vor dem größten Spiel seiner Karriere empfinde. "Die Generation vor uns hat ja zwei Anläufe gebraucht", sagte Kimmich und meinte damit die Lahm/Schweinsteiger-Mannschaft, die erst gegen Chelsea verlor und dann den BVB im Wembley-Stadion schlug. "Wir wollen es direkt im ersten Anlauf schaffen."

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