EM-Wunderknaben - Andrej Jarmolenko:Der Junge aus 130 Kilometern

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Er ist schnell, dribbelstark und mag den Arjen-Robben-Trick: Flügelmann Andrej Jarmolenko zählt zu den Hoffnungen der ukrainischen Fans bei der Heim-EM. Doch er gehört auch zu der Spielergeneration, die sein Nationaltrainer besonders kritisch sieht.

Johannes Aumüller, Kiew

"EM-Wunderknaben" ist die Serie von Süddeutsche.de zur Fußball-EM in Polen und der Ukraine. Bis zum Turnierstart stellen wir jeden Tag einen hoffnungsvollen Kicker vor, der ein Gesicht dieser EM werden könnte.

Ukrainische Hoffnung: Andrej Jarmolenko (hier im Duell mit Toni Kroos) (Foto: N/A)

Es war Ende des Jahres 2006, und die Verantwortlichen von Dynamo Kiew waren auf der Suche nach neuen Talenten. Also schickten sie ihre Scouts los - und die wurden in der nordukrainischen 300.000-Einwohner-Stadt Tschernigow schon bald fündig. "Ich sagen Ihnen, unsere Späher haben 130 Kilometer von Kiew entfernt einen Jungen entdeckt, den unsere Spezialisten schon jetzt den zweiten Schewtschenko nennen", schwärmte der damalige Trainer Anatolij Demjanenko.

Es war eine Anspielung auf eine Aussage seines Vorgängers Jozsef Szabo, der auch schon mal 130 Kilometer von Kiew entfernt ein Talent gefunden haben wollte, das sich aber als fußballerisch zu schwach erwies. Aber bei der neuen Entdeckung Andrej Jarmolenko hatte niemand Zweifel an der fußballerischen Tauglichkeit. Und so spielt Jarmolenko seit dieser Zeit bei Dynamo Kiew und hat seit dieser Zeit einen der kuriosesten Spitznamen in der Fußball-Welt: "der Junge aus 130 Kilometern".

Eigentlich ist es vor dieser Europameisterschaft schwer, eine mögliche ukrainische Entdeckung auszumachen. Das liegt erstens daran, dass die Hierarchie und die Struktur der Nationalelf immer noch sehr stark von den drei Routiniers Anatolij Timoschtschuk, Andrej Woronin und Andrej Schewtschenko abhängen.

Und das hat zweitens etwas mit der Situation der jüngeren Spieler selbst zu tun: Alle spielen in der heimischen ukrainischen Liga, wo die Niveauunterschiede zwischen den Mannschaften zum Teil sehr groß und die guten Spieler nur gegen drei, vier gegnerische Mannschaften wirklich ernsthaft gefordert sind. Zugleich verdienen sie aber so gut und mögen sie das heimische Umfeld so sehr, dass sich viele das Abenteuer Ausland nicht antun möchten.

Doch wenn bei der EM einer den Durchbruch schaffen könnte, so glauben sie in der Ukraine, dann ist das dieser Andrej Jarmolenko. Zumindest überhäufen sie ihn schon mit den größtmöglichen Vergleichen. Nicht nur, dass sein damaliger Trainer Demjanenko befand, man habe den zweiten Schewtschenko gefunden. Dynamos Vize-Präsident Alexej Semenenko ist sogar so begeistert, dass er an das berühmte Dribbel-Tor von Oleg Blochin gegen den FC Bayern im Jahr 1975 (Link zum Youtube-Video "Einer wie Robben") erinnerte: "In diesem Stil wie Blochin agiert Jarmolenko. Er ist ein frecher, aber spielintelligenter Spieler."

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Natürlich sind diese Vergleiche völlig maßlos, dafür sind Jarmolenkos Leistungen viel zu wechselhaft, ist sein Kopfballspiel zu schwach und seine, zuletzt zumindest etwas abgelegte, Schwäche, zu signifikant. Aber Jarmolenko, der in St. Petersburg geboren wurde und im Oktober 23 Jahre alt wird, ist ein schneller und technisch starker Dribbler. Früher spielte er als zentraler Stürmer, doch mittlerweile wird er sowohl im Verein, mit dem er in dem vergangenen vier Jahren in der ukrainischen Liga einmal Erster und drei Mal Zweiter wurde, als auch in der Nationalmannschaft meistens als offensiver Flügelmann eingesetzt.

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Wenn die letzten Trainingseinheiten nicht täuschen, dürfte er bei der EM gemeinsam mit Jewgenij Konopljanka von Dnjepr Dnjepropetrowsk - dem zweiten Akteur aus dem EM-Kader, bei dem die Fußball-Fans in der Ukraine während der EM auf den Durchbruch hoffen - die Flügelzange bilden. Linksfuß Jarmolenko übernimmt dabei vermutlich den Part auf der rechten Seite, um dort die Aktion zu zeigen, die auch Arjen Robben so gerne zeigt: mit einem Dribbling nach innen ziehen und dann mit dem starken linken Fuß abziehen.

Allerdings zählt Jarmolenko zu den Spielern, die sich mit den strengen und sturen Methoden und Ansichten von Nationaltrainer Oleg Blochin bisweilen schwer tun. Dieser kritisiert beispielsweise die enormen Gehälter in der ukrainischen Liga, wo 1,5 bis zwei Millionen Euro netto pro Jahr auch für durchschnittliche Spieler nicht unüblich sind.

"Ich denke, die Gelder, die man derzeit den Fußballern bezahlt, sind Über-den-Wolken-Summen. Die Spieler verdienen einfach zu viel", sagte Blochin kürzlich in einem SZ-Interview. Sie seien zu schnell mit sich zufrieden, und sie müssten erst etwas mehr leisten, ehe sie in den Genuss eines luxuriöseren Lebens kommen dürften.

Andrej Jarmolenko sagte kürzlich in einem Interview: "Ich liebe Maserati."

"EM-Wunderknaben" ist die Serie von Süddeutsche.de zur Fußball-EM in Polen und der Ukraine. Bis zum Turnierstart stellen wir jeden Tag einen hoffnungsvollen Kicker vor, der ein Gesicht dieser EM werden könnte. Bisher erschienen: Englands Theo Walcott und Frankreichs Olivier Giroud. Am Montag folgt der Däne Christian Eriksen .

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