FC Bayern:Antizyklische Wut

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Beim 1:1 in Nürnberg geht die Siegesserie des FC Bayern zu Ende. Trainer van Gaal sieht die Partie trotzdem positiv - und fällt ein vernichtendes Urteil über Journalisten.

Johannes Aumüller, Nürnberg

Seit knapp acht Monaten ist Louis van Gaal Trainer des FC Bayern, und was auch immer man von dem Niederländer und seiner Arbeit hält, eines kann man ihm nicht vorwerfen: dass er nicht in der Lage wäre, Verein, Fans und Öffentlichkeit immer wieder in Erstaunen zu versetzen. Mal mit Taten (man denke nur an Einbau vieler junger Spieler in die Mannschaft, den langen Verzicht auf Franck Ribéry oder die ständigen taktischen und personelle Umstellungen der Hinserie), aber oft auch mit Worten.

Bayern-Trainer Louis van Gaal griff nach dem 1:1 gegen Nürnberg kritische Journalisten an: "Das ist unglaublich, dass Sie das sagen. Sie können nicht sagen, dass wir schlecht gespielt haben." (Foto: Foto: dpa)

Nach eher mäßigen Auftritten wie im Bundesliga-Hinrundenspiel gegen Bremen (1:1) oder in der Champions-League-Vorrundenpartie gegen Haifa (1:0) hatte van Gaal von hervorragenden Leistungen gesprochen, nach dem überzeugenden 3:1 gegen Wolfsburg vor wenigen Wochen oder dem 2:1 gegen Florenz am Mittwoch hingegen seine Mannschaft bezichtigt, "arrogant" gespielt zu haben, und mitgeteilt, "böse" auf seine Spieler zu sein.

Angesichts dieser Beispiele schien es fast schon normal, dass van Gaal auch nach dem 1:1 (1:0) seiner Mannschaft beim 1. FC Nürnberg verblüffende Worte wählte. "Das war eines der besten Spiele in diesem Jahr", sagte der Trainer - nicht nur in einem emotionalen Moment unmittelbar nach dem Abpfiff, sondern auch später in der Pressekonferenz. Doch diese Einschätzung teilten nicht viele, auch nicht alle seiner Spieler.

Das erfolgreiche Muster

Gewiss war die Partie, in der Bayerns Thomas Müller nach einer feinen Kombination das 1:0 (38.) und Nürnbergs Ilkay Gündogan mit einem glücklichen Billard-Tor das 1:1 (54.) erzielte, nach jenem Muster abgelaufen, nach dem schon so viele Bayern-Partien in diesem Jahr abgelaufen sind. Nach jenem von Louis van Gaal entwickelten Stil, mit dem der FCB den schwachen Herbst vergessen machen und eine imponierende Serie hinlegen konnte.

Denn gegen einen extrem defensiv auf- und eingestellten Gegner, der sich an der Florenzer Mauer-Taktik orientierte, mit einer Viererkette und drei Akteuren im defensiven Mittelfeld antrat und so die Räume extrem eng machte, kontrollierten die Bayern souverän die Partie. Sie zeigten ein "gutes Positionsspiel", wie van Gaal zu sagen pflegt, hatten wie meistens in dieser Saison weit mehr Ballbesitz als der Gegner (diesmal: 67 zu 33 Prozent), mehr Torschüsse (diesmal: zwölf zu fünf), mehr Großchancen (diesmal: fünf zu zwei), eine hohe Passgenauigkeit (diesmal: 82 Prozent) - und ob dieser Überlegenheit auch den Sieg verdient gehabt.

"Einfach geschlafen"

Dafür mangelte es oftmals an der Kreativität, um den Nürnberger Abwehr-Riegel zu durchbrechen, gab es zu wenige schnelle Seitenverlagerungen und ließen sich die Münchner in der hektischen Schlussphase bisweilen zu hohen Bällen verleiten. Und zu Beginn der zweiten Hälfte "haben wir einfach geschlafen", wie Rechtsverteidiger Philipp Lahm kritisch anmerkte - nur für wenige Minuten, aber das reichte, um das 1:1 zu kassieren.

Es war insgesamt ein Spielverlauf, der dazu einlud, sich über die beiden verlorenen Punkte zu ärgern, wie es viele der Akteure taten. Oder wie Kapitän Mark van Bommel Wert auf die Differenzierung "Das war ein Ergebnisausrutscher, kein Leistungsausrutscher" zu legen.

Von einem "der besten Spiele des Jahres" zu sprechen, wie der Trainer es tat, das lag nicht auf der Hand. Was war an diesem 1:1 in Nürnberg so grundlegend anders im Vergleich zu jener Partie gegen Florenz, in der van Gaal hinterher die Attribute "arrogant" und "böse" wählte?

Auf der nächsten Seite: Van Gaal wütet am Fernsehmikrofon - und fällt ein vernichtendes Urteil über Fußballjournalisten.

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J. Aumüller, Nürnberg

In den vergangenen Wochen ist van Gaal in Sachen antizyklisches Loben und Wüten zum Nachfolger von Uli Hoeneß geworden. Auch dieses Mal sah es so aus, als wolle er prophylaktisch den erwartbaren Reaktionen entgegensteuern, und wahrscheinlich mischte sich in seine Stimmung auch noch ein wenig Wut.

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Zum einen darüber, dass nach 13 Pflichtspielsiegen in Serie die Bayern erstmals seit dem 22. November den Platz nicht als Gewinner verließen. Und zum anderen darüber, dass seine Mannschaft die Chance ausgelassen hatte, den erst am Sonntagabend in Bremen spielenden Tabellenführer Bayer Leverkusen unter Druck zu setzen.

Doch anders als nach anderen Spielen beließ es van Gaal in Nürnberg nicht bei seiner Feststellung. Sondern er verteidigte sie offensiv gegen nachfragende Journalisten. Bereits beim Interview kurz nach Schlusspfiff wurde der Niederländer wütend, als der Fernsehreporter fragte, ob die Mannschaft die erste Hälfte nicht etwas unterkühlt absolviert habe: "Das ist unglaublich, dass Sie das sagen. Sie können nicht sagen, dass wir schlecht gespielt haben." Und als der Moderator nur das Wort Florenz in den Mund nahm, um zur nächsten Frage überzuleiten, fiel ihm van Gaal ins Wort: "Wir haben heute viel besser gespielt als gegen Florenz, Ihre Behauptung ist unglaublich."

"Er muss sich besser vorbereiten"

Später auf der Pressekonferenz erklärte er auf Nachfrage, die meisten Journalisten hätten keine Ahnung von Taktik und Fußball.

Es war nicht das erste Mal in dieser Saison, dass der Bayern-Trainer die Medien angriff. Schon in einer seiner ersten Arbeitswochen herrschte er einen Journalisten an, der bei einem Vorbereitungsturnier die - zugegeben unpassende - Frage gestellt hatte, warum denn Luca Toni nicht eingesetzt wurde. "Er muss sich besser vorbereiten", unterbrach van Gaal damals Münchens zur Erklärung ansetzenden Mediendirektor Markus Hörwick; denn dass Toni nicht spielen konnte, war klar, er laborierte noch an den Folgen einer Verletzung.

"Ich mache keine Fehler"

Später in der Hinserie geriet er beim Auswärtsspiel in Hamburg mit einem Fernseh-Interviewer aneinander, weil der ihn nach dem Grund für einen taktischen Wechsel gefragt hatte. Auch auf seinen bisherigen Stationen in Spanien oder in den Niederlanden war er für seine Ausraster gegen die Journaille berüchtigt. Nach einer Niederlage beendete er ein kritisches Interview einmal mit dem Satz "Ich mache keine Fehler".

Egal, ob die kommenden Wochen für den FC Bayern erfolgreich verlaufen werden oder nicht, eines scheint klar zu sein: Louis van Gaal wird die Fußball-Beobachter noch so manches Mal verblüffen.

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