FC Bayern in der Euroleague:"Es sind wirklich verrückte Umstände"

Lesezeit: 3 min

In Diskussionen: Trainer Pablo Laso ist sauer über die entscheidenden Ballverluste von Leonardo Bolmaro. (Foto: Milos Vukadinovic/Getty)

An einem denkwürdigen Abend in Tel Avivs neuer Heimspielstätte in Belgrad verliert der FC Bayern 23 Mal den Ball - im Mittelpunkt steht der bemitleidenswerte Leonardo Bolmaro.

Von Sebastian Winter

Den Abend in der Aleksandar-Nikolic-Halle dürften die Spieler von Maccabi Tel Aviv und Bayern München nicht so schnell vergessen. Normalerweise unterstützen dort, im Bezirk Palilula im Norden der serbischen Hauptstadt Belgrad, 8000 Zuschauer ihren Klub Partizan. Der Lärm ist oft ohrenbetäubend, so heißblütig sind sie. Am Donnerstag aber hörte man die Rufe der Trainer und das Quietschen der Schuhsohlen auf dem Parkett selbst über die Mikrofone des Senders, der das Spiel live übertrug. Kein einziger Fan war in der Halle, die Tribünen blieben menschenleer.

Es herrschte Corona-Geisterspiel-Atmosphäre, aber keine Pandemie war der Grund, sondern der Krieg in Gaza. Maccabi darf deswegen aus Sicherheitsgründen seine Heimspielstätte nicht mehr nutzen, bis auf Weiteres ist Belgrad nun das neue Zuhause Tel Avivs in der Basketball-Euroleague. Allerdings ohne Zuschauer, ebenfalls wegen der Sicherheit in Zeiten, in denen Staatsbürger Israels an vielen Orten der Welt angefeindet und bedroht werden.

"Wir alle spielen für unsere Familien, für all die gekidnappten Menschen."

Maccabi gewann die Partie gegen die Bayern 93:90 (46:43), das war der sportliche Trost. In den Aussagen der Spieler und des Trainers erkannte man zugleich, wie sehr es sie schmerzt, in der Diaspora spielen zu müssen. Maccabis israelischer Coach Oded Kattash gab zu Protokoll: "Es ist nicht einfach, ohne Publikum zu spielen, wir mussten erst unsere Energie finden. Es sind wirklich verrückte Umstände. Gerade fühlt es sich nicht wie zu Hause an. Hoffentlich finden wir ein Zuhause hier."

Point Guard Tamir Blatt, der in Netanya 30 Kilometer nördlich von Tel Aviv geboren wurde und bis vergangenen Sommer bei Alba Berlin spielte, kam ganz von selbst auf jenes Thema, das Maccabi gerade weit mehr beschäftigt als der Sport: "Zunächst einmal möchte ich über die Situation in meinem Heimatland sprechen. Wir alle spielen für unsere Familien, für all die gekidnappten Menschen. Alles was wir wollen ist, dass sie nach Hause zurückkehren." Blatt äußerte dann noch die Hoffnung, "dass wir manchen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern", der Sport kann ja auch in düstersten Stunden eine Ablenkung sein.

Was ebenso klar war an diesem Abend, aus sportlicher Sicht: Die Spieler des FC Bayern hatten nach dem Schlusspfiff kein Lächeln im Gesicht, nach ihrer vierten Niederlage in Serie in der Euroleague. Auch nicht Carsen Edwards (17 Punkte) und Serge Ibaka (16), die beiden besten Werfer der Gäste an diesem Abend.

Die Münchner hatten stark begonnen, zunächst 7:2 geführt und später 19:17 nach dem ersten Viertel, ihre Defense stand gut. Sie hatten die weitaus bessere Wurfquote aus dem Feld. Beim 36:31 führten sie immer noch, von Wade Baldwin, dem ehemaligen Münchner in Diensten Maccabis, war nach seiner auskurierten Rückenverletzung bis dahin ebenso wenig zu sehen wie von seinem Partner Lorenzo Brown, der anderen Säule in Tel Avis Aufbauspiel.

Keine schöne Perspektive: Bayerns Bester Carsen Edwards (unten) sieht den einstigen Bayern und aktuellen Maccibi-Aufbauspieler Wade Baldwin an sich vorbeiziehen. (Foto: Milos Vukadinovic/Euroleague Basketball via Getty)

Es gab nur zwei Probleme an diesem Abend aus Münchner Sicht, die alle anderen positiven Aspekte zunichte machten. Das eine waren die Freiwürfe: Nur neun von 14 landeten im Korb, während Maccabi weitaus mehr Punkte von der Linie machte: 23 von 25 bedeutete eine herausragende Quote von 92 Prozent.

Das zweite, noch größere Problem: die Turnovers. Die Münchner schafften es, 23 Mal den Ball zu verlieren. Auch in der Phase kurz nach der Halbzeitpause, als Maccabi erstmals auf einen komfortablen Vorsprung (67:59) kam. Besonders schmerzhaft wurden diese Schludrigkeiten drei Minuten vor Schluss. Da hatten sich die Münchner auch durch Leandro Bolmaro wieder herangekämpft auf 82:83, doch dann verlor der 23-jährige Argentinier binnen weniger Sekunden gleich zweimal völlig unnötig den Ball im Aufbauspiel. Diese Szenen waren der Schlüssel für Maccabis knappen Sieg. Bayern-Trainer Pablo Laso schäumte vor Wut, später kleidete er seine Analyse in Diplomatie: "Ich denke, wir hatten ein ziemlich solides Spiel, in vielen Situationen offensiv wie defensiv. Aber wenn du den Ball 23 Mal verlierst, wird es schwer. Wir haben in entscheidenden Momenten den Ball verloren, daraus müssen wir für die Zukunft lernen."

Die Bayern können aus der Niederlage in Belgrad auch lernen, wie man das eigene Spiel dosiert, am Sonntag (17 Uhr) sind sie ja schon wieder gefordert, in der Bundesliga bei den Telekom Baskets Bonn. Baldwin und Brown übrigens fanden in der zweiten Halbzeit genau zum richtigen Zeitpunkt ihre Linie. Trotzdem wurde keiner von ihnen zum Spieler des Spiels gewählt, sondern Maccabis Bonzie Colson, der 19 Punkte warf - und all seine fünf Freiwürfe traf.

Aber auch diese Statistik stand am Donnerstagabend nicht im Mittelpunkt. In einem Spiel, das Tamir Blatt mit dem Satz schloss: "Wir vermissen unsere Fans."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Dennis Schröder bei den Raptors
:Der Ober-Dino von Toronto

Neues Team, neuer Trainer und Dennis Schröder spielt einfach weiter so, als sei noch Basketball-WM. Der Weltmeister zeigt in Kanada zum Saisonstart seine Qualitäten - auch im Duell mit Maxi Kleber, mit dem ihn eine pikante Vorgeschichte verbindet.

Von Jonas Beckenkamp

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: