Eishockey-WM:Nur ein kleiner Schubser fehlt

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Zurückhaltend in seiner Art, aber auf dem Eis im Vordergrund: Nico Sturm. (Foto: Kalle Parkkinen/Newspix24/Imago)

Bei der WM hat Deutschland Favorit Finnland am Rand einer Niederlage, verliert aber 3:4. Wie schon gegen Schweden blickt das DEB-Team auf eine gute Leistung und null Punkte. Nun wartet der nächste große Gegner.

Von Johannes Schnitzler, Tampere

Gegen die Großen mithalten zu können, ja, einen dieser Großen hart an den Rand der Niederlage gedrängt zu haben: Das war die positive Nachricht, die die deutschen Eishockeyspieler aus ihrer 0:1-Niederlage am Freitag zum WM-Auftakt gegen Schweden destillierten. "Wir haben den Schweden von Anfang an gezeigt, wie hart wir arbeiten", sagte NHL-Stürmer John-Jason Peterka. Nach überlegenem ersten Drittel waren sie im zweiten Abschnitt unter Druck geraten, hatten sich im dritten vom frühen Gegentreffer erholt - und standen am Ende doch mit wenig mehr da als guten Vorsätzen für die zweite Partie am Samstag gegen WM-Gastgeber und Titelverteidiger Finnland. "Die Spieler sind natürlich frustriert", sagte Bundestrainer Harold Kreis. "Viel investiert, viel gemacht. Nur die Tore haben gefehlt. Aber insgesamt sind die Leistung und der Einsatz ein sehr guter Wegweiser."

Dieser innere Kompass führte zumindest am Samstag noch nicht ans Ziel. Nach einer über weite Strecken überzeugenden Leistung verlor die deutsche Mannschaft auch das zweite Gruppenspiel bei dieser Weltmeisterschaft 3:4 (1:1, 2:2, 0:1). Das DEB-Team hatte den nächsten Favoriten an den Rand einer Niederlage gedrängt, nur ein kleiner Schubser fehlte.

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Bei ihrer zweiten Heim-WM nacheinander - Tampere sprang ein, weil der Weltverband IIHF Russland das Austragungsrecht entzogen hat - verspüren die Finnen enormen Druck. Die Eishockeybegeisterung in dem Fünf-Millionen-Land ist gewaltig, in den Straßen und auf den Plätzen von Tampere ist die Leijonat allgegenwärtig, viele Menschen tragen Trikots der Nationalmannschaft, auch solche, die sich Tickets nicht leisten können; Karten für Spiele der finnischen Mannschaft gibt es von 90 Euro an aufwärts.

Das 1:4 zum Auftakt gegen die USA ließ ein entsetztes Heimpublikum zurück. Entsprechend schuldbewusst klang Stürmer Mikko Rantanen: "Wir waren schläfrig und sind zu wenig gelaufen. Wir müssen unsere Beine finden." Finnlands einziger Torschütze Teemu Hartikainen schickte ein Versprechen hinterher, das in den Ohren der Deutschen wie eine Warnung klang: "Am Samstag werdet ihr ein sehr viel hungrigeres Team sehen." Diesen Verdacht hegte auch DEB-Kapitän Moritz Müller: "Ich erwarte Finnen, die sehr heiß rauskommen werden. Die versuchen, direkt etwas gutzumachen. Wir müssen cool bleiben, coolen Kopf behalten, auch bei der Kulisse."

Die Finnen kamen hart aus der Kabine

Natürlich war die Arena in Tampere, Stätte des finnischen Triumphs gegen Kanada im vergangenen Jahr, am Samstagabend ausverkauft, 11 700 Zuschauer, hohe Preise hin oder her. Und die Finnen kamen, wie es in der Eishockeysprache heißt, hart aus der Kabine. Atemlose vier Minuten waren die Deutschen vor allem damit beschäftigt, geordnet zum Wechseln zu kommen, für einen geordneten Spielaufbau blieb keine Zeit. Ausgerechnet eine Strafzeit gegen Marcel Noebels eröffnete dann die beste Chance bis dahin, aber Dominik Kahun scheiterte an Torhüter Jussi Olkinuora.

Harold Kreis startete mit derselben Aufstellung wie am Vortag, mit einer Ausnahme: Nach seiner starken Leistung gegen Schweden bekam Torhüter Mathias Niederberger am Samstag eine Pause, der Wolfsburger Dustin Strahlmeier kam für ihn zum zweiten WM-Einsatz seiner Karriere. Und der begann ähnlich unglücklich für den gebürtigen Gelsenkirchener wie das 0:6 des FC Schalke in München: Ein Schuss von Joel Armia flutschte dem 30-Jährigen zwischen Schoner und Fanghand zum 0:1 durch (10. Minute). "Ich muss einfach einen mehr halten, dann sieht die Nummer anders aus", sagte Strahlmeier später.

Die Deutschen hatten zuletzt gute Erfahrungen gemacht mit dem viermaligen Weltmeister und aktuellen Olympiasieger. 2021 unterlag das DEB-Team unter Toni Söderholm den Finnen im Halbfinale nach großem Kampf 1:2, 2019 besiegten sie sie in der Gruppenphase 4:2, unter anderem durch zwei Treffer von Leon Draisaitl.

Auch diesmal fanden sie ins Spiel, wenngleich über Umwege. Ein doppelt abgefälschter Schuss entließ beide Teams mit einem 1:1 in die erste Pause, Absender: Marcel Noebels (18.).

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Das zweite Drittel begann wie das erste, Finnland suchte sofort den kürzesten Weg zum Tor. Aber das 1:1 hatte die Verklemmung bei den Deutschen gelöst. Dem Publikum gefiel es, es schickte die Welle durch die Halle. Weniger Gefallen fanden zwei Strafzeiten hintereinander gegen das Team von Trainer Jukka Jalonen, die zwar zu nichts führten; aber kaum war die zweite abgelaufen, feuerte Kai Wissmann den Puck von der blauen Linie zur deutschen Führung in den Winkel (33.), die Nico Sturm kurz darauf hätte ausbauen können. Sein Schuss streifte das Lattenkreuz. Umso genauer zielte Sakari Manninen, Finnlands goldener Schütze im Finale '22, der in der 35. Minute zum 2:2 traf und 1:47 Minuten später im Powerplay zum 3:2. Spiel wieder gedreht.

Diesmal hätte Kasperi Kapanen erhöhen können, scheiterte aber wie zuvor Sturm am Pfosten. Und nun glichen postwendend wieder die Deutschen aus: Peterka stellte 19 Sekunden vor Drittelende in Überzahl auf 3:3, ganz locker aus dem Handgelenk. Das Spiel entwickelte sich zum Spektakel.

Die Aussicht auf einen veritablen Fehlstart nagte an den Finnen, die trotz doppelt so vieler Torschüsse bei einem Lattentreffer von Moritz Müller Glück und noch eine weitere Unterzahlsituation zu überstehen hatten, ehe Mikko Lehtonen, der einen Rebound verwertete, ihnen Erlösung verschaffte (53.).

"Null Punkte sind null Punkte", hatte Dominik Kahun nach dem Auftaktspiel gegen Schweden gesagt. Bis zum Spiel am Montag gegen die USA wird sich daran nichts ändern.

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