Kuntz in der Türkei vor dem Aus:Ein neuer Kandidat für die Flick-Nachfolge

Lesezeit: 3 min

Nach zwei Jahren ist für Stefan Kuntz wohl Schluss als Nationaltrainer der Türkei. (Foto: AP/dpa)

Noch fehlt die offizielle Bestätigung - aber die Zeit von Stefan Kuntz als Nationaltrainer der Türkei steht vor dem Ende. Kehrt der U21-Erfolgstrainer zum DFB zurück? Und folgt ihm ein alter Bekannter nach?

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Fußball-Lehrer Stefan Kuntz ist ein Mensch, der mit einer gesunden Entspanntheit aufs Leben blickt. Das erklärt einerseits, warum er eine knapp zweijährige Amtszeit als türkischer Nationalcoach recht erfolgreich gestalten konnte; in der stets aufgekratzten Atmosphäre am Bosporus ist das gar nicht so einfach. Und es führt andererseits dazu, dass er auch jetzt in sich zu ruhen scheint, da sein Name sehr viel Aufregung generiert. Denn seit Sonntag macht die Nachricht die Runde, dass Kuntz als Trainer der Türken abgesetzt worden sei.

Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst weder seitens des Verbandes noch von Kuntz selbst. Am späten Montagnachmittag hieß es seitens des Verbandes, Kuntz werde für Mittwoch zu einem Gespräch mit dem Präsidenten einbestellt - Berichte über eine bereits vollzogene Entlassung entsprächen "nicht der Wahrheit". Das neue Profilbild von Kuntz bei einem Messenger-Dienst wiederum verrät nichts außer staunender Gelassenheit. Nicht der 60-Jährige ist dort zu sehen, sondern die Rücken der Comicfiguren Charlie Brown und Snoopy, die auf dem Dach einer Hundehütte in den Sternenhimmel schauen.

Andreas Rettig beim DFB
:"Ich war nicht unbedingt der Wunschkandidat des FC Bayern"

Der neue DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig und Präsident Bernd Neuendorf reagieren auf die aktuelle Kritik, erklären das Ende der Taskforce - und sagen, wie es bei der Bundestrainer-Suche steht.

Daran, dass die Zeit von Kuntz als Nationaltrainer abgelaufen ist, besteht freilich kein Zweifel mehr. Der Präsident des türkischen Verbandes TFF, Mehmet Büyükekşi, trug nach SZ-Informationen seinem Sportdirektor Hamit Altintop auf, Kuntz telefonisch mitzuteilen, dass auf seine Dienste künftig verzichtet werden solle. Der frühere Bundesligaprofi (unter anderem FC Schalke und Bayern München) tat wie ihm aufgetragen, eine förmliche Kündigung des Vertrages liegt aber (noch) nicht vor. Dem Aus von Kuntz wohnt damit eine kuriose Duplizität von Ereignissen inne. Denn wenn man so will, wurde Kuntz wie zuvor dem vormaligen Bundestrainer Hansi Flick ein Testspiel gegen Japan zum Verhängnis. Das letzte Spiel mit Kuntz an der Seitenlinie verloren die Türken gegen Japan 2:4; Flick war nach dem 1:4 von Wolfsburg abgesetzt worden.

Angeblich strebt Staatschef Erdogan schon länger an, den Trainerjob in türkische Hände zu legen

Interessant ist, dass Kuntz ansonsten überaus beachtliche Resultate vorzuweisen hat. Nachdem er im Oktober 2021 das Amt des glücklosen Senol Günes übernommen hatte, hievte er den WM-Dritten von 2002 in die Playoffs der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Katar. Dort scheiterten die Türken an Portugal. In der Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 ist die Türkei bislang ganz gut unterwegs. Sie steht punktgleich mit Kroatien an der Spitze der Gruppe D, allerdings hat das Team ein Spiel mehr bestritten als der WM-Dritte von Katar. Zuletzt holte die Türkei nur ein mageres 1:1 gegen Armenien.

Im Gespräch für die Nachfolge von Kuntz: der ehemalige Bundestrainer Joachim Löw. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Danach wurden die schon seit Monaten kursierenden Gerüchte um ein Aus für Kuntz als Türkei-Coach befeuert, sie fußten teilweise auf angeblichen, zumeist frei erfundenen Konflikten zwischen Kuntz und führenden Nationalspielern. Diese Spekulationen, die ein destabilisierendes Eigenleben entwickelten, muss man offenbar nicht nur vor einem sportlichen Hintergrund verstehen. Sie verströmten immer auch eine politische Duftnote.

Angeblich strebt Staatschef Recep Tayyip Erdogan schon länger an, den Trainerjob in türkische Hände zu legen. Gleichwohl spekulierte die regierungsnahe Nachrichtenagentur DHA, dass der frühere deutsche Weltmeistercoach Joachim Löw, 63, zu den Kandidaten für den Trainerposten gehört - zusammen mit dem Erdogan-Anhänger Mesut Özil als Sportdirektor. Löw und Özil haben vor einigen Monaten nach langer Funkstille wieder Kontakt zueinander gefunden. Löw hatte Jahre vor seiner Zeit als Bundestrainer in der Türkei als Coach von Fenerbahce Istanbul und Adanaspor gearbeitet.

Eine spannende Frage wird sein, wie die berufliche Zukunft von Kuntz aussieht. Der Europameister von 1996 hat vor seiner Zeit in der Türkei für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gearbeitet. In den Jahren 2017 und 2021 führte Kuntz die deutsche U21-Nationalmannschaft jeweils zum Europameistertitel - mit einer Reihe von Spielern, die heute Teil der A-Nationalmannschaft sind, unter anderen Serge Gnabry, Leroy Sané, Florian Wirtz, Leon Goretzka, Benjamin Henrichs oder Nico Schlotterbeck. Schon nach dem Ende der Ära Löw hatte Kuntz grundsätzliches Interesse am Bundestrainer-Job gezeigt, für den nun vor allem der frühere Bayern-Coach Julian Nagelsmann im Gespräch ist. Er gilt aber als eine vergleichsweise teure Lösung. Kuntz soll vom DFB bislang nicht direkt kontaktiert worden sein.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUli Hoeneß im Interview
:"Das ging bumm-bumm-bumm"

Aktuelle Fußball-Weltmeister hat der FC Bayern keine mehr, dafür drei Basketball-Weltmeister: Ehrenpräsident Uli Hoeneß erklärt, was Deutschland von seinen Basketballern lernen kann. Er sagt, woran sich der Fußball ein Beispiel nehmen sollte - und welchen Bundestrainer-Typen er bevorzugt.

Interview von Christof Kneer, Philipp Schneider und Ralf Tögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: