Drei Dinge werden jedem, der diese vierte Partie zwischen den Edmonton Oilers mit dem Deutschen Leon Draisaitl und Colorado Avalanche verfolgt hat, in Erinnerung bleiben. Erstens: das Ende. 5:5 stand es nach regulärer Spielzeit; in der Verlängerung dann: Tor Colorado. Aber: War der Stock von Artturi Lehkonen zu hoch? Kanadische Eishockeyzuschauer, die den Atem anhalten, werden in ihrer Erhabenheit nur vom Gesang russischer Männerchöre übertroffen; trauernde kanadische Eishockey-Fans nur von trauernden Fußball-Fans aus Südamerika.
Also: gebanntes Bangen und dann tiefe Trauer. Der Treffer zählte, Colorado gewann 6:5 und damit die Halbfinalserie, die viel spannender war, als es das Ergebnis (4:0) vermuten lässt. Im Finale trifft Colorado auf den Sieger der Serie Tampa Bay Lightning gegen New York Rangers, vor dem Spiel an diesem Dienstag hatte Titelverteidiger Lightning auf 1:2 verkürzt. Edmonton dagegen ist ausgeschieden.
Was außerdem niemand vergessen wird: die vier Vorlagen von Oilers-Angreifer Draisaitl. 25 Zuspiele mit anschließendem Torerfolg hat er in nur 16 Playoff-Partien geschafft, so viele wie noch kein anderer Spieler in der NHL-Geschichte in derart wenigen Begegnungen. Den ewigen Rekord hält Wayne Gretzky (31 in 19 Partien, 1988), und so ziemlich alle sind sich sicher: Dieser Rekord wäre gefallen, hätten die Edmonton Oilers das Finale erreicht. Doch das verfehlten sie, und wer Draisaitl kennt, der weiß, wie schnuppe ihm solche individuellen Statistiken sind.
Draisaitl plagt sich trotz Verletzung durch die Playoffs
Er will diesen Cup, unbedingt, und das führt zur dritten Sache, die keiner wird vergessen können: warum in aller Welt dieser Leon Draisaitl überhaupt noch auf dem Eis war. Er plagt sich seit Ende der regulären Saison mit einer Verletzung am Fuß, die während der Playoffs schlimmer wurde - so schlimm, dass die Oilers darauf verzichteten, eine genaue Diagnose zu veröffentlichen. Eishockey-Profis sind harte Hunde, gerade in den NHL-Playoffs, keiner will da aussetzen.
In einer Pause während Spiel vier war dann aber der Leidensweg von Draisaitl zu sehen: umgeknickt mit dem ohnehin lädierten Köchel; ein Puck mit voller Geschwindigkeit gegen den Oberschenkel; ein Bodycheck gegen die linke Hand; noch ein Puck, diesmal gegen die Hand; nochmal umgeknickt. Zwischenzeitlich schleppte sich Draisaitl zur Bank und von dort aus in die Umkleidekabine; ein paar Minuten später kehrte er aufs Eis zurück - und legte einen Treffer auf.
Draisaitl ist ein begnadeter Torschütze, das war allen klar in der NHL. In diesen Playoffs zeigte er zudem, was für ein Spielmacher er mittlerweile ist - und was für ein harter Hund. Er selbst redet nicht so gerne über sich und seine Leistungen, also sei am Ende seiner Saison gesagt: Er hat unvergessliche Momente geliefert, und das dürfte er auch künftig tun. Was man nämlich nicht vergessen sollte: Draisaitl ist erst 26 Jahre alt. All die Wunden dürften bis zum Start der nächsten Saison verheilt sein.