Fußball-WM:Eine Elfmeter-Wiederholung hilft England

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Ein Sieg für Europameister England zum Start ins Turnier: Georgia Stanway (links) feiert ihren Elfmetertreffer mit Alessia Russo. (Foto: Darren England/AAP/Imago)

Der Europameister zittert: Gegen Außenseiter Haiti vergibt Georgia Stanway einen Strafstoß, darf aber nochmal ran und trifft zum 1:0-Sieg. Die Engländerinnen kämpfen mit Verletzungen - und führen einen Streit mit dem Verband.

Von Anna Dreher

Am Ende entschied tatsächlich ein wiederholter Elfmeter dieses Spiel zwischen dem Europameister England und WM-Debütant Haiti. Nach einer Ecke hatte Verteidigerin Batcheba Louis kurz die Sportart verwechselt und im Hochspringen ihre Hände dem Ball entgegengestreckt wie beim Volleyball. Nach Videobeweis gab es Elfmeter für England. Georgia Stanway entschied sich für links, jene Seite, die auch Torhüterin Kerly Théus antizipiert hatte. Sie blockte den Ball ab, die Haitianerinnen feierten die Parade wie ein Tor. Die Freude aber hielt nur kurz an, Théus war zu früh von der Linie gegangen, der Elfmeter musste wiederholt werden. Und diesmal feierten die Engländerinnen vor den 44 369 Zuschauern in Brisbane, diesmal war der Ball drin.

Nach dem 3:0 der US-Amerikanerinnen gegen Vietnam am neuseeländischen Vormittag kann nun also auch beantwortet werden, wie der nächste Titelkandidat ins Turnier gestartet ist. Zu diesem Kreis zählten die Engländerinnen auch in der Vergangenheit schon, aber die Erwartungshaltung ist diesmal eine andere, höhere, neue. Dieses Team hielt im vergangenen Sommer dem Druck stand, eine Europameisterschaft im eigenen Land zu spielen - und gewann den ersten Titel eines englischen Nationalteams seit den Männern 1966. Nun wird in der Ferne Ähnliches erwartet.

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Aber die Voraussetzungen bei diesem Turnier sind andere. Mit Kapitänin Leah Williamson, EM-Torschützenkönigin Beth Mead und der offensiven Mittelfeldspielerin Fran Kirby fallen gleich drei Leistungsträgerinnen verletzt aus. Zudem sind Ellen White und Jill Scott zurückgetreten. Und wie diverse Nationalteams liegen auch die "Lionesses" im Streit mit ihrem Verband. Sie kämpfen um leistungsbezogene Prämien und stellen zudem die Strategie in Frage, dass ab Mitte Juni für individuelle Sponsoren keine Termine wie Fotoshootings mehr persönlich wahrgenommen und ab 5 Juli auf Social Media keine eigenen Kampagnen mehr beworben werden durften. Die Nutzung ihrer Social-Media-Konten sollte ebenfalls stark eingeschränkt werden, was dann aber doch noch gelockert wurde.

Vor der WM veröffentlichen Englands Nationalspielerinnen ein gemeinsames Statement

Vor allem um die Prämie ging es: Der Weltverband Fifa hatte für dieses Turnier einen Betrag von 30 000 US-Dollar pro Spielerin für die WM-Teilnahme und entsprechend mehr für das Erreichen jeder weiteren Runde versprochen. So viel wie noch nie. Für die englischen Spielerinnen zählte das nicht als Argument, vom eigenen Verband nicht auch eine Erfolgs-Prämie zu bekommen. Vor dem Turnier setzten sie die Diskussionen mit der FA vorerst aus. Zu Ende sind sie aber nicht.

"Obwohl wir nur Spielerinnen sind, drängen wir auf Veränderungen. Wir wollen, dass der Frauenfußball vorankommt", sagte Lucy Bronze. "Und das nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Zukunft, wenn ich längst aufgehört habe." In einem Statement teilten die Spielerinnen mit, das Team habe die Thematik vergangenes Jahr bei der FA angesprochen in der Hoffnung, die Debatte sei vor der WM beendet. "Wir fühlen uns gemeinsam sehr stark dafür verantwortlich, das Spiel weiterzuentwickeln", heißt es in dem Schreiben. Ein transparenter, langfristiger Plan mit dem Input der Spielerinnen sei in ihren Augen der "Schlüssel für das Wachstum des Frauenfußballs in England". Nun werde jeder Zweikampf, jeder Pass und jedes Tor bei diesem Turnier zu der Arbeit abseits des Platzes beitragen.

Voller Fokus aufs Sportliche also. Aber da taten sich die Europameisterinnen beim Auftakt gegen den 53. der Weltrangliste erstaunlich schwer. Trainerin Sarina Wiegman hatte Haiti als athletischen und unberechenbaren Gegner beschrieben. So defensiv mauernd, wie sie die Engländerinnen womöglich erwartet hatten, traten die Haitianerinnen jedenfalls nicht auf, sondern spielten mutig nach vorne. Melchie Dumornay, die ab der kommenden Saison für den achtmaligen Champions-League-Sieger Olympique Lyon spielen wird, kreierte drei Chancen. Aus dem wenigen Ballbesitz, den sie hatten, holten die Haitianerinnen viel heraus, scheiterten dann aber an Englands Torhüterin Mary Earps oder mangelnder Präzision.

Dabei hätte in der 18. Minute das Spiel schon in Richtung der Engländerinnen kippen können. Doch weil Alessia Russo ein Foul begangen hatte, gab es für das unmittelbar danach erfolgte Foul an Mitspielerin Chloe Kelly keinen Elfmeter. Die Engländerinnen wirkten zunehmend frustriert von der Mühe, die sie dieses Spiel kostete. Théus verhinderte tapfer einen Abschluss nach dem anderen. In der 76. Minute versuche Wiegman, mehr Gefahr zu bringen: Rachel Daly betrat den Platz, die vergangene Saison 22-mal für Aston Villa getroffen hatte. Aber auch sie änderte wenig. Sechs Tage bleiben den Europameisterinnen nun, um in jene Form zu kommen, die von ihnen erwartet wird. Nächster Gegner ist Dänemark.

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