Bayern-Basketballer:Mit Empfehlungen aus der NBA

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Bald Teamkollegen: Vergangene Saison spielten Carsen Edwards (vorne) und Nick Weiler-Babb noch gegeneinander. (Foto: Eduard Martin/Jan Huebner/Imago)

Neuer Trainer, neuer Spielmacher und ein altbekannter Center: Die Münchner versuchen sich unter Erfolgscoach Pablo Laso an einem schwierigen Spagat - im Klub herrschen andere Prioritäten als zuletzt.

Von Ralf Tögel

Die Königspersonalie hatte Priorität. Zumal sich ja früh abgezeichnet hatte, dass Andrea Trinchieri nach der Saison nicht mehr Trainer der Münchner Basketballer sein würde: Drei Jahre sei seine übliche Verweildauer bei einem Klub, hatte er zu Beginn seiner Amtszeit beim FC Bayern einmal erzählt, folglich konnten die Verantwortlichen, die ihr Personal bekanntermaßen aufmerksam begleiten, sich zeitig um einen Nachfolger für den Italiener bemühen.

Diesem frühen Handlungszwang war es unter anderem zu verdanken, welch prominenten Übungsleiter der FC Bayern sich als Nachfolger angeln konnte: Im Spanier Pablo Laso kam der ehemalige Trainer der Königlichen, der mit Real Madrid höchste europäische Meriten gesammelt hatte, einer - um im Bild zu bleiben - mit royalem Glanz. Mit und um den 55-Jährigen stellen die Münchner nun eine Mannschaft zusammen, die den Ertrag der vergangenen drei Spielzeiten, der mit zwei Pokalsiegen überschaubar blieb, deutlich übertreffen soll.

Vor allem die Basketball-Bundesliga (BBL) hat Priorität. Das war zwar auch in den vergangenen drei Jahren jeweils so kommuniziert worden, dennoch musste man den Eindruck gewinnen, dass Trinchieri seinen Fokus auf die Euroleague legte. Das brachte den Bayern zwar zweimal nacheinander die Playoff-Teilnahme ein, aber nichts für den Briefkopf - ihr letzter nationaler Titel stammt aus dem Jahr 2019.

Wegen der 6+6-Regel, die in der BBL eine paritätische Anzahl deutscher und ausländischer Spieler voraussetzt (im Gegensatz zur Euroleague), ist die stark besetzte deutschen Fraktion im Kader weitgehend unberührt geblieben. Lediglich Paul Zipser wurde nach Heidelberg abgegeben, dort soll er Spielpraxis sammeln, zu alter Stärke finden und im Optimalfall zurückkehren, was sich der FC Bayern per Option gesichert hat. Die Nationalspieler Andreas Obst, Niels Giffey, Isaac Bonga und Nick Weiler-Babb bleiben. Sie stehen im vorläufigen 18er-Kader für die Weltmeisterschaft in Japan, Indonesien und den Philippinen (25. August bis 10. September) und haben gute Chancen, auch im auf zwölf Akteure reduzierten WM-Aufgebot noch dabei zu sein. In Niklas Wimberg und Elias Harris sind noch zwei ehemalige Nationalspieler im Team, auch Nelson Weidemann, der nach einer Leihe aus Chemnitz zurückkehrt, hat kürzlich im Nationaltrikot debütiert.

Ein Argentinier in München: Nationalspieler Leandro Bolmaro (hier gegen Puerto Rico) wird künftig für die Münchner dribbeln. (Foto: Lucio Tavora/Xinhua/Imago)

Die großen Änderungen gibt es auf den kleinen Positionen. In Ognjen Jaramaz (zu Partisan Belgrad), Corey Walden (Galatasaray Istanbul), Cassius Winston (Tofus Bursa/Türkei) und Zan Mark Sisko (bereits Ende 2022 ausgeschieden, nun in Breogan/Spanien) haben die Münchner nahezu die gesamte Spielmachergarde ausgetauscht - und in den vergangenen Tagen vielversprechende Nachfolger bekannt gegeben: Der argentinische Nationalspieler Leandro Bolmaro unterschrieb für zwei Jahre. Der 22-Jährige kommt vom spanischen Erstligisten Teneriffa und bringt aus den Spielzeiten davor 49 NBA-Einsätze für Minnesota und Utah mit.

Auch der französische Nationalspieler Sylvain Francisco, der im Gegensatz zu seinen künftigen Teamkollegen den Sprung in den endgültigen WM-Zwölferkader seines Landes bereits geschafft hat, wird für zwei Spielzeiten bleiben. Der 25-Jährige wechselt vom griechischen Meisterschaftsdritten Peristeri. Den jüngsten und interessantesten Zugang präsentierte der Pokalsieger am Freitag: Carsen Edwards wechselt mit der Empfehlung von 72 NBA-Einsätzen für Detroit und Boston an die Isar. Auch in der Euroleague hat der 25-Jährige bereits Erfahrung gesammelt. In der vergangenen Saison spielte der US-Guard für den türkischen Titelanwärter Fenerbahce Istanbul. Damit haben die Bayern ihre Bemühungen für den Backcourt als abgeschlossen erklärt.

Dem Vernehmen nach wird bald ein alter Bekannter unter dem Korb stehen: Center Devin Booker steht vor einer Rückkehr nach München

Unter dem Korb besteht indes noch Handlungsbedarf, denn Zylan Cheatham ist zu den New Zealand Breakers abgereist und der zuletzt an einem Bandscheibenvorfall laborierende Othello Hunter, dessen Vertrag ausgelaufen ist, wird wohl ebenfalls nicht zurückkehren. Augustine Rubit wird zwar bleiben, wegen seiner Achillessehnenverletzung aber noch ein halbes Jahr pausieren müssen. Dafür ist ein alter Bekannter im Anmarsch: Dem Vernehmen nach sind sich die Münchner mit Devin Booker einig, der wie Spielmacher Edwards ebenfalls von Fenerbahce kommen wird. Der 32-Jährige war bereits drei Spielzeiten (2016 bis 2019) für die Bayern aktiv und soll neben Freddie Gillespie Wucht unter dem Korb bringen. Neu ist auch der 2,16 Meter große Kroate Danko Brankovic. Der 23-Jährige war an den Belgrader Ausbildungsverein KK Mega Basket ausgeliehen und soll sich nun in der Bundesliga beweisen.

Madrid-Legende in München: Pablo Laso, 55, der neue Trainer der Basketballer des FC Bayern. (Foto: Christian Kunz/dpa)

National dürften die Münchner damit das Maß der Dinge sein, da die Hauptkonkurrenten Ulm, Berlin und Bonn ihre wichtigsten Kräfte verloren haben. Alba muss künftig ohne die Schlüsselspieler Maodo Lo, Jaleen Smith (Bologna) und Luke Sikma (zu Olympiakos Piräus) auskommen, Bonn verliert neben Spielmacher T.J. Shorts und Trainer Tuomas Iisalo weitere Stammspieler an Paris. Und Meister Ulm konnte erwartungsgemäß das brasilianische Erfolgsduo aus Spielmacher Yago dos Santos und Center Bruno Caboclo nicht halten.

Sind die Münchner in der BBL klarer Favorit, bleiben sie in der europäischen Königsklasse Außenseiter. Denn allen Unkenrufen und Krisen zum Trotz investieren die kontinentalen Spitzenklubs weiterhin enorme Summen. Maodo Lo etwa erhält für zwei Jahre in Mailand nach SZ-Informationen 1,3 Millionen Euro. Barcelona hat den spanischen Europameister Willy Hernangomez aus der NBA (New Orleans) gelockt, Monaco gerade die Verpflichtung des viermaligen NBA-All-Stars Kemba Walker von den Dallas Mavericks bekannt gegeben. Es ist geradezu abenteuerlich, wie sich die europäischen Spitzenklubs verstärken und die Topspieler hin- und hergeschoben werden. Geld scheint eine untergeordnete Rolle zu spielen. Die Endrundenteilnahme wird nach Lage der Dinge für die beiden deutschen Vertreter München und Berlin kaum machbar sein. Beide landeten schon im Vorjahr unter ferner liefen.

Trotzdem wird es auch für den neuen Coach des FC Bayern darum gehen, den Spagat zwischen Bundesliga und Euroleague bestmöglich zu bewältigen, mit bis zu drei Spielen pro Woche. Die Königspersonalie muss den Königsweg finden.

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